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In den Jahren zwischen 1864 und 1875 ließen
sich Angehörige der wohlhabenden Schicht
auch östlich des Albanitores nieder (vgl. die
etwas früher einsetzende Entwicklung z. B.
an der Bürgerstraße, Geismar Landstraße,
Reinhäuser Landstraße usw.). Von diesen
Bauten, die vor der Bauordnung von 1877
(Fluchtliniengesetz) erstellt wurden, haben
sich einige an der Herzberger Landstraße/
Düstere Eichen Weg und am unteren Hain-
holzweg/Am Reinsgraben/Friedländer Weg
erhalten.
Die wahrscheinlich älteste, zwischen 1864
und 1872 entstandene Gruppe findet sich
auf der Nordseite der Herzberger Land-
straße (Nr. 1, 3, 7, 9,11,13,15, Düstere Eichen
Weg 1, 2). Sie wird eingeleitet von dem
zweieinhalbgeschossigen Ziegelbau unter
Satteldach, Bühlstraße 2, erbaut ca. 1868,
der seine symmetrisch in drei Abschnitte
gegliederte Giebelseite mit Balkon als
Hauptfassade der Herzberger Landstraße
zuwendet; der Eingang liegt auf der Nord-
seite. Das vergleichsweise einfache Dreifa-
milienhaus stellt mit seiner „textilen” Gestal-
tung des Mauerwerks aus schmalen roten
und gelben Ziegelbändern, sparsam einge-
paßten geometrischen Ornamenten und
dem darüber gelegten Gliederungssystem
aus dünnen, lisenenartigen, roten Vorlagen
einen Einzelfall in der Göttinger Architektur
dar.
Die anschließenden, villenähnlichen, meist
zweigeschossigen, Wohnhäuser sind bis auf
die Putzbauten Herzberger Landstraße 9
(1867 von Maurermeister Freise für Profes-
sor Ritschi) und Nr. 15 (erbaut ca. 1869) in
Tuffstein, z. T. mit Sandsteingliederung aus-
geführt. Bis auf Düstere Eichen Weg 1
(erbaut ca. 1870) und Herzberger Land-
straße 13 (erbaut ca. 1870/71) zeigen sie Ein-
flüsse des Rundbogenstils in verschiedener
Ausformung: An Nr. 7 (erbaut ca. 1865) und
am älteren Teil von Nr. 11 (erbaut 1864; auf
der Westseite eine Erweiterung von 1900)
beschränkt sich die Gliederung auf kräftige
Vorlagen an den Kanten, die sich friesartig
unter Traufe und Giebel fortsetzen, auf
knappe Gesimse und besonders sorgfältige
Steinsetzung an den Fensterbögen; beide
Gebäude haben überdachte Freisitze mit
schmückender Stützkonstruktion aus Holz
bzw. Gußeisen. Dagegen herrscht z. B. an
Herzberger Landstraße 3 (erbaut ca. 1870
von Stadtbaurat Gerber) eine stärkere
Schmuckfreude vor, die in spezifischer Form
neoromanische Elemente beisteuert. Dem
zweigeschossigen Baukörper mit Zwerch-
haus und Drempel unter Walmdach sind
seitlich und vorn niedrigere Anbauten (Ein-
gang und Vorbau mit Altan) beigeordnet, die
seine kubische Geschlossenheit betonen.
Die Hausecken verstärken Vorlagen, denen
unter der Traufe umlaufend horizontale Bän-
der entsprechen. Diesem kantenbezogenen
„Gerüst” paßt sich die Binnengliederung aus
Gurtgesimsen und auf diesen fußenden
„Fensternischen” ein. An der dreiteiligen
Hauptfassade durchstößt der Mittelab-
schnitt mit dem flach übergiebelten Zwerch-
haus die Ordnung. Seine Rahmenkonstruk-
tion aus schlanken „romanischen” Dreivier-
telsäulchen und polygonalen Pilastern

scheint das reiche Giebelgesims zu tragen.
Auffallend sind die zahlreichen neoromani-
schen Details wie Konsolen, Klötzchenfries,
Lilienfries, Kleeblattbogen usw. Verwandte
Elemente tauchen an Nr. 15 (erbaut ca. 1868)
und anderen privaten und öffentlichen
Gebäuden des 3. Viertel des 19. Jh. in Göttin-
genauf (z. B. Bürgerstraße5, WeenderLand-
straße 2, usw.).
Etwa gleichzeitig baute man Wohnhäuser,
an denen spätklassizistische und renaissan-
cistische Motive eine Verbindung eingingen;
zu dieser Gruppe gehören Düstere Eichen
Weg 1 und Herzberger Landstraße 13, beide
um 1870. Das letzte Beispiel bringt mitseiner
asymmetrischen Fassade aus giebelständi-
gem Seitenrisalit und traufständigem
Abschnitt ein neues Element der Göttinger
Architektur, das sich in den folgenden Jahr-
zehnten an zahlreichen Wohnhäusern unter-
schiedlicher Kategorie durchsetzte.
Ebenfalls vom Rundbogenstil beeinflußt
sind die beiden auf der Ostseite des heuti-
gen Cheltenham-Parks stehenden Wohn-
häuser aus Tuffstein mit Sandsteingliede-
rung Am Reinsgraben 1 von ca. 1875 und
Hainholzweg 3 von ca. 1870. Die Fassade

des letzteren prägt das Spannungsverhält-
nis zwischen dem übergiebelten, durchge-
stalteten Mittelrisalit mit differenzierten Fen-
stergruppen und feingearbeiteten Säulen,
Gewänden, Brüstungsfeldern, Profilen usw.
und den „gerahmten” Seitenabschnitten,
wo sich der Schmuck auf je eine zwischen
den Geschossen befindliche rundbogige
Figurennische und eine antikisierende weib-
liche Statue (Flora und Demeter?) auf goti-
sierend/italienesierenden Konsolen kon-
zentriert.
In den Jahren zwischen 1870 und 1876
bebaute man die Kreuzung Friedländer
Weg/Hainholzweg mit vier villenähnlichen
Wohnhäusern, die an städtebaulich präg-
nanter Stelle in reizvollem Kontrast ver-
schiedene stilistische Strömungen zeigen.
Friedländer Weg 11 ließ sich Professor
Lagarde von Maurermeister Rathkamp (vgl.
z. B. Groner Tor Straße 1, Bürgerstraße 5,
Hainholzweg 10) als roten Ziegelbau in
gemäßigtem Rundbogenstil errichten. Das
auf der westlichen Straßenseite gegenüber
liegende Haus (Hainholzweg 11, erbaut ca.
1870) ist ein stärker dem romanisierenden
Rundbogenstil verpflichteter Tuff- und Sand-

Herberger Landstraße 1, 3



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