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Fachwerk mit niedrigen Stockwerken, Vor-
kragung und kleinen Fenstern.
Im 19. Jh. entstand - häufig auf den Keller-
sockeln bzw. Fundamenten des Vorgänger-
baus - eine relativ große Anzahl von Wohn-
und Wirtschaftsgebäuden, zu denen auf den
größeren Höfen bis zum Ersten Weltkrieg
noch einige wenige Bauten hinzukamen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verdrängte der
Mietwohnbau manchealte Hofstelle. Zudem
unterlag die ältere Substanz aufgrund von
Betriebsumstellung und Umnutzung z. T.
starken Veränderungen. Die alten Wohnge-
bäude verloren durch geänderte Fensterfor-
mate, Anbauten, Putz und Behang ihren
Charakter. So blieben noch drei Gruppen
von Gebäuden übrig, die außer den oben
genannten die gewachsene historische
dörfliche Bebauung in Geismardokumentie-
ren: Am Geismar Thie um die Kirche, an der
Hauptstraße und im mittleren Dorf an der
„Gabelung” Mitteldorfstraße/Heidelbeer-
gasse.
Über den bzw. die Vorgängerbauten der
barocken Martini-Kirche, dem bedeutend-
sten Bauwerk in Geismar, weiß man z. Zt.
nichts Genaues. Die heutige Kirche hat die

fürdas Gebiet um Göttingen ungewöhnliche
Grundrißform eines griechischen Kreuzes
und wurde nach der Entscheidung der Her-
ren von Hardenberg in den Jahren nach 1737
(Weihe 1743) errichtet. Auf Sandsteinqua-
dersockel erhebt sich ein massiver Putzbau
unter Walmdächern über den Kreuzarmen
und unter einem bekrönenden polygonalen
Mittelturm mit Glockenhaube und Laterne.
Die Gliederung erfolgt einmal durch die spie-
gelartige Vertiefung des jeweiligen Wandab-
schnitts, zum anderen durch die Sandstein-
ortquader (Lang- und Kurzwerk) und an den
Stirnseiten durch die rundbogigen Fenster
mit Sandsteineinfassung, die im Osten,
Süden und Norden je eine Tür bzw. ein reich
gestaltetes Portal flankieren. Über dem Ein-
gang der Nordseite findet sich das harden-
bergsche Wappen und eine Inschriftentafel
mit einem Chronogramm (1737, 1738). Den
flachgedeckten Innenraum mit umlaufen-
den Emporen untergliedern polygonale Pfei-
ler, die den Mittelturm stützen. Im Ostarm
steht der Kanzelaltar von ca. 1750; eine
Orgel erhielt die Kirche 1777.
Der Kirchhof mit dem dominierenden Kirch-
bau und einigen alten Bäumen liegt

Geismar, Mitteldorfstraße 4,1. Hälfte 19. Jh.


Geismar, Im Kolke 35, spätes 18. Jh.


Geismar, Hauptstraße 37 nach Süden


Geismar, Hauptstraße 49, 47 ff


Geismar, Hauptstraße nach Süden


umschlossen von einer Bruchsteinmauer
über dem Niveau der angrenzenden Stra-
ßen. Der ehemalige Thieplatz auf seiner Süd-
seite dient als Schulhof. Das Pfarrhaus steht
auf der Nordseite der nördlich der Kirche
vorbeiführenden Mitteldorfstraße (Nr. 4). Es
ist ein giebelständiger, zweistöckiger Fach-
werkbau auf Natursteinsockel und unter
Halbwalmdach aus der 1. Hälfte des 19. Jh.
Zu dem Pfarrhof gehört ein traufständig an
die Straße gebautes ehemaliges Wirt-
schaftsgebäude aus den Jahren zwischen
1876 und 1890, z. Zt. von der Gemeinde als
Versammlungsraum genutzt. 1837 errichtete
man an dem westlich unterhalb des Kirch-
hofs verlaufenden Weg die Schule mit Leh-
rerwohnung (Am Geismar Thie 2), die zeit-
weilig auch als Rat- und „Hochzeitshaus’’
diente, ein verhältnismäßig großes, trauf-
ständiges Fachwerkhaus, dem Pfarrhaus
vergleichbar, ebenfalls mit geländeausglei-
chendem Natursteinsockel und mit Halb-
walmdach. Heute beherbergt es das Hei-
matmuseum. Seit einigen Jahren findet sich
auf dem G rundstück ein transloziertes Back-
haus von 1769.
Die Ostseite des Kirchhofs und Thies stößt
an z. T. sehr kleine Grundstücke an der
Hauptstraße (Nr. 64-70). Auf ihnen stehen
giebelständige Wohngebäude mit Wirt-
schaftsanbauten aus derl. Hälfte des 19. Jh.
(Nr. 60, 64, 70), ein Ersatzbau vom Beginn
des 20. Jh. (Nr. 68) und als ältestes ein im
Erdgeschoß verändertes Gebäude aus dem
frühen 18. Jh. mit Knickstreben und erkenn-
barer Vorkragung (Nr. 62). Diese Häuser
gehören zu einer Gruppe von giebelständi-
gen, meist aus dem 19. Jh. stammenden
Wohngebäuden von ehemaligen Streckhö-
fen, die später durch weitere Wirtschaftsan-
bauten vergrößert wurden (Nr. 29 - 49). Zum
großen Teil geht die Parzellierung in desem
Bereich auf die Dorferweiterung im 13. Jh.
zurück (s. o.). An diesem Abschnitt der
Hauptstraße hat sich - trotz verschiedener
Veränderungen - die historische Struktur
eines „Straßendorfes” eindrucksvoll
bewahrt.
Die ganz anderen Strukturen im mittleren
Dorf sind an derHofstelle Mitteldorfstraße 13
und dem nördlich gegenüberliegenden ehe-
maligen „Kreuzhof” (Vorwerk der Stiftungen
St. Crucis und St. Bartholomäus in Göttin-
gen), Heidelbeergasse 1, ablesbar. Die unre-
gelmäßigen (fast ovalen), größeren Parzel-
len ließen individuelle Gebäudeverteilung
zu. Die beiden Wohnhäuser stammen aus
der 1. Hälfte des 19. Jh. und grenzen mit der
rückwärtigen Traufseite an die sich absen-
kende, relativ enge Mitteldorfstraße, wäh-
rend die Giebelseite jeweils neben der
Hofeinfahrt nach Osten zur leicht erweiter-
ten Straßengabelung liegt. Auf dem „Kreuz-
hof” steht an der Heidelbeergasse ein Pfer-
destall in Bruchsteinmauerwerk mit Eckqua-
dern aus der Zeit vor 1744. Ansonsten ent-
standen die Nebengebäude im späten 19.
und 20. Jh. einmal hakenförmig an das
Wohnhaus anschließend (Mitteldorfstraße
13), zum anderen an das „Herrenhaus” ange-
baut bzw. parallel ausgerichtet an der nördli-
chen Grundstücksgrenze und damit die Hei-
delbeergasse beherrschend (Heidelbeer-
gasse 1).

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