Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lufen, Peter Ferdinand [Oth.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 5,3): Landkreis Göttingen, Teil 2: Altkreis Duderstadt mit den Gemeinden Friedland und Gleichen und den Samtgemeinden Gieboldehausen und Radolfshausen — Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1997

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.44173#0118
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
stimmen freistehende, durch Vorgärten von der
Straßenflucht zurückspringende, z.T. villenartige
Bauten in offener Bauweise, die der Straße zu-
gleich mehr Weite geben.
Zu den bemerkenswerten, akzentsetzenden
Bauten gehören Nr. 20, 23, 25/27, 29 und 31.
Gleichartigen Fassadenaufbau zeigen das Dop-
pelhaus Nr. 25/27 und das unmittelbar angren-
zende, nur durch Bauwich getrennte, ebenfalls
2 1/2-geschossige Wohnhaus Nr. 29, das um
1895 entstand. Vortretende Risalite und hohe
Andreaskreuze, die dekorativ eingesetzt zum
zeittypischen Formenrepertoire gehören, glie-
dern die Fachwerkfassaden. Unmittelbar am
Sandwasser schuf Maurermeister Fr. Borchard
für den Kaufmann R. Hellwig im Jahre 1910 ei-
nen doppelgeschossigen Putzbau (Bahnhof-
straße 31). Der symmetrisch aufgebaute, trauf-
ständig ausgerichtete Bau wird akzentuiert
durch einen Mittelrisalit, dem ein doppelge-
schossiger Altan mit Austritt vorgelegt ist. Als
fassadengliedernde Teile sind festonartige Putz-
elemente eingesetzt.
Herauszustellen ist auch der exponiert gelege-
ne freistehende Eckbau Nr. 22. Der um 1895
erbaute, gut durchgestaltete, doppelgeschossi-
ge Putzbau schließt mit hohem Mansarddach
ab, das von den barockisierenden Knickgiebeln
der Risalite durchbrochen wird.

Christian-Blank-Straße/Kardinal-Kopp-Straße
Christian-Blank-Straße und Kardinal-Kopp-
Straße verlaufen nahezu parallel zum nördlichen
Stadtmauerabschnitt und sind durch die kurzen
Verbindungsstraßen Am Pferdeteich und Stieg-
straße an die ehemaligen mittelalterlichen „Vor-
städte“ Westertor und Obertor angeschlossen.
Die Trennung der beiden geradlinig verlaufen-
den Straßen bewirkt die Neutorstraße, die zu-
gleich eine Anbindung an die Kernstadt her-
stellt. Sich wesentlich von den Straßen intra
muros unterscheidend, durchschneiden Christi-
an-Blank-Straße und Kardinal-Kopp-Straße den
zunächst völlig unbebauten nördlichen
Grüngürtel. Das heutige Straßenbild wird be-
stimmt durch eine heterogene, lockere Bebau-
ung des ausgehenden 19. bzw. frühen 20.Jh.,
die sich auf großzügig bemessenen Parzellen
ausdehnen kann. Die freistehenden mehrge-
schossigen Bauten ordnen sich keiner Bau-
flucht unter. Schmale Vorgärten lockern das
Straßenbild auf und verleihen ihm gleichsam
mehr Weite.
Neben der Kardinal-Kopp-Straße bildete die
Christian-Blank-Straße, die zunächst den Na-
men Gartenstraße trug, das Gerüst der ehema-
ligen „Nuwestat“ (Benebenstadt). Grundlegend
für die räumliche Ausdehnung und Entstehung
der Benebenstadt war der verheerende Stadt-
brand von 1424, dem „die halbe Stadt“, vom
Oberen Tor bis zum Westertor, mit insgesamt
340 Häusern zum Opfer fiel.
Mit Zustimmung des Erzbischofs von Mainz
sollte „zu Verhütung dergleichen künftigen
Brandes“ die ... „stad großer und wyter mögen
machen und buwen mit pforten, graben, tornen
und muren und anderer befestigunge ...“. Die
Voraussetzungen wurden geschaffen, indem

der Stadtherr dieses Terrain zur Bebauung frei-
gab. Ermöglicht wurde der direkte Zugang zur
„Nygenstad“ durch die Errichtung des Neutors
bzw. Liebfrauentors im Jahre 1436 und der
„brugen vor der Jodenstraten“. Eingeleitet wur-
de die geplante Bebauung des Neustadtgebiets
mit der Kapelle St. Mariae und zugehörigem
Hospital im Jahre 1442. Da die Bevölkerungs-
zahl nach 1400 stagnierte und im 15.Jh. um ein
Viertel, von ca. 4.000 auf 3.100 sank, erfolgte
die eigentliche Ansiedlung in der Benebenstadt
nur sehr zögernd, so daß der breite Streifen
zwischen nördlicher Stadtmauer und äußerem
Wall im wesentlichen als Gartenland genutzt
wurde, wie noch der Lingemann’sche Grundriß
von 1801 veranschaulicht. In der Bildquelle kar-
tiert ist das Ursulinenkloster mit der Liebfrauen-
kirche am Straßenknotenpunkt Christian-Blank-
Straße/Kardinal-Kopp-Straße und Neutorstraße
- eine mehrgebäudige stattliche Anlage aus der
Zeit um 1700, deren Bauten noch heute
straßenbildbeherrschend sind.
Inzwischen abgetragen ist die in der Reichspo-
gromnacht am 9. November 1938 niederge-
brannte Synagoge, die einst gegenüber dem
Ursulinenkloster an der Christian-Blank-Straße
einen weiteren Akzent setzte. Die Pläne der
1898 fertiggestellten und geweihten Synagoge
mit einbezogenen Schul- und Wohnräumen
entwarf der Hildesheimer Architekt Breymann.
Er schuf einen deutlich aus der Straßenflucht
zurückgesetzten, zweigeteilten Rohziegelbau,
bestehend aus einem doppelgeschossigen,
vermutlich Schule und Lehrerwohnung aufneh-
menden Trakt und einem östlich anschließen-
den Gebäudeteil, der als Synagogensaal ge-
nutzt wurde. Am Außenbau zeichnete sich der
1 1/2-geschossige Synagogensaal durch schma-
le, hohe Rundbogenfenster ab.
Zu den ältesten Gebäuden der Christian-Blank-
Straße gehört der doppelgeschossige Fach-
werkbau Nr. 9 von 1858, der nach Lerch, als
„Gartengastwirtschaft“ errichtet wurde („Tivoli“)
- ein freistehender zeittypischer Bau unter ho-
hem Mansarddach.
Zusammenfassen lassen sich die beiden auf
der Südseite der Christian-Blank-Straße um
1890 entstandenen traufständigen Fachwerk-
bauten Nr. 6 und 8, die einen schlichten, der
Zeit entsprechenden Fassadenaufbau zeigen.
An die Bauten schließt der ehemalige Bürger-
garten, der sogenannte „Gerlach’sche-Garten“
an, der inzwischen seine Denkmalwertigkeit
eingebüßt hat. Die Planung des einst bemer-
kenswerten Bürgergartens lag in den Händen
eines Berliner Gartenarchitekten. Auf einem
nach Süden ansteigenden Terrain entstand ein
symmetrisch gegliederter Garten mit typischem
Baum- und Staudenbestand, akzentuiert durch
ein in der Hauptachse errichtetes Gartenhaus.
Straßenbildprägend sind auch die ehemalige
Hauptschule (jetzt Stadtarchiv) Christian-Blank-
Straße 1 von 1909, ein freistehender doppelge-
schossiger Putzbau auf hohem Sockelgeschoß
unter Mansardsatteldach sowie das ehemalige
Laurentiusstift Nr. 16, das Maurermeister
Grobecker 1903 plante und in dem sich eine
„Kleinkinder-Bewahranstalt“ befand.
Die Christian-Blank-Straße findet in der Kardi-
nal-Kopp-Straße, die an den in Duderstadt ge-

borenen späteren Fürstbischof von Breslau er-
innert, ihre östliche Fortsetzung. Einfluß auf das
Straßenbild nimmt das ehemalige bischöfliche
Gymnasialkonvikt Georgianum Nr. 31 - ein
langgestreckter, doppelgeschossiger Putzbau
von 1907/08, für dessen Entwurf der Hildeshei-
mer Architekt H. Stübe verantwortlich zeichne-
te. Aus seiner Feder stammt auch das freiste-
hende Wohnhaus für den Bürgermeister Wand
Nr. 15, ein kubusförmiger Putzbau, den der Ar-
chitekt im Jahre 1910 plante und dessen stren-
ger zeittypischer Fassadenaufbau einen Akzent
im Straßenbild der Kardinal-Kopp-Straße setzt.

Befestigungsanlagen
Inneres Befestigungssystem
Stadtmauer und Toranlagen
Die dichtgedrängten kleinteiligen Bürgerhäuser
und die steil aufschießenden, maßstabgeben-
den Turmwerke der Sakralbauten, die weithin
sichtbar die „Stadtkrone“, den Mittelpunkt der
Stadt bilden und die gleichsam in Konkurrenz
treten zu den vielgliedrigen Türmen der stadt-
umschließenden wehrhaften Stadtmauer, bilden
die wesentlichen Elemente der mittelalterlichen
und frühneuzeitlichen Stadtsilhouette. Dieser
festgefügte, in sich geschlossene, differenzierte
Stadtraum ist eingebunden in einen weiten, na-
hezu unbebauten Landschaftsraum. Anschau-
lich werden diese über sich hinausweisenden
Stadtraumprinzipien in dem um 1640 entstan-
denen Merian Stich und in der offenbar als Vor-
lage dienenden, kurz zuvor erstellten Werden-
hagen’sche Darstellung der Stadt Duderstadt,
die von unterschiedlichen Standpunkten in ein-
drucksvoller Weise das Wehrhafte der Stadt
zeichenhaft herausstellen.
Gesichert wird die Stadt durch unterschiedliche
Befestigungsringe: Den dichtbebauten Altstadt-
kern umschließt die noch in wesentlichen Teilen
überkommene, einst turmreiche Stadtmauer,
der ein durch archäologische Grabungen und
durch Schriftquellen nachgewiesener innerer
Wall vorgelegt war, während die charakteristi-
sche stadtbildkonstituierende frühneuzeitliche
Wallanlage den Stadtkern großräumig um-
schließt und die drei „Vorstädte“ und den brei-
ten Grüngürtel begrenzt.
Über die Anfänge eines ersten Befestigungsrin-
ges der Stadt Duderstadt, der offenbar aus ei-
nem Erdwall mit Graben bestand und zusätzlich
wohl durch einen Palisadenzaun gesichert war,
geben die Schriftquellen leider keine Hinweise.
Erhärtet wird die Anlage eines Erddammes, in
dessen Böschung vermutlich Mitte des 13.Jh.
die Stadtmauer gesetzt wurde, durch archäolo-
gische Grabungsbefunde. Die freigelegten
Schichtstufen weisen auf eine Anschüttung hin,
in die die Stadtmauerfundamente einschneiden.
Gestützt auf archäologische Voruntersuchun-
gen der Kreisdenkmalpflege im Jahre 1984
geht man von einem Befestigungssystem in
Gestalt einer Wall-Graben-Anlage aus, wie sie
auch in Göttingen und Einbeck vor der Stadt-
werdung nachgewiesen werden konnte.

116
 
Annotationen