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Lufen, Peter Ferdinand [Oth.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 5,3): Landkreis Göttingen, Teil 2: Altkreis Duderstadt mit den Gemeinden Friedland und Gleichen und den Samtgemeinden Gieboldehausen und Radolfshausen — Hameln: Verlag CW Niemeyer, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.44173#0215
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stung Moseborn zu, die landläufig als Mäuse-
turm bezeichnet wird. Mittelalterliche Scherben,
obertägig erkennbare Wölbäckerkomplexe und
Hohlwegspuren lassen auf eine Siedlung
schließen, deren Lage durch die Turmruine
markiert wird.
Die ehemalige Dorfstelle, die nach dem Wüst-
fallen im Spätmittelalter als Ackerland genutzt
wurde, lag am Kreuzungspunkt zweier alter
Wege. Am deutlichsten haben sich Relikte des
Kaufmannsweges in Gestalt von Hohlwegen er-
halten. Untersuchungen haben ergeben, daß
das Dorf als locker gruppierte Siedlung die Kir-
che umgeben hat. Neben Einhäusern konnten
auch Gehöfte mit Nebengebäuden nachgewie-
sen werden.
Der vermutlich im 12./13. Jh. gegründete Ort
Moseborn wird erstmals 1397 urkundlich er-
wähnt; im Jahre 1425 wird die Kapelle „des hil-
gen cruces to Moseborn“ genannt, die das letz-
te obertägige Relikt des wüst gefallenen Dorfes
Moseborn darstellt.
1991/92 mußte das Mauerwerk der im Eigen-
tum der Landesforstverwaltung stehenden Rui-
ne nach entsprechender Dokumentation und
kurzer archäologischer Prospektion grundle-
gend und unter Wiederverwendung geborgener
Werksteinteile (Traufgesims, Giebelkontur) gesi-
chert werden. Die Außenwände der 5,65 mal

6,20 Meter messenden Wüstungskirche, die bis
zum Giebel eine Höhe von etwa 13 Metern er-
reicht, weisen sorgfältig behauene Kalksteine
mit vereinzelt eingesetzten scharrierten Bunt-
sandsteinquadern auf. Aus dem gleichen Mate-
rial sind Eckquader, Randsteine der Giebel und
die Gewände der Lichtschlitze hergestellt. Lei-
der ist im Erdgeschoßbereich die Ostwand bis
in das erste Stockwerk in wesentlichen Teilen
ausgebrochen worden. Ob sie den Zugang zu
einem Kirchenschiff ermöglichte, konnte bislang
nicht nachgewiesen werden. Unterstrichen wird
ihr Wehrcharakter durch schmale Mauerschar-
ten in den unteren Geschossen; nur die nach
Norden und Süden ausgerichteten Giebelwän-
de des Dachgeschosses weisen größere Fen-
steröffnungen auf. Oberhalb des kreuzgewölb-
ten Erdgeschosses waren vier durch Balken-
decken getrennte Obergeschosse vorgesehen,
die offenbar der Lagerung der Ernte dienten
und deren Balkenlage nur im 2. Obergeschoß
auf einem mittigen Unterzug ruhte, der auf
Steinkonsolen auflag.
Die überkommenen Architekturrudimente, im
Schrifttum auch als langhauslose „Turmkirche“
bezeichnet, weisen unverwechselbare Merkma-
le einer mittelalterlichen Wehrkirche auf, einer
auch im südniedersächsischen Raum häufig
auftretenden Gattung mit unterschiedlichen
Ausprägungen.

FRIEDLAND

Im südlichen Teil des Landkreises Göttingen,
nahe der Grenze zum Werra-Meißner-Kreis,
dehnt sich die Siedlungsfläche Friedlands aus,
die verbunden ist durch die B 27 mit Groß
Schneen, Stockhausen und Göttingen sowie
mit den beiden zu Hessen gehörenden Orten
Marzhausen und Hebershausen. Maßgeblichen
Einfluß auf die Topographie des Ortes nimmt
die Leine, die vor ihrem Eintritt in die Göttinger
Beckenlandschaft einen verhältnismäßig schma-
len Durchlaß passiert, begrenzt im Westen
durch den Burgberg und im Osten durch die
Madeburg (Friedland/Reckershausen). Diese
wohl ins 10.Jh. zu datierende Burganlage be-
stand aus zwei nicht geschlossenen Wallzügen.
Zu der Anlage gehörte ferner ein kleiner flacher
Wall, der im Abstand von 40 Metern östlich vor-
gelagert war und den schmalen Sattel abriegel-
te. Kernstück der Befestigung bildete eine sorg-
fältig gesetzte Mörtelmauer in Schalenbau-
weise. Einem jüngeren Zeithorizont gehört
hingegen die westlich der Leine oberhalb des
heutigen Ortes Friedland entstandene Burgan-
lage an. Bezeugt wurde die Burg der Herzöge
von Braunschweig erstmals 1289. 1424 ver-
pfändete sie Herzog Otto Codes zu Göttingen
an diese Stadt, die erst Herzog Erich I. von Ca-
lenberg-Göttingen 1530 wieder einlöste. Die in

Holzerode, Wüstungskirche Moseborn (sog. „Mäuseturm“), Blick von Süden, Kern des vermutlich im 12./13.Jh. gegründeten, wüst gefallenen Ortes Moseborn


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