Landwehrgrenze (gelb), davon abweichende Gemarkungsgrenze (rot) und abgaben- bzw. dienstpflichtige Ländereien/Gemarkungen (rosa), Mitte 18. Jahrhundert, Aus-
schnitt, NLA Ha 21 c einbeck 12 pm
DIE STADTGEMARKUNG UND
DIE LANDWEHR
Das Stadtgebiet von Einbeck wird trotz weitrei-
chender Eingriffe in die Topografie der Landschaft
beim Bau der Umgehungsstraße, der Gewerbe-
gebiete im Westen und Osten der Stadt sowie der
Bio-Gas-Anlage im Norden an der Hannover-
schen Straße von der mittelalterlichen und früh-
neuzeitlichen Landnutzung geprägt. Die Nähe zur
Stadt hat innerhalb der Landwehrgrenzen und der
Stadtgemarkung vielfältige Spuren hinterlassen.
Steinbrüche wie der Rote Stein, künstliche Was-
serläufe wie das Wilde Wasser und die Neue Urne,
Hohlwege und Wegebündel im Verlauf der Fern-
straßen, die Wacholderheide auf den Hudeflächen
des Altendorfer Berges, die Wohnplätze im
Außenbereich an den ehemaligen Landwehrtür-
men und die in Teilen erhaltene Landwehr prägen
das Landschaftsbild von der Stadtwerdung im
hohen und späten Mittelalter bis heute. Auch
wenn sich die weiträumige Landwehr und die klei-
nere Stadtgemarkung bis in das späte 18. Jahr-
hundert deutlich vom Umland absetzten, fällt es
schwer, von einem klar abgrenzbaren städtischen
Territorium zu sprechen. Selbst zur Blütezeit der
Stadt im 15. Jahrhundert, als die kommunale
Selbstständigkeit besonders stark entwickelt war,
lassen sich allenfalls nach außen stetig abneh-
mende und sich durchdringende Einflusszonen
mehr oder weniger vage ausmachen. In diesem
Sinne ist es richtig, Einbeck als „Prototyp einer
städtischen Gemarkung“ (Köppke, 1967, S. 125)
zu bezeichnen.
Städtische Freiheiten, Gerechtigkeiten und Ge-
wohnheiten galten noch nicht einmal umfassend
innerhalb der Stadtmauern, wo das Areal der
Stiftsfreiheit von St. Alexandri einen gesonderten
Rechtsbezirk darstellte. Andererseits bildeten die
Landwehren und Landwehrtürme ein exterritoria-
les, allein dem Rat unterstehendes Gelände
außerhalb der Stadtmauern und außerhalb der
Stadtgemarkung. Noch in den Grenzkarten zu
den Ämtern Rotenkirchen und Salzderhelden aus
dem späten 18. Jahrhundert verblieben die
Grundstücke der alten Landwehrwarten, der
angeschlossenen Gasthäuser, der Clus beim
Roten Stein und des Kleinen Armenhauses bei der
Wüstung Oldendorp innerhalb der städtischen
Gerichtsbarkeit, obschon sie sich außerhalb der
Stadtgemarkung und teilweise auch außerhalb
der Landwehrgrenzen befanden. Die Wahrneh-
mung der städtischen Gerichtsbarkeit außerhalb
der Stadtmauern und umgekehrt innerhalb der
Stiftsfreiheit durch Vertreter des Landesherrn war
Anlass zu vielfältigen Auseinandersetzungen, die
mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Stadt
und der Herausbildung mehr oder weniger
geschlossener Landesterritorien im 16. Jahrhun-
dert oft zu Ungunsten der Stadt ausfielen. Wie
sehr die Verfügungsgewalt der Stadt über ihre
Gemarkung eingeschränkt war, zeigt der Verlauf
der Grenzen der Gerichtshoheit. Die Grenzverläu-
fe der Ämter, der Landwehr, der Stadtgemarkung,
des Zolls und der Gerichtsbarkeit waren zwar mit-
einander verwoben, stimmten aber nur selten
überein. Besonders bizarr stellte sich die Grenze
der Gerichtshoheit dar. Die Zuständigkeit der
Ämter reichte weit über die Amtsgrenzen bis vor
die Tore der Stadt hinaus. Die Übersichtskarte der
Einbecker Landwehren von Koven von 1743 mit
den darin befindlichen städtischen Mühlen,
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