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Kellmann, Thomas
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 7,3): Stadt Einbeck — Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.65609#0110
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Die 1761 gesprengten Teile der Stadtbefestigung nach einem Plan von Koven 1770, Format 50,0 x 38,0 cm,
Akte l:D:H:b 3, StAE

„Turm an der Baustraße“ (Puiverturm), den „Krä-
henturm“ (Storchenturm), die Wohnungen „im“
Altendorfer, BenserundTiedexerTor, die Wohnun-
gen „auf“ dem Altendorfer, Benser und Tiedexer
Tor sowie die Wohnung „im Thurm auf dem Oster-
Thore“ und „auf dem Münster-Kirchhofe“ (Kno-
chenturm). Im Stadtplan von Braun (1728) werden


Der Storchenturm an der Südwestecke der Stadt-
mauer mit Aborterker als Hinweis auf die ehemalige
Wohnnutzung von Südosten, um 1900, StAE

allerdings nur noch die fünf Tortürme, der Pulver-
turm am Sonnenhaken und vier weitere Mauertür-
me mit Dächern dargestellt. Bereits vor dem Sie-
benjährigen Krieg waren viele Wohnungen in den
Türmen desolat und nicht mehr zu verpachten, so
die Wohnung auf dem Wasserturm und die beiden
Wohnungen im und auf dem Tiedexer Tor (Käm-
mereirechnung 1751/52). In den Kämmereirech-
nungen des 18. Jahrhunderts finden sich etliche
Hinweise auf Reparaturen und, verstärkt nach dem
Siebenjährigen Krieg, über den Abbruch maroder
Teile bis zur völligen Aufgabe der Türme. Beim Tie-
dexer Tor wurde 1709/10 das Schieferdach repa-
riert, obwohl alle Tore im gleichen Jahr für die Tor-
hütereigenständige, kleine Pförtnerhäuser in Fach-
werk erhielten. Gleichzeitig wurde die Stube im
ersten Obergeschoss des Torturmes „unter dem
Gewölbe“ instand gesetzt. 1712/13 folgte das
Schieferdach des Ostertores, gleichzeitig erhielt die
Turmwohnung neue Fenster und einen neuen
Ofen. In der Wohnung des Wasserturmes wurde
1714/15 sogar noch ein neuer Ofen mit Kacheln aus
Fredelsloh gesetzt und die Fenster repariert. Das
Wallhaus am Tiedexer Tor, also das in den Wall
gesetzte mittlere Torhaus, erhielt 1715/16 eine Neu-
eindeckung mit 1.000 Ziegeln. Gleichzeitig wurde
ein vorhandener Schornstein im Obergeschoss
des Torhauses über Dach geführt. An anderen Stel-
len wurden im frühen 18. Jahrhundert bereits nicht
mehr genutzte Mauertürme abgetragen, da sie eine
Gefahr für die angrenzende dichte Bebauung an
den Stadtmauern darstellten, so 1715/16 an der
Hägermauer. An der Spitze des Kegeldaches auf

dem Wasserturm wurde 1718/19 der Schieferde-
cker tätig. Insbesondere nach Gewittern und Stür-
men erfolgten umfangreiche Reparaturen an den
Türmen und an der Stadtmauer, so 1722/23 an
den Fachwerkaufbauten des Oster- und Altendor-
fer Tores und 1737/38 an zwei eingestürzten Stadt-
mauerabschnitten. Im Siebenjährigen Krieg wurde
mit Sprengung von Altendorfer- und Oster-Tor
sowie des Wasserturmes die Anzahl der bewohn-
ten Türme stark reduziert. Im Brandkassenbuch ab
1751 wurden, obschon nicht versichert, allein die
bewohnten Türme nach den Kirchspielen unter den
städtischen Bauten aufgeführt: Ass.Nr.338 „der
Thurm auf dem Altendorfer Thore“, Ass.Nr.339 „der
Thurm auf dem Benser Thore“, Ass.Nr.340, „der
Thurm auf dem Hullerser Thore“, Ass.Nr.341 „ein
kleines Wohnhaus im Thurm an der Stadtmauer“,
Ass.Nr.582 „der Thurm auf dem Tiedexer Thore“,
Ass.Nr.844 „der breite Thurm in der Stadtmauer
auf dem Münster Kirchhof“, Ass.Nr.845 „der Thurm
auf dem Osterthore“ und Ass.Nr.846 „der Wasser-
thurm in der Stadtmauer“. Innerhalb der Stiftsfrei-
heit wurde mit Ass.Nr.7 ein weiterer dem Stift St.
Alexandri gehörender Mauerturm erwähnt: „eine
Wohnung im Thurm der Stadtmauer“. Dabei dürf-
te es sich um den erhaltenen Turm handeln, der
1421 zwei Priestern übereignet wurde. 1767/68
wurde einer der drei Mauertürme an der Hullerser
Mauer zwischen Tiedexer und Hullerser Tor um 6
Fuß wegen Einsturzgefahr der morbiden Mauer-
krone abgetragen. Nach einem Unwetterschaden
folgte 1772/73 der Krähen- oder Storchenturm an
der Südwestecke der Stadtmauer. Dieser Turm war
ebenso wie der besonders windanfällige Markt-
kirchturm nicht mit Schiefer, sondern mit Kupfer ein-
gedeckt. Allein das Mauerwerk blieb erhalten,
ansonsten erfolgte für die beträchtliche Summe von
27 Talern ein Rückbau, wobei es sich um alle höl-
zernen Ausbauteile wie Dachtragwerk, Geschoss-
decken und Rückwand gehandelt haben dürfte. Die
in der Bauunterhaltung besonders kostenträchtigen
Fachwerkaufbauten und die mit Schiefer versehe-
nen Turmdächer der inneren Tortürme wurden,
soweit überhaupt noch erhalten, 1777/78 (Tiedexer
Tor), 1779/80 (Benser Tor) und 1789/90 (Hullerser
Tor) abgebrochen. In der Kämmereirechnung von
1780/81 wurden die Einnahme-Ausfälle bei ver-
pachteten Türmen mit dem schlechten baulichen
Zustand begründet: Nr.11: „Die Wohnung im Thurm
aufder Baustraße stehet leer“, Nr.12: „Die Wohnung
auf dem Tiedexerthore ist von hiesigem Billet-Amt
zu einem militärischen Staats-Gefängnis gemacht“,
Nr.13: „Die Wohnung daselbst im Thore ist gantz
desolat“, Nr.14: „Benser Torthurm wird wegen
Chausseebau abgebrochen“, Nr.16: „Die Wohnung
auf dem Münsterkirchhofe ist desolat“, Nr.19: „Die
Wohnung auf dem Hullerser Thore ist ganz deso-
lat“. Damit endete zuletzt auch auf den inneren Tor-
türmen die Möglichkeit einer Wohnnutzung.

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