Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
18 Haymon u

Der Kranke streichelte mit schwacher Hand einen großen
Löwen, der sich thcilnehmend neben seinem Lager nicdergelaffen
hatte. Durch die Locken seines Haares ringelte sich eine grüne
Schlange, welche jedoch von Zeit zu Zeit sich aufmachte, in
langsamen Bogen das Bett umging und dann an den vorigen
Ort zurückkchrtc. Ucber ihm wiegten sich in goldenen Reifen
etliche Papageie; zur andern Seite, mit leichter Kette an einen
Pfahl aus Ebenholz geseffclt, flatterte ein persischer Edelfalke.
Waffen verschiedener Art, reich mit Edelsteinen verziert, waren
an den Wänden aufgehängt.

Der bleiche Jüngling stützte das Haupt in die Hand und
sagte in wchmüthigcm Klange:

„Die Hand des Herrn liegt schwer ans uns, Hanra! —
Seit das schöne Kamccl, das der Erzbischof von Besantzon
bestellt hatte, in der Rhone ertrank, haben wir kein Glück mehr
erlebt. Der kostbare Psittich für den gnädigen König von
Frankreich ist auch dahingegangen und weder Fürst noch Herr
hat uns seitdem liebreich ausgenommen. Sonst wollten die
ägyptischen Kunststücke den Ungläubigen so wohl gefallen und
die Wahrsagerei — nun ist uns Alles widerwärtig. Meine
Augen werden bald brechen und du wirst allein sein in dem
fremden Lande."

„Das verhüte Gott, lieber Bruder! entgegnete eine weib-
liche Stimme. „Du besserst dich zusehends, seitdem du den
Trau! des weisen Meisters Averroes genommen. Und was
soll dein schwcrmüthiger Blick in die Zukunft, da uns noch
Rcichthümer genug geblieben, um nach Hispanien zu ziehen,
wenn du in den Reichen der Ungläubigen nicht länger weilen
willst. Uns wird es sicher wieder gut gehen, wenn wir einmal
in ein friedfertiges Land wandern, wo nicht ewiger Krieg ist»
wie hier unter diesem streitsüchtigen Geschlechtc."

„Ich werde in der Thal bald in ein friedfertiges Land wan-
dern," crwicderte der blaffe Jüngling, „und mir wird kein Trank
mehr helfen. Und du, Haura, suche dann nach Rouen zu kom-
men, wo dich unser Hausvogt erwartet und mit ihm schiffe
nach Sevilla und sage unfern Vettern, daß ich hoffe, sie im
Paradiese wieder zu sehen."

Solche traurige Worte wurden an diesem Tage noch viele
gewechselt und das Mädchen weinte manche bittere Thränc dazu.
Auch am andern Tage begann der Jüngling oft von seines
Lebens nahem Ende zu sprechen und am dritten verschied er in
den Armen seiner Schwester. Der Löwe stand betrübt am
Todtenlager; die Papageien schwiegen; der persische Edelfalke
flatterte schwermüthig an seiner Kette; die Schlange hob von
Zeit zu Zeit unmuthig ihren Kopf empor und blickte zerstört
in die Runde.

n.

Als nun am andern Tage Herr Haymon von Rullepart über
die Zugbrücke seines Schloffcs herausgerittcn war, um in dem
Walde zu jagen, kam er weit ab von seinen Gefährten und
verirrte sich immer tiefer in dem Forste. Jung und feurig, zu
Abentheuer» aufgelegt, trabte er ohne Sorgen dahin und war

ud Haura.

manche Zeit geritten, als er von ferne hin und wieder durch
die Büsche etwas schimmern sah, was seine Augen anzog. All-
mählig kam er näher und gewahrte, noch verborgen durch das
Gehölz, in der Lichtung des Waldes ein Zelt aufgeschlagcn,
von prächtigen Teppichen. Bor dem Zelte sah er eine weiße
Gestalt, welche junge Zweige, wie er meinte, von wilden Rosen
an einem Erdhügcl einpflanzte. Die ganze Erscheinung dünkte
dem Ritter nicht anders als wunderbar. So lange er renken
konnte, hatte er nie gehört, daß in dem Forste sich Ansiedler
aufhielten und hätte er auch solche vermuthen wollen, so waren
sie sicherlich nicht von dieser Art; denn die weiße Gestalt schien
ihm, so viel er aus ziemlicher Nähe ersehen konnte, zwar von
besonders reizendem Wese», doch nicht ganz von christlichem
Ansehen: vielmehr verricth das seltsame Gewand und das
Geflecht der Haare eine morgenländischc Herkunft und ungläubige
Erziehung. Der Ritter wußte das übrigens sehr wohl zu deu-
ten, weil in derselben Zeit gar manche seiner Gesellen kreuz-
fahrend imMorgenlande gewesen waren und bei ihrer Heimkehr
von dem, was sie gesehen, Kunde gebracht hatten. Da konnte
denn nach damaliger Sitte auch Gestalt und Ansehen der schö-
nen Damen von Asien nicht ganz unbesprochen bleiben.

Herr Haymon soll zwar im Kampfe zu allen Zeiten ein
Held gewesen sein, aber dabei sehr wohl bewandert in den
höfischen Zierlichkeiten des zwölften Jahrhunderts, überdies
frisch, heiter und anmuthig. So vertraute er auch in dieser
Stunde der holden Gewalt seiner Ritterlichkeit und nachdem er
eine Weile in stiller Ueberraschung nach der Lichtuyg hinauS-
gespäht, gab er seinem Roffe die Sporen und ritt in zierlichen
Sprüngen aus dem Holze, pfeilgerade gegen das Fräulein hin,
adelich grüßend mit der Hand, bis Plötzlich der große Löwe,
diese Annäherung witternd, aus dem Zelte heraus mit einem
entsetzlichen Satze und fürchterlich brüllend dem Roffe sich ent-
gegen warf, so daß dieses in Todcsschauer sich bäumte und der
Ritter, der aus die ungewöhnliche Erscheinung nicht vorbereitet
war, zwar rasch, aber unschädlich aus dem Sattel in das hohe
und weiche Gras hcruntersank, worauf ihm der Löwe die Tatze
schwer auf die Brust setzte und ihn mit funkelnden Augen
anstarrte.

Herr Haymon von Rullepart, obwohl ihn sein kalter Muth
auch in dieser Lage nicht verließ, besorgte gleichwohl zerriffen
zu werden und sprach zu der Jungfrau, welche ruhig näher kam:

„Schönes Fräulein, so Ihr eine Gewalt habt über diesen
Leuen, so möcht' ich Euch gebeten haben, rettet mir das junge
Leben!"

Hieraus crwicderte ihm die weiße Gestalt in ernster Anmuth:

„Seid willkommen in dieser Einsamkeit, soferncJhr nicht
hcrangcritten seid, die Stille dieses Aufenthalts zu stören und
meine Trauer."

Als der Löwe den milden Ton dieser Worte vernahm, warf
er einen fragenden Blick auf die Augen seiner Gebieterin, hob
dann seine Tatze von der Brust des Ritters und stellte sich
dem Mädchen zur Seite, der Dinge gewärtig.

Der Ritter aber war schnell wieder anfgesprungen, hatte
die Hand au sein gutes Schwert gelegt und sprach nicht ganz
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen