Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Haymon und Haura.

mein Bruder dieses Waldes ansichtig wurde, da gefiel er ihm
j über die Massen und er wollte in der Einsamkeit desselben
, sterben. So suchten wir nun diese stille Lichtung aus, wo die
Aussicht aus daS Meer so schön ist und schlugen daS Zelt auf.
Und als wir nun etliche Tage hier in der Wildniß gelebt, so
wurde das Siechthum meines Bruders immer schwerer und
j bald verschied er auf seinem Lager und mit seinem Schwerte
! habe ich ihm hier sein Grab gegraben."

Bei diesen Worten brach wieder eine Zähre aus ihren
Augen und Herr Haymon schien sie mitleidig anzubltcken.

„Wie kommt eS aber," fragte er nach einer Weile, „daß
Ihr die Sprache der Franken so geläufig sprecht, ja sie sogar
mit Zierlichkeit gebraucht?"

„WaS ich Euch sagen wollte aus der Vergangenheit, das
Hab ich Euch gesagt."

„Und was gedenkt Ihr nun zu thun?"

„Noch drei Tage will ich hier bleiben im Walde und dann
soll ich mich aufmachcn nach der Stadt Rouen."

„Und dann?"

„Dort erwartet mich Dionys, unser Hausvogt zu Antiochien.
Dieser war ein Ehristensclave aus dem Frankenlande, den unser
Vater jung gefangen.und erzogen hatte, eine ehrliche und ge-
treue Seele, und als wir diese Einsamkeit gefunden und das
Zell aufgeschlagen hatten, entsandte ihn mein Bruder mit un-
fern beiden Sclaven und mit allen Schätzen, um diese sicher
zu hinterlegen und um Kundschaft zu bringen, wie es mit dem
König von England beschaffen sei und ob es wahr, was der
Marschall von ihm gesagt. In drei Wochen sollte er zu Rouen
sein; die sind jetzt bald vergangen."

„Dahin, ungläubiges Fräulein! würde ich Euch gerne das
Geleite geben mit etlichen gutbewaffneten Reisigen."

„Ich bin sicherer bei meinem eigenen Gefolge."

„Oder wollt Ihr nicht vielleicht für diese Tage Herberge
nehmen in meinem Schlosse?"

„Nein!" antwortete die Saracenin.

„Soll ich Euch nicht wenigstens Nahrung schaffen, Speise
und Trank für den irdischen Leib?"

„Das schafft mir Arslan, der Löwe, der den Rehen nach-
geht und Miri, der Edelfalke, welcher meisterhaft auf die Vögel
des Waldes stößt."

„Darauf steht nach den Gesetzen König Wilhelms die Strafe
der Blendung."

„Ihr wilden Ungläubigen!" rief das Mädchen und lächelte
zum ersten Male seit der Ritter sie gesehen. — „Wie abscheu-
lich seid Ihr in der Rohheit Eurer Sitten!"

„Hei," sprach der Ritter, „findet Ihr mich denn nicht von
artiger Weise und zum Frauendienst bereit und taugsam?"

„Wenn es Euch nicht schmerzt," antwortete das Mädchen,
„so möcht ich vielmehr, da die Sonne sinkt. Euch gebeten ha-
ben, mich wieder zu verlassen."

„O, Ihr müßt diese schöne Stunde nicht muthwtllig ver-
kürzen," ries Herr Haymon. „Ich danke dem lieben Gott im
Himmel, daß er mich armen Sünder heute in diesen finstern *

Wald geführt, wo eine Sonne der Schönheit leuchtet, wie sic
mir auf dieser elenden Welt noch nicht geschienen."

„Schweig und fliehe," sagte Haura abgewandten Gesichts,
während der Leu aus seinem Schlummer erwachend, heftig zu
brüllen begann.

„Nicht doch," entgegnete Herr Haymon etwas eingezogener,
„laßt mich der Freude Eures Anblicks so lange genießen, als
es Tag ist, da Ihr ja nichts zu fürchten habt. Führt mich
lieber dort in Euer Gezelt, welches mir höchst kostbar und der
Betrachtung sehr werth zu sein scheint."

„Das soll Euch nicht lange aufhalten," sagte das Mädchen.
„Folgt mir nur behende!"

Damit ging sie, begleitet von dem Löwen, der den Falken
trug, an das Zelt und öffnete den Vorhang, so daß der Ritter
mit Erstaunen die Pracht der Teppiche und das Lager von
dunklem Damast, rosenrother Seide und schneeigem weißem
Linnen gewahrte. Die Vögel, welche in den Reifen hingen,
schlugen wie zum Willkomm mit den Flügeln und kreischten
unverständliche Grüße. Die grüne Schlange, welche geringelt
auf dem weißen Kiffen lag, erhob ihr Haupt mehrere Spannen
hoch und züngelte freundlich gegen den, obwohl ihr unbekann-
ten Ritter.

Dieser betrachtete mit Verwunderung die prächtigen Zeuge
des Morgenlandes, aber mehr noch gefielen ihm die kostbaren
Waffen, welche der verstorbene Bruder hinterlassen hatte und
die schönen Psittiche. Nur die grüne Schlange, die von Zeit
zu Zeit wieder das Köpfchen aufreckte und ihre schwarzen stechen-
den Augen in der Runde herumgehen ließ, dünkte ihm keine
angenehme Gesellin, obwohl das Mädchen belehrend sagte:

Die grüne Schlange ist eine Viper aus Arabien, die sehr
befreundet war mit meinem Bruder. Sie ist gutmüthig und
liebt die Menschen, aber wenn sie zürnt, ist ihr Biß tödtlich.

Alsbald setzte sich auch die Jungfrau auf das Lager, ohne
weiter nach dem Thiere umzusehen; der Ritter wollte nicht
weniger thun und ließ sich neben dem Mädchen nieder.

Dieses schwieg mit gesenkten Augenliedern und schien seine
Gedanken wett über das Meer zu führen, bis es endlich leise
anhob:

„Die Dämmerung ist nicht mehr weit, edler Herr! und so
bitte ich Euch —"

„Mahnt mich nicht an die Heimkehr, schöne Saracenin,
denn Eure Sonne wird hier leuchten, ob eS Dämmerung wird
oder Nackt —"

„Geht, edler Herr, geht! Hört Ihr Euer Roß den Boden
stampfen?"

„Laßt es stampfen, aber laßt uns nicht auseinandergehen,
wie zwei Fremdlinge, die sich nicht mehr sehen sollen in diesem
Leben. Ich meine, schönes Fräulein, Ihr sollt mir Eure Minne
vergönnen."

„Was ist das?" fragte die Maid.

„Das mag ich Euch gerne lehren," antwortete der Ritter
lächelnd und lehnte sich in zarter Weise nach dem blühenden
Antlitz des Mädchens aus dem Morgenland«, schlang seinen
Arm um ihre Hüften und gedachte sie schmeichelnd an sein
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen