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Haymon upd Haura.

S7

normannisches Herz zu ziehen, als sie hocherröthend einen lei*
I sen Schrei von sich stieß und auf arabisch ausries: „El'aun,"
das heißt: „Hilfe."

Das Wort war aber noch nicht verklungen, als die Psit-
tiche alle unheimlich ächzend sich von den Reifen erhoben und
um das Haupt des Ritters schwirrten, während der Leu mit
fürchterlichem Gebrüll seine Tatze ihm auf das Knie legte und
die andre drohend hoch erhob, während der Edelfalke sich auf
seinen Scheitel setzte und mit dem spitzen, harten Schnabel
in seine Augen zielte, während die grüne Schlange behende
unter seinem Arm herauskroch, sich um seinen Hals ringelte
und zornig gegen seine Lippen züngelte, gleich als wollte sie
j ihm durch den Mund in die Seele fahren.

„O du heiliger Anselm von Canterbury," schrie der Ritter
in wilder Hast und ließ die Hüfte des Mädchens los. „Schafft
mir das entsetzliche Gethier vom Leibe, liebes Fräulein! Das
ist kein Kampf für einen ehrlichen Normannen."

„Das ist der Geist meines Bruders," entgegnete das Fräulein,
! „der den unvernünftigen Geschöpfen diese Weisheit gelehrt —"

„Aber beim heiligen Blut zu Lucca," rief der Ritter aber-
mals — „so Ihr eine Gewalt habt —*

„So Ihr bescheiden sein wollt und sittsam, wie es einem
Jüngling von Eurer Geburt geziemt, so mag ich Euch gerne
helfen."

Hierauf klatschte Haura in die Hände und rief: „Khattu

sabilahu" — das heißt: „Laßt ihn los."

Bei diesem Laute stogen die Papageien wieder aus ihre Reife,
die grüne Schlange verkroch sich unter das weiche Lager, der
Falke setzte sich auf das Knie seiner Herrin und der Löwe ließ
sich knurrend zu ihren Füßen nieder.

Herr Haymon war seiner Befreiung über die Massen froh
und es dünkte ihm, als wenn er nun gerade aus Dankbarkeit
die Saracenin verlassen sollte.

„Ihr seid eine Zauberin, schöne Dame!" sagte er, „und hätte
Euch der liebe Gott nicht mit überirdischer Schönheit gesegnet,
so müßtet Ihr mir sehr unheimlich Vorkommen. Dieweil es
aber Euer Wille ist, daß ich Euch allein lasse, so gehabt Euch
wohl und behaltet mich in freundlichem Gedächtniß."

„Der Friede sei mit Euch," entgegnete das Mädchen, sanft
hinsinkend auf das Lager, gleichwie zum Schlafe, nur daß sie
ihre Hände faltete und die Augen zum Himmel aufschlug. Herr
Haymon zögerte noch, den Vorhang des ZelteS in der Hand,
wie fest gehalten von dem hinziehenden Bilde der liebreizenden
Jungfrau. Sie aber gab kein Zeichen mehr von sich und so
ließ er den Vorhang fallen, schwang sich auf sein Roß und
ritt langsam von dannen. Der Mond schien auf seinen Pfad
und war seinen Gedanken ein angenehmer Begleiter. Das hatte
er sich nicht gedacht, als er am frühen Morgen im grauen
Schloß zu Nullepart aufs Pferd stieg, um Hirsche zu jagen,
daß er selbst mit einem spitzen Pfeil im Herzen wieder heim-
kehren würde. In der Thal war an dieser empfindlichen Stelle
ein ansehnliches Ltebesfeuer ausgebrochen, das um so schmerz-
licher aufschlug, je mehr Herr Haymon empfand, daß er von
Anfang bis zu Ende seiner Gegenwart weder für seine Tapfer-

keit, noch für die sonstige Anmuth seiner Sitten und Reden ein
günstiges Feld gefunden. So viel glaubte er deutlich zu spü-
ren : bei all seiner gewinnenden Männlichkeit hatte er der ein-
samen Saracenin fürs Erste nichts abgewonnen. Wenn sie
auch sichtlich ein Ergötzen hatte, wieder einmal in der Wildniß
ein lebendes, menschliches Wesen zu sehen, so schien sie doch
gar keinen Werth darauf zu legen, daß dies gerade die Blume
der normannischen Ritterschaft gewesen. All dies machte ihn
aber nicht demüthig, sondern bitter. „Und doch soll sie mir
nicht entkommen," sagte Herr Haymon zu wiederholten Malen
mit lauter Stimme zu sich selber und schlug grimmig auf seine
Brust, so daß es im Wald fast wiederhallte. Je heißer seine
Wünsche entbrannten, desto wilder wurden seine Gedanken.
Nur zuweilen, wenn ihm die seltsame Weissagung wieder in
Erinnerung kam, war's ihm eine kurze Zeit lang, als läge eine
tiefe Warnung darin, bis er und zwar bald wieder zu finden
glaubte, gerade durch das Geheimnißvolle ihres Wesens sei
das Mädchen so zauberhaft und gerade deßwegen eines jeden
Wagstücks werth.

III.

So stand er andern Tages fast zur selben Zeit vor dem
Zelte und wunderte sich über die tiefe Waldesstille, da nur der
Schlag der Finken, die oben im Laube saßen, zu hören war
und das Rieseln des Baches, aber zu sehen weder Arslan,
der Löwe, noch Miri, der Edelfalke, noch auch das Fräulein.
Herr Haymon lüftete vorsichtig den Saum des Teppichs, ge-
wahrte jedoch auch innerhalb kein Leben. Die Pstttiche schliefen
auf ihren Reifen, das Mädchen aber, wie er leise näher tretend
ersah, lag schlummernd auf dem Lager, ein aufgeschlagenes
Buch neben sich, das Haupt in das feine, reiche Haupthaar
versenkt und halb vergraben in den linden Pfuhl, die Glieder
anmuthSvoll ausgestreckt und mit leichten, indischen Zeugen
leicht bedeckt.

Der junge Ritter war voll Freuden, daß ihn sein guter
Stern zu so taugsamer Zeit dahergeführt und letzte sich gar
sanft und still an der holden Schläferin, sie immer unverwand-
ten Auges betrachtend — denn das hatte er sich gestern auf
der Heimkehr auch noch bekennen müssen, daß er aus der Verwun-
derung und Bewegung seines Gemüthes heraus nicht einmal
den Weg zur festen und standhaften Anschauung seiner Huldtn
gefunden, so daß er sich in der schlaflosen Nacht vergeblich
besonnen hatte, wie deren wunderbares Antlitz denn eigentlich
gestaltet und welche Farbe zunächst die ihrer Augen sei. Auf
letzteres kam er freilich auch zu dieser Frist noch nicht, denn
die langftansigen Lider waren fest geschlossen.

So wenig indeß die Lage der Ungläubigen seiner Wißbe-
gierde genug that, so schien sie ihn doch nicht zu bekümmern,
vielmehr einen andern Gedanken in ihm aufzuwecken, einen so
lieblichen, daß er ihn noch frisch und neugeboren ins Werk
setzte. Nachdem er nämlich einige Zeit in tiefer Ruhe mit
überetnandergelegtm Händen auf das morgenländische Fräulein
gesehen, ihr leises Athmen und den stillen Wellengang ihrer
Brust betrachtet hatte, bückte er sich und küßte sie.

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