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H aymo n

„Meine Mutter," sagte Haura zögernd, „meineMutter
ist mir in ihren gesunden Tagen und in ihren letzten
Stunden dringend angelegen, daß ich dereinst, wenn ich
durch Verhängniß Gottes in das Abendland geführt würde,
zum Christenglauben schwören möchte."

„Tie Gelegenheit scheint günstig," sprach der König heiter.

„Denn," fiel Dionys, der Hausvogt, ein, „es lebte
ehedem die eheliche Hausfrau weiland Herrn Hugos von
Onilefait, aus der Normandie, der als Pilger bei Tyrus
von den Saracenen erschlagen worden ist. Sein schönes
Gemahl aber nahm der Emir von Antiochien ans den
Gefangenen und hielt sie als eine seiner Frauen. Und sieben
Monate nach Herrn Hugos Tod gebar seine Wittwe das
Fräulein zu Antiochien, welches sic heimlich taufte auf
den Namen der heiligen Mathilde. Aus Furcht vor dem
ungläubigen Herrn und Gebieter wollte sie zwar der Toch-
ter von diesen Dingen nie erzählen, ich sage es jedoch bei
meiner Treu und bin bereit, es mit den schwersten Eiden
^ zu erhärten, dieweil ich Herrn Hugos Knecht getvesen bin
, und mit ihm und der Edelfrau von Quslesait vor acht-
zehn Jahren von dieser Stadt Rouen auf Pilgerfahrt
gen Orient zog und meinen Herrn bei Tyrus fallen sah
und seiner Hausfrau in die Gefangenschaft folgte, allivo
sie nach sieben Jahren aus Gram und Heimweh starb.
Und dort habe ich diese Zeit verlebt, bis die Kreuzfahrer
mit der Beihilfe der heiligen Jungfrau Maria die Stadt
Antiochien erobert, worauf ich meinen Sinn daraus gestellt,
das edle Fräulein, welches eine sehr tugendsame Maid
und mir allezeit eine fürtreffliche Gebieterin getvesen ist,
ans dem Kriege und den wilden Stößen mit den Un-
gläubigen in ihr Vaterland zu bringen, was ich auch mit
der Gnade Gottes ausgeführt habe. Und hier ist der Siegel-
ring meines Herrn Hugo von Quilesait, welchen ich ihm
abzog, als er erschlagen lag auf dem Strand von Tyrus."

Als König Heinrich den Siegelring betrachtet und ihn
erkannt hatte, hob er fröhlich seinen Becher empor und
rief: „Hört, Ihr Herren und Frauen! Es lebe das edle
Fräulein Mathilde von Quilesait, nunmehr die holde Braut
des Herrn Haymon von Nnllepart, den wir also begna-
digen und in seine Ehren und Würden wieder cinsetzen."

Schon die Augenzeugen, welche dazumal zu Rouen vor-
dem Gerichtshöfe standen, alle Worte hörten und Alles
sahen, was vorging, fanden es nachher sehr schwierig, den
andern, welche zu Hause geblieben, den Freudenlärm zu
beschreiben, der sich jetzt in dem gesammten Umstande des
Gerichtes erhob und daran möchte es wohl den Später-
geborenen fast unmöglich sein, davon eine getreue Dar-
stellung zu geben. Eine schöne Augenweide war es sicher-
lich, als die ganze Schaar des mächtigen Hauses Quilesait
herantrat, um das Fräulein als neugefundenes Zweiglein
des alten und in seiner Art edlen Stammes zu begrüßen,
als die Ritter und Junker, die Frauen und Fräulein sie zu I

und Haura. -1$

küssen und ihrer Freundschaft und Liebe zu versichern eilten.
Das Fräulein stand, wie man sagt, in reizender Vertoirrung,
nach allen Seiten hingezogen, zumeist freilich nach Herrn Hay-
mvn, an dessen Hals sie schnell etliche Zähren geweint, dann
nach dem getreuen Hausvogt Dionys, dessen Anhänglichkeit in
ihrem dunkeln Drange diesen fröhlichen Ansgang herbeigeführt: i
nach König Heinrich von England, der sich heute so gnädig ge-
zeigt und nach der freundlichen Verwandtschaft, die sie umdrängte
und einschloß. Wie dem auch sei, cs ist hier nicht die Stelle,
um all der Festlichkeiten zu gedenken, tvelche zu Ehren Herrn
Haymons Brautschaft und Hochzeit dazumal zu Roueu gefeiert
wurden; aber drei Wochen darauf zog der Ritter mit seiner
jungen, ihm jetzt angetrauten Hausfrau und dem getreuen Hans-
Vogt Dionysius hinauf gen Nnllepart und dort fingen sie ihr


ehelich Leben an, welches sie bald zur großen Anmuth und
Würde brachten. Es darf nicht vergessen werden, daß des
Fräuleins biderbe Gefährten im Walde, Arslan, der Löwe, Miri,
der Edelfalke, die getreue arabische Viper und das andre Ge-
thier, jetzt in der Burg versammelt, den Herrn von Nnllepart
auch bald als den ihrigen anerkannten und ihm alle Dienste
leisteten, die er billigerweise von ihnen verlangen konnte. Und !
da alles ein so fröhliches Ende genommen, vielmehr das Ende
wieder der Anfang eines glücklichen Lebens geworden, so kam !
es, daß Herr Haymon und Frau Mathilde gar oft die Stunde ;
segneten, wo sie sich im wilden Walde begegnet.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Haymon und Haura"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Adel <Motiv>
Heimkehr <Motiv>
Mittelalter <Motiv>
Liebesgeschichte
Karikatur
Ritter <Motiv>
Liebe <Motiv>
Brautpaar
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Haymon und Haura

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 13.1851, Nr. 294, S. 43
 
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