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114 Der wohlangesehenen Bü

Es war ein schöner Montag frih, wo wir also thürekt bis
Magdeburg fuhren, wo wir uns bei das Bergnigungscomothce
melden thaten und vor 50 Dhaler auf die zweite Klasse einge-
rechistirirt wurden. Von Magdeburg weiß ich weiter nichts
nicht zu sagen, als daß eS vor einen Fremden sehr langweulig
ist, wahrscheinlich auch vor die Eingeborenen, warum wir uns
auch freuten, wie es am andern Morgen fortgchn sollte.

Auf den Bahnhof stand bei dem Zuge an einem Wagen
groß angeschrieben :Bergnigungswaggon (Waggon
heißt nämlich: zweite Klasse!) und wir cultcn mit ver-
gnigtcn Schritten auf diesen zu, aber oh weh! es war
schon Alles besetzt, und voll und Niemand wollte nicht
zurickcn. Nun kam der Vergnigungsunternehmcr und
schrie: „Aber Se müsien rin! (Rin ist prcisisch und heißt:
hinein!) Se müsien rin!" Damit meinte er nämlich uns,
aber die im Wagen schrien: »Nee, Se derfen nich rin" — und
damit meinten sie auch wieder uns und da wurde nun ein
so großer Schkandaal, daß bald die Bolizen gekommen wäre.
Lehmann fing schon an zu heulen und zu schluchtsen, aber
endlich wurde noch vor eine Bärson Platz. Ich sage also
zu Lehmann: »Heule nicht," sageich, „wir wechseln ab; einmal
setz ich niich und nehm Dich auf den Schoos und dann Du
Dich und Du mich," sage ich und so mußten wir es auch
machen. Aber wenn dieses eine Vergnigungsfarth sein soll,
wie muß da erst eine ortinchrc sein, o Jemine! Nicht wahr,
liebe Anverwandten u. s. w.?

Wir mußten so abwcchseln die ganse Nacht durch, wobei
ich sehr schwütztc und wobei auch immer mein Nachbar, ein
dicker Berliner billiger Kleidcrmagaziehnvcrfertiger (ein Mosaiker,

rger Lehmann und Graf re.

Du Dich an^das Dünneh. Aber hält ich gewußt, wie das
zuging, so hätte ich gerne meinen Kafee weiter genoffen und
Köln lasien Köln sein. Wir waren also vielleicht 30 Mann
beiderlei Geschlechts Herrn und Damcns und nun lief der Lohn-
diener in Galobf vorne weg und wir in Gänzcmarsch alle
hintendrein; ich war der dickste und deshalb auch der letzte,

warum ihn die andern immer mit Wurst und Schinken näcken
thaten!) aus meine Akscl fiel, wo ich ihn durch einen Schub
entfernte und oft recht grob wurde.

Frih kamen wir in Köln an, wo aus Rhcinwasier mit
etwas Wollriechenten das bcriemte Ottokolongo gcfaberziert wird.
Hier sollte nun gefribslickt und dann die sonderbaren Mcrk-
wirdigkeiten der Stadt befehn werden. Du lieber Gott, da gab
cs harte Semmeln, alte Bnttcr und brihsükcndheiscn Kafee
zum Frihstick. Wie ich nun meine Taffe nach einer Viertelstunde
hatte kalt geblasen und wollte trinken, da kam ein Lohndiener
herein und schrie: „Wer wat sehen will, der komme rasch mit!"
Ich dachte, Köln sichst Du nicht alle Tage und davor hältst

konnte auch kaum mit fortkommen, aber der dirrc Kister Leh-
mann war immer mit vorne an. Wenn wir nun an eine
Merkwirdigkcit kamen, so schrie der Mann allemal laut was
es wäre und rannte dann weiter und wir wieder alle im Galobs
hinterher. So kamen wir auch an ein altes Haus, das sollte
der Kürzenicht hcisen, aber der Lohndicncr hatte sich wohl
nur versprochen und es muß Stürzen ich t heisen, weil das
Flaster dort wie in gans Köln Lberhaubt so schlecht und Holbe-
rich ist, daß man oft bis an die Hiften in die Löcher und Licken
tritt, wo mir mein Nachbar und Vormcnsch oste hcraushelfen
mußte. Der Dom ist sehr schön, aber noch nicht fertig und
wird auf Supskrübziehohn weiter gebaut. Nach drei Stunden
kamen wir athenlos wider in unser Hohtell und wenn ich Alles
zusammenrechne, was ich von Köln gesehen habe, so habe ich
nichts nicht gesehn, liebe Anverwandten u. s. w.

Ich schwitzte wie ein Braten und hungerte wie zehn Welfe
I und freite mich also sehr, wie ich schon das Tafeldetode gedeckt
sah. Wir setzten uns also hin und kauten einstweilen an den
Semmeln, aber die Suppe kam nicht und kam nicht. Endlich
nach einer ziemlichen Stunde kam sie, aber sie war so heiß,
daß wir uns alle die Minder verbrannten und gräuliche Gesichter
zogen. Wie wir nun nach vieler Noth die Suppe kalt, aber
uns gans heiß geblasen batten, so stirzt aüf einmal der Ver-
gnigungscckstrahsarlhsuntcrnehmungsbesitzer herein und schreit:
MeincHerr», dcr Lmnipost kommt, machen Sie rasch, es geht
gleich fort. Aber liebe Anverwandten u. s. w. da hättet ihr
den Krahwall hören solle»; wir schimbften, rehsonerirlen und
wollten den Mann auf den Leib mit Stöcken, Meffern, Gabeln,
Tellern und Stihlen, weil wir ihn vor einen Betriccher hielten,
der mit den Wirth ein Kombelot gegen uns machte, aber wir
mußten uns doch zufrieden geben, weil er sonst ohne uns weiter
gefahren wäre. ' Wir steckten uns also die Taschen voll Semmel
und Brod und fuhren mit stiller Verfluchung ans den Bahn-
hof, wo cö sogleich weiter ging.

Diesmal hatten wir wenigstens beffre Plätze, weshalb ich
auch bald einschlirf, weil ich die vorige Nacht kein Auge nicht
zugcthan hatte. Die Gegend soll übrigens schön gewesen sein,
wie Lehmann sagte, auch sind wir an Achen vorbei gefahren,
wo Karl der Große begraben liegt, der aber jetzt schon gans auS
der Mode gekommen ist. — Nur einmal erwachte ich auf, als
cS sehr dunkel war und ich hörte nur wie mein Nachbar der
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der wohlangesehene Bürger Lehmann und Graf aus Berne bei Dresden, Reise nach London"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Spott
Karikatur
Reise
Wurst
Reisender <Motiv>
Besucherführung
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 13.1851, Nr. 303, S. 114

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