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Ein Tag aus dem Leben zweier ungleichen Gatten.

voller Eile in eine Ecke des Divans gedrängt, während Thekla
neben ihm Platz nahm, so jedoch, daß das von ihr emporge-
haltene Journal es Beiden unmöglich machte, sich im Gesicht
zu sehen. Zwischen den Spalten der Zeitschrift lag aber feines
Velinpapier mit von zarter Frauenhand beschriebenen Seiten,
und Thekla las: „Der Liebe Leid und Weh. Novelle."
Und ohne aufzusehen oder inne zu halten, las sie weiter und
weiter und ihre Silberstimme tönte melodisch durch die Stille des
Abends in die reine Sommerluft hinaus. Die Dichterin befand
sich in heftiger Aufregung, ihre Wangen glühten, fast hörbar

schlug das Herz in ihrer Brust und ein leises Zittern durch-
bebte zuweilen die zarten Glieder. Gegen das Ende des Vor-
trags ergriff die Schilderung des Weh's der Liebe die Lesende
so gewaltig, daß ihre Stimme mehrmals brach und sie denselben
nur mit der größten Anstrengung zu beenden vermochte.

Tief aufseufzend ließ sie den erhobenen Arm mit dem Blatte
sinken und heftete das thränenfeuchte Auge auf den Gatten.
Da entrang sich ein unartikulirter Laut ihren Lippen, Leichen-
blässe verdrängte plötzlich das Roth von ihren Wangen und
das Blut stockte in seinem Kreisläufe — Theodor schlief.

Einige Minuten saß die Aermste regungslos da und kämpfte
einen schweren Kampf. Plötzlich ermannte sie sich, erfaßte ein
Blatt Papier und schrieb darauf mit zitternder Hand folgende
Worte: „Die vorgelesenen Stellen aus dem Werke „ „Der Liebe
Leid und Weh,"" die gleich einem Schlaftrunk auf dich wirkten,
sind das geistige Eigenthum deiner Thekla. Beide haben wir
soeben den Beweis geliefert, daß es ungleichere Gatten wohl
nie gab, weshalb wir auch nie ungetrübt glücklich sein können
und werden. Gott tröste mich und dich!"

In des Mannes Rechte schob die junge Frau den Zettel
und wankte aus dem Pavillon. Die kalte Doppelnase des Jagd-
hundes strich kurz darauf über Theodors vorgestreckte linke Hand,
er erwachte, bemerkte das Verschwinden Thekla's und den Papier-

! streifen in der Rechten, entzifferte die hingekritzelten Zeilen
und sprach dumpf vor sich hin: „Du hast recht, ungleichere
Gatten gab es nie!" — Dann sank er in die Kiffen des
Divans zurück und die heftig arbeitende Brust des jungen
Mannes, dessen Antlitz jetzt so bleich war wie das der Gattin,
zeugte von dem gewaltigen Schmerz seiner Seele.

Endlich erhob er sich und^chritt in tiefes Nachdenken ver-
sunken dem Schlöffe zu. —

Drei Tage darauf las Thekla dem Onkel Heinrich den An-
fang einer Novelle unter dem Titel: „Der Liebe Leid und
Weh" vor, während zu derselben Stunde Theodor in gelinder
Verzweiflung sein Geschick anklagte, weil er soeben ein Stück
Wild nur waidwund geschossen.

Albert Reinhold.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein Tag aus dem Leben zweier ungleichen Gatten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
abweichende Titelschreibweise ("Ein Tag aus dem Leben zweier ungleichen Gatten" statt "Ein Tag aus dem Leben zweier ungleicher Gatten"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schlaf <Motiv>
Vorlesen
Ehepaar <Motiv>
Geste <Motiv>
Ehefrau <Motiv>
Karikatur
Hund <Motiv>
Ehemann <Motiv>
Sofa <Motiv>
Schusswaffe <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 13.1851, Nr. 309, S. 163
 
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