I haben, als Peter und KaSpar. Dabei gab eS auch keinean-
^ der» Knaben, deren Stimme» fo hell und rein die ganze
j Kirche durchdrangen, als eben die ihrigen. So blieb es denn
j bei vielfachen Ermahnungen Seitens der geistlichen Herren, die
i aber leider auf steinigen Boden zu fallen schienen und keine
. Früchte trugen.
Eines Morgens hatten sic sich wieder in aller Frühe in
I der Sakristei eingcfunden, um entweder in gewohnter Weife
j einen TagcSplan miteinander zu verabreden oder in Ermang-
| lung dessen den Faustkamps wieder zu beginnen.
„Höre, Peter," Hub KaSpar an, während beide eben die.
Chorröcke über den Kopf zogen, „ich weiß ein Spatzennest,
! dessen Jungen bald flügge werden, willst Du cs auSnchmen,
! so thcilcn wir. Aber eS gehört Muth dazu!"
„Wcnn'S weiter nichts ist," meinte Peter, „daran fehlt
! es mir nicht. Wo ist eS?"
„Oben im ThurmgcsimS, gerade ober dem höchsten
j Thurmfenster!"
„Hm, wie aber daran kommen?"
„DaS habe ich mir schon überlegt," antwortete KaSpar.
i „Wir klettern mit einem Brette oben auf den Glockcnstubl und
i legen von dort das Brett zum ober» Steinwerk des Fensters
hinaus. Du kriechst hinaus auf das eine Ende, während ich
! das andere nicderhaltc, damit das Brett nicht auffchlägt. Wenn
! Du Dich draußen aufrichtest, so wirst Du bequem bis zum
Neste hinauf lauge» können."
Ein neues ,/Hm" PeterS, bei dem er sich hinter dem
; Ohre kratzte, gab zu verstehen, daß ihm die Sache denn doch j
\ ei» wenig bedenklich scheine. Jedoch nach einer kurzen Pause !
sprach er entschlossen: „Ich will eS wagen, zuvor aber laß' l
uns einen tüchtigen Schluck thun."
Darauf machten sich beide an das Mauerwerk der Sa-
kristei, welches einen Wandschrank barg. ES gelang ihnen bald, s
! eine lockere Füllung auS ihrem Rahmen zu verschieben, worauf
i sie eine dickbäuchige Flasche hervorlangte». DaS GlaS war j
überlci; Einer nach dem Andern fetzte die Flasche an de»
Mund und ließ den Inhalt in seine Kehle hinabklucksen. Dann
; wußten sic alle Spuren des NaschraubcS zu vertilge», und
begaben sich vcrabrcdctcrmaßcn an'S Werk.
Trotz der Ehorröcke gelang es den flinken Knaben bald,
die Höhe dcS GlockcnstuhlcS zu erklettern, droben legten sic
das Brett zur ober» Fensterkrönung hinaus. Peter kroch auf
I allen Viere» über daS Brett hindurch. Einmal in der frischen,
fröhlichen That, erschreckte den kecken Knaben weder die schwill-
: delerregendc Tiefe von mehr als 200 Fuß zu beiden Seiten,
»och der Nordwestwind, der sich wie in einem Segel in seinem
! weiten Gewände fing und ihn herabzuwerfen drohte. Mit ,
j Vorsicht richtete er sich aus. Bei seiner Annäherung verließen ;
die Alten ängstlich zwitschernd daS Nest und verricthen gerade !
I dadurch daS Lager ihrer Jungen noch genauer.
Peter griff ohne sonderliche Anstrengung hinauf und hin- j
ein. „Halt nur fest, KaSpar," rief er, „ich habe schon EinS."
| Damit schob er daS Junge unter den Chorrock i» feine Brust.
,Jkci»e Sorge," antwortete dieser, drinnen aus dem Brctt-
ende sitzend. So verblieb er ganz Ohr auf Peter, der dran- j
ßen laut bis Neun zählte.
„Neun sind es schon," klang eS von außen hinein, „hof-
fentlich finde ich noch Eins, dann erhält jeder fünf." — Nach
einer kurzen Pause Hub Peter wieder an: „ES sind nicht
mehr alS neun da; davon find fünf für mich und vier für
„Nichts da," entgegnctc KaSpar, „vier für Dich und
fünf für mich. Ich habe das Nest gefunden."
„Und ich auSgehobe»; und wenn Du Dich auf den Kopf
stellst, so gebe ich Dir nicht mehr als vier."
„DaS wolle» wir doch einmal sehen! Ich frage Dich
im Guten, gibst Du mir fünf oder nicht?"
„ES ist nichts mehr zu finden, Du kriegst viere und
keine Feder von dem fünften."
„Ich frage Dich zum letzten Male, gibst Du fünft?"
„Nein, nein, nein, und in Ewigkeit nein!"
„Nun, so kannst Du auch sehen, wer Dich hält!" sagte
KaSpar und ließ daS Brett fahren. Draußen schrie Peter auf,
daS Brett hob sich und fiel dann prasselnd in den Tburm
hinab. Draußen jammerte noch eine» kurzen Augenblick Peter,
der sich im TodcSkampfe an dem hocherhabenen Meißclwerk
des KranzgcfimscS zu halten schien, dann hörte KaSpar, wie
er mit neuem anhaltenden Schrei hinab in die Tiefe fuhr.
Erst bei dieser Scene schien eS dem jungen Bösewicht
klar zu werden, waS er gcthan hatte. Erstarrt saß er auf
dem Gebälke, sein Athem stockte, dagegen drang kalter Schweiß
auS allen feinen Poren. — Bald jedoch sagte ihm sein böseS
Gewissen, daß er jeden Schein vermeiden müsse, als ob er
mit dem Gräßliche», was sich zugettagen, in der geringsten
Verbindung stände, und nun kletterte er, obgleich ihm die
Glieder wie gelähmt waren, mit einer solcher Hast hinab, daß
er die größte Gefahr lief, darob selbst den HalS zu brechen.
Todtenbleich kam er unten in der Kirche an. Bevor er
eS wagte,.die Thüre zur Sakristei zu öffnen, wo er Schreck-
liches zu erfahren gedachte, hielt er bange athmcnd eine Zeit
lang an, um sich vorher möglichst mit dem Scheine der Un-
befangenheit zu rüsten.
Wer aber malt fein Erstaunen, als die Thüre sich öff-
nete und Peter hinauStrat, ihm das Rauchfaß unter die Nase
schwenkend. KaSpar war zur Bildsäule verwandelt. Er würde
geglaubt haben, PeterS Geist zu sehen, aber Peter sah nicht
bleich auS, vielmehr etwas vom Zorne geröthet, und alS er
an ihn heran kam, drückte er die Linke auf die Brust, wo
unter dem Chorrockc die Spatzen leise zwitscherten und flüsterte
KaSpar zu: „Du Lotterbub, nun kriegst Du gar keine!"
Es scheint, als ob PeterS Schutzengel ihn umschwebt
habe bei dem Sturze von einem der höchsten Thürme Kölns,
der nach aller menschlichen Berechnung unfehlbar den Tod nach
sich ziehen mußte. Der Nordwcstwind hatte sich nämlich in
dem Chorrockc des Knabe» gefangen und ihn in de» Wein-
garten, der damals an der Südseite der Kirche lag, wenn auch
gerade nicht getragen, doch geweht. Hier lief er die Gesahr,
sich auf einer der zugespitztcn Weinstangen zu spießen, sein
^ der» Knaben, deren Stimme» fo hell und rein die ganze
j Kirche durchdrangen, als eben die ihrigen. So blieb es denn
j bei vielfachen Ermahnungen Seitens der geistlichen Herren, die
i aber leider auf steinigen Boden zu fallen schienen und keine
. Früchte trugen.
Eines Morgens hatten sic sich wieder in aller Frühe in
I der Sakristei eingcfunden, um entweder in gewohnter Weife
j einen TagcSplan miteinander zu verabreden oder in Ermang-
| lung dessen den Faustkamps wieder zu beginnen.
„Höre, Peter," Hub KaSpar an, während beide eben die.
Chorröcke über den Kopf zogen, „ich weiß ein Spatzennest,
! dessen Jungen bald flügge werden, willst Du cs auSnchmen,
! so thcilcn wir. Aber eS gehört Muth dazu!"
„Wcnn'S weiter nichts ist," meinte Peter, „daran fehlt
! es mir nicht. Wo ist eS?"
„Oben im ThurmgcsimS, gerade ober dem höchsten
j Thurmfenster!"
„Hm, wie aber daran kommen?"
„DaS habe ich mir schon überlegt," antwortete KaSpar.
i „Wir klettern mit einem Brette oben auf den Glockcnstubl und
i legen von dort das Brett zum ober» Steinwerk des Fensters
hinaus. Du kriechst hinaus auf das eine Ende, während ich
! das andere nicderhaltc, damit das Brett nicht auffchlägt. Wenn
! Du Dich draußen aufrichtest, so wirst Du bequem bis zum
Neste hinauf lauge» können."
Ein neues ,/Hm" PeterS, bei dem er sich hinter dem
; Ohre kratzte, gab zu verstehen, daß ihm die Sache denn doch j
\ ei» wenig bedenklich scheine. Jedoch nach einer kurzen Pause !
sprach er entschlossen: „Ich will eS wagen, zuvor aber laß' l
uns einen tüchtigen Schluck thun."
Darauf machten sich beide an das Mauerwerk der Sa-
kristei, welches einen Wandschrank barg. ES gelang ihnen bald, s
! eine lockere Füllung auS ihrem Rahmen zu verschieben, worauf
i sie eine dickbäuchige Flasche hervorlangte». DaS GlaS war j
überlci; Einer nach dem Andern fetzte die Flasche an de»
Mund und ließ den Inhalt in seine Kehle hinabklucksen. Dann
; wußten sic alle Spuren des NaschraubcS zu vertilge», und
begaben sich vcrabrcdctcrmaßcn an'S Werk.
Trotz der Ehorröcke gelang es den flinken Knaben bald,
die Höhe dcS GlockcnstuhlcS zu erklettern, droben legten sic
das Brett zur ober» Fensterkrönung hinaus. Peter kroch auf
I allen Viere» über daS Brett hindurch. Einmal in der frischen,
fröhlichen That, erschreckte den kecken Knaben weder die schwill-
: delerregendc Tiefe von mehr als 200 Fuß zu beiden Seiten,
»och der Nordwestwind, der sich wie in einem Segel in seinem
! weiten Gewände fing und ihn herabzuwerfen drohte. Mit ,
j Vorsicht richtete er sich aus. Bei seiner Annäherung verließen ;
die Alten ängstlich zwitschernd daS Nest und verricthen gerade !
I dadurch daS Lager ihrer Jungen noch genauer.
Peter griff ohne sonderliche Anstrengung hinauf und hin- j
ein. „Halt nur fest, KaSpar," rief er, „ich habe schon EinS."
| Damit schob er daS Junge unter den Chorrock i» feine Brust.
,Jkci»e Sorge," antwortete dieser, drinnen aus dem Brctt-
ende sitzend. So verblieb er ganz Ohr auf Peter, der dran- j
ßen laut bis Neun zählte.
„Neun sind es schon," klang eS von außen hinein, „hof-
fentlich finde ich noch Eins, dann erhält jeder fünf." — Nach
einer kurzen Pause Hub Peter wieder an: „ES sind nicht
mehr alS neun da; davon find fünf für mich und vier für
„Nichts da," entgegnctc KaSpar, „vier für Dich und
fünf für mich. Ich habe das Nest gefunden."
„Und ich auSgehobe»; und wenn Du Dich auf den Kopf
stellst, so gebe ich Dir nicht mehr als vier."
„DaS wolle» wir doch einmal sehen! Ich frage Dich
im Guten, gibst Du mir fünf oder nicht?"
„ES ist nichts mehr zu finden, Du kriegst viere und
keine Feder von dem fünften."
„Ich frage Dich zum letzten Male, gibst Du fünft?"
„Nein, nein, nein, und in Ewigkeit nein!"
„Nun, so kannst Du auch sehen, wer Dich hält!" sagte
KaSpar und ließ daS Brett fahren. Draußen schrie Peter auf,
daS Brett hob sich und fiel dann prasselnd in den Tburm
hinab. Draußen jammerte noch eine» kurzen Augenblick Peter,
der sich im TodcSkampfe an dem hocherhabenen Meißclwerk
des KranzgcfimscS zu halten schien, dann hörte KaSpar, wie
er mit neuem anhaltenden Schrei hinab in die Tiefe fuhr.
Erst bei dieser Scene schien eS dem jungen Bösewicht
klar zu werden, waS er gcthan hatte. Erstarrt saß er auf
dem Gebälke, sein Athem stockte, dagegen drang kalter Schweiß
auS allen feinen Poren. — Bald jedoch sagte ihm sein böseS
Gewissen, daß er jeden Schein vermeiden müsse, als ob er
mit dem Gräßliche», was sich zugettagen, in der geringsten
Verbindung stände, und nun kletterte er, obgleich ihm die
Glieder wie gelähmt waren, mit einer solcher Hast hinab, daß
er die größte Gefahr lief, darob selbst den HalS zu brechen.
Todtenbleich kam er unten in der Kirche an. Bevor er
eS wagte,.die Thüre zur Sakristei zu öffnen, wo er Schreck-
liches zu erfahren gedachte, hielt er bange athmcnd eine Zeit
lang an, um sich vorher möglichst mit dem Scheine der Un-
befangenheit zu rüsten.
Wer aber malt fein Erstaunen, als die Thüre sich öff-
nete und Peter hinauStrat, ihm das Rauchfaß unter die Nase
schwenkend. KaSpar war zur Bildsäule verwandelt. Er würde
geglaubt haben, PeterS Geist zu sehen, aber Peter sah nicht
bleich auS, vielmehr etwas vom Zorne geröthet, und alS er
an ihn heran kam, drückte er die Linke auf die Brust, wo
unter dem Chorrockc die Spatzen leise zwitscherten und flüsterte
KaSpar zu: „Du Lotterbub, nun kriegst Du gar keine!"
Es scheint, als ob PeterS Schutzengel ihn umschwebt
habe bei dem Sturze von einem der höchsten Thürme Kölns,
der nach aller menschlichen Berechnung unfehlbar den Tod nach
sich ziehen mußte. Der Nordwcstwind hatte sich nämlich in
dem Chorrockc des Knabe» gefangen und ihn in de» Wein-
garten, der damals an der Südseite der Kirche lag, wenn auch
gerade nicht getragen, doch geweht. Hier lief er die Gesahr,
sich auf einer der zugespitztcn Weinstangen zu spießen, sein