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Der geträumte Schatz.

Da ist neulich in Köln eine wunderbare Geschichte pas-
j firt. Der Moses Hirsch wohnt in einem kleinen Gäßchcn im
? zweiten Stock, in einem ganz schmalen Häuschen, und ist ein
' armer Teufel, der sich »ur kümmerlich vom Schacher nährt.

Springt er eine» Morgens wie toll aus dem Bette und in
' d„ Stube herum, und wie seine Frau gar nicht weiß, waS
mit ihm ist und schon in aller Herzensangst fürchtet, er sei
übergcschnappt, erzählt er ihr, er hätte die Nacht geträumt,
daß er in seiner eigenen Stube einen Schatz finden würde.

Die Frau meinte, eS wäre Unfinn und nur ein Traum.
Wenn er ttäumte, er könnte von einem Thurmc hinunter
fliegen und wollt'S versuchen, bräch' er den Hals. Er sollte
! seinen Geschäften nachgehcn und auf den Schacher, daS wäre
l der einzige Platz, wo er wirklich einen Schatz finden könnte,
• wenn auch nicht mit einem Male.

MoscS Hirsch ließ fich aber nicht abbringen. Er hatte
schon oft geträumt, aber so lebhaft »och nie im Leben, ging
deßhalb heute nicht auf den Schacher, trotz dem Keifen und
Bitten seiner Frau, und fing an, im Zimmer die Dielen auf-
; zubrechen. Da fand er aber nichts, wie Schutt und Staub,
und renkte fich bald die Arme aus, in alle Winkel und Ecken
hincinzugreifcn, und klopfte und hämmerte und machte eine»
Spektakel, daß die Leute von unten hinauf schickten, zu sra-
gen, ob der Moses Hirsch ihnen das HauS über dem Kopfe

zusammenbrcchcn wolle.

Unglücklicher Weise hatte ihm der Traum nicht genau
den Fleck angegeben, aber in der Stube war's, und'wie die
Frau Mittags müde und matt mit den Paar verdienten Gro-
' schen zu Hause kam und die Wirthschaft sah, die ihr Mann
indessen angerichtct hatte, schlug sic die Hände über dem Kopf
zusammen und weinte und schrie.

MoscS Hirsch war aber gerade dabei, die Wände zu vi-
i fitircn. Unter den Dielen lag'S nicht, also mußte cs in der
l Mauer stecken, denn da w a r 'S. Die Mauer klang aber überall
i gleich und voll — das war solider Stein — bi« an der
einen Stelle — Abraham und Jakob, wie von eiskaltem Was-
ser begossen, lies'S ihm den ganzen Leib hinab — an der
einen Stelle klang's hohl — da stak der Schatz.

Kopsschüttclnd stand die Frau daneben und schaute ihm
zu, als er ohne weiters den Kalk von der Wand herunter-
brach, den Mörtel hcrauSbröckeltc und in wenigen Minuten ein
Loch in die Mauer gearbeitet hatte, in daS er bequem mit der
Hand hincinfahrcn konnte. Kaum hatte er den Arm aber
hineingesteckt, als er seiner Frau hastig und vor Freude zit-
ternd zuflüsterte, er fühle Holz. DaS Loch mußte jetzt etwa»
größer gebrochen werden, und e«'erforderte auch einige Schwie-
rigkeit, ohne die Wand total cinzureißen, das Holz zu ent-
fernen, was jedenfalls der Deckel oder die Seitenwand der
Truhe war. Endlich gelang aber auch dicß. Moses Hirsch
brachte glücklich ein kleines Loch hinein, groß genug für seine
Hand, griff hinein und brachte — seine Frau wäre vor Schreck


und Freude beinahe in die Kniee gesunken — einen silbernen j
Löffel heraus.

„Gott der Gerechte!" rief Hirsch mit unterdrückter Stimme !

und in wahrhaft zitternder Hast — „do hast cs — waS hob'
ich gesagt?" Und wieder griff er hinein und holte noch einen
Löffel, und dann zwei silberne Gabeln und dann noch drei
Löffel und dann ein silbernes Salzfaß, und dann ein Paar
große Münzen mit ftemdcm Gepräge, im Ganzen etwa sechs
silberne Eßlöffel, sechs Thcclöffcl, ein Salz- und ein Pfeffer-
faß, einen KLchcnlöffel, einen Fischlöffel, einen Zuckerstreuer -
Alles von Silber — und die Münzen hervor.

Weiter ließ sich für den Augenblick, und ohne daS Loch
zu erweitern. Nichts erreichen. Es kam auch Jemand, der zu
MoscS Hirsch wollte, und er mußte seine Arbeit unterbrechen,
die er jedenfalls, wenn heute Abend Alle« still und zu Bette
gegangen war, fortzusctzcn gedachte. Seine Frau schloß in-
dessen den Schatz in die Kommode.

Nachmittags poltern ein Paar Leute die dunkle Treppe
heraus und pochen an MvseS Hirsches Thür. MoscS geht hin,
und wie er aufmacht stehen zwei Polizcidiencr da, fassen ihn
am Kragen und beschuldigen ihn, bei seinem Nachbar cingc-
brochcn zu sein und sämmtlicheS Silberzeug gestohlen zu haben.

Moses Hirsch denkt im ersten Augenblicke, der Schlag
rührt ihn. Er bei Jemand eingebrochen — er leugnet Steine
und Beine. Einer der Leute hielt ihn und führte ihn in die
Stube, wo der Kalk noch überall am Boden liegt und das
Loch in der Wand bündig genug spricht. In der erste» Kommoden-
schiebladc, die sie auszichcn, liegen auch schon die vermißten,
angeblich durch Einbruch entwendeten Sachen, und der arme
Teufel erfährt jetzt, daß er, anstatt einen Schatz zu heben, in
den Wandschrank seines darüber mit Recht entrüsteten Nach-
bars gerathen sei.

Moses Hirsch wurde abgeführt, sein Vertheidigungsgrund
mit Achselzucken «»gehört, und er bekam 3 Monate Zeit, im
SttafhauS über seinen wunderbaren Traum, wie dessen traurige
Entwicklung »achzudenken.

Dichterbestattung.

O Meister Heinrich Fraucnlob!

Gar nicht beneid' ich Dich darob,

Daß Dich die holden Jungftäulcin
Mit Mühe schleppten in'S Grab hinein.
Ihr lieben Frauen und Jungfräulein!
Ich will nicht von Euch begrabe» sein;
Viel lieber aber möcht' ich gleich
Vergraben sein zu ties'st in Euch,

In Euern licb'glühenden Herzelein,

Da möcht' ich zu ties'st begraben sein.
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