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Zwei Hirschhäute.

uff einmal mein Förschter vor mir, ohne daß ich'n nur hätt'
kommen sehen. „Na!" sagte er, „Barnik wo wollt ihr denn
schon so früh hin?" Nach Hersfeld, sag' ich, Herr Förschter —
„und was habt ihr da in eurer Kötze?"') Das verdammte kleine
schiefbeinigte Dachshundsvieh schnüffelt als an mir 'rum bei
dem Eramen, was hatt' ich vor 'ne andere Wahl? ich wußt'
vorher, daß mich der Grünrock viffenthicren that, so sag' ich
uff seine Frage: ,,'Ne Herschhaut, Herr Förschter!" und dann
gingen wir Beide nach Hersfeld. Ich war die schöne Haut
los und kam zur Buße.
„Wie mir bei der Geschichte eingeheizt worden ist, das
werd's euch noch besinnen, der Förschter hatte lange druff ge-
paßt, um von wegen seinem Curt die Sache wett zu machen.
Elf Jahre sollt' ich kriegen wegen der Haut, 's ging so knapp
noch mit neun Jahren ab, und ich mußte Kassel zum zweiten-
mal besuchen, wahrhaftig, ich dachte ich sollt' verrückt werden
eh' ein Jahr vergeht, aber ich mußt's wohl gewohnt werden.
Wann ich hätte müssen still fitzen, lebt' ich heut' nit mehr, so
aber wurden wir immer zwei und zwei abgeführt zum Arbeiten
im Landgrafcnschloß, man kriegte wenigstens andere Menschen
zu sehen.
„Alle Jahre kam einer oder zwei von meinen Söhnen,
brachten Nachricht von Haus und ich merkt's wohl an Allem,
's ging daheim stark zurück. Fünf Jahre gingen so hin, dann
starb mein Martliese, die ich nit mehr gesehen. Nit lang droff
kam mein Aeltester bei die Grenadier-Garde, der Zweite zu den
Friedrichsdragonern und da dauerte es nit lange, als der Land-
graf mit dem Dickbacken zur Regierung kam und 'ne fremd-
ländische Prinzessin heirathete, hatten meine Jungen sich ein
Gnadenersuch uffsetzen lassen, das der Landgraf kriegte, und wie's
Jahr druff der Dritte zum Soldaten kam, wurd' ich 'mal an
einem Tage vorgeboten und kriegte verlesen, daß meine Straf-
zeit zu Ende wäre, der Landgraf thät' wegen meiner Söhne ^
mich gnädigst entlassen, ich könnte geh'n wann ich wollt'.
„Na, die Freude von den Jungen, wie sie mich am Leip-
zigerthor im Elefanten zu seh'n kriegten, könnt ihr euch denken!
„Ich brauchte keine zwölf Stunden um heim zu kommen,
's war im Januar und stramm kalt, der Schnee knitterte nur
so; wie ich droben in den Stiftswald komme, denk' ich, willst
doch 'mal nach Deinem Gewehr gucken, ich net lang besonnen,
finde bald den Baum und — hol' mich Dieser und Jener!—-
's'war richtig noch da, aber der Lauf war ganz rostfressen.
Ich bind's Tuch und die Blase vom Schloß ab — 's war
Alles noch ganz paß, und wie ich so stehe und mich besinne,
was ich nun dermit mache, geht's uff einmal krach, krach in
den Büschen — und ich mein' der Teifel sollt' mich holen —
steht vor mir kaum 30 Schritte ein Hirsch, ein wahrer Unflath
von 'nem Thier! Na, denk' ich, 's mag jetzt kommen wie's
will, so juckte mir die Hand und 's ging widder meine Natur
ich ließ's ritschend) — Blitz und Fall war Eins. 'S Echo
war auch bald still; wie ich bei 's Wild kam, lag's ohne sich

') Tragekorb.
2) ritschen — losbremien.

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z'regcn, die Flechsen waren geschwind durchschnitten, mein Ge-
wehr versteckt und ich Mitte Nacht nach Hause gesprungen.
„Ich kloppe und ne lang riegeln die -Jungen die Thür
auf und machen nit wenig Krams, wie sie mich so unerwartet
da steh'n seh'n; ich konnte ihnen aber nit lang Zeit lassen, j
nehme den Handschlitten und's Beil und sage: nu kommt,
es muß was heimgeholt werden. Die guckten 'mal nit schlecht,
Ihr werdt ja doch um's Himmelsleben, Vater, nit schon Wid-
der ? — Es kann nir helfen, sag' ich, wir haben nit lang Zeit,
macht fort.
„Nu sein die Jungen nit wenig »erschrocken, als ich 'n unter
die Buschhaufen den Hersch uff den Schlitten packe. Zu Hause
war'n mer bald, und 's letzte Stück Wegs hieß's den Schlitten
getragen, daß's kein' Spur gab.
„Den annern Morgen sag' ich: es soll noch keine Seel'
wissen, daß ich wieder da bin, nehmt eure Kötzen und bringt's
Fleisch aus 'm Haus, daß das 'mal fort kömmt. Willig sin'
meine Jungen stets gewesen und so dauert's auch nit bis Mittag
waren Beide wieder da mit Geld. Damals war noch ein
Thaler an so 'nein Thier verdient; wann man 'mal eins ge-
troffen hat, so wars doch was vor sein Schaden.
„Nu — lag noch die vermaledeite Haut da; uff den
Handel verstch'n sich die Jungen nit; ich Hab' also keine an- !
dere Wahl, als 'mal selbst wieder nach der Stadt zu trampeln.
Wie ich so all' die Flecken wieder sah, die ich seit den ganzen
Jahren nimmer in die Augen gekriegt hatte, so war's mer bald
flennerich, und über dem komme ich wieder an's Knickl uff
den Mühlsteg, und wie ich vor mich gucke, — mein ich, der
Schlag sollt' mich uff der Stell' rühren — steht der Förster
vor mir! — Das weiß ich, mich hatt' er auf der Stell' auch
net erwartet. „Ei!" sagt er zu mir, „ja vor's Donnerwetter,
das seid Ihr ja, Barnik? Na, wo kommt Ihr denn her?"
So sag' ich gut'n Morgend, Herr Förschter, sag' ich, von
Kassel komm' ich, Herr Förschter! „Und was habt Ihr denn
da in Euer' Kötzc?" — Nu könnt' Ihr Euch 'mal vorstellen,
fragt' mich genau wie dazumalen. Ich dachte net annerscht,
als wie, dein letzt' Brod is gebacken; erst wollt' ich gleich die
Kötze in Mühlgraben werfen, wann's nit fest zugcfroren wäre, ^
so half's mich nir, denk'ich; und wann du gleich Widder dran
bist, sprach ich ihm auch auf sein' Frage ganz wie damals,
aber mit zorniger Bosheit, denn könnt's Euch denken, 's kochte
mir in der Lunge; sag'ich: ,,'ne Herschhaut, Herr Försch-
ter!" Da kriegte er 'n rothen Kopp und ging ohne 'n
Wort zu reden den Mühlweg nunncr.
„Wer war froher wie ich ; bei all' der giftigen Kälte floß
nur der Schwitz bald die Backen runner, und ich that selbige
Stunde 'n hcil'gen Schwur d'ruff, daß dieß mein letzter Gang
in die Hersfelder Weißgerberci sein sollte."
„Nach Hause gekommen, ward ich bald darauf krank und
net lange hernach wieder beim Kohlmeiler, aber seit der Stunde
find mir die Haare kreideweis worden vor der Zeit."
Seine Zuhörer athmeten auf, und die Klemme, in wel-
cher Barnik gesteckt, fühlend, erklärte mehr als einer derselben,
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