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146 Die Geschichten
immerdar in bespornten Stiefeln. Sonntags aber trägt der
Alte einen reichbeschnürten Dolman und enganschließende Bein-
kleider, mit Schnörkeln zierlich benäht. Im Wehrgehäng blinkt
ein Commißsäbel. Den Kopf schmückt ein Kalpak. Auf der
Brust glänzt ein wohlverdientes Abzeichen der Tapferkeit. Der
Bart ist durch Fett und Korkkohle grimmig schwarz gefärbt.
So aufgeputzt zieht der ehemalige Rcitersmann Morgens zur
Kirche, wo er andächtig die Predigt anhört, und Nachmittags
zur Haideschenke, wo ihm zugehört wird, bis er sich gegen
Abend seinen richtigen Haarbeutel angezecht hat und zur Ruhe
geht. Wenn der Vater Bista redet, thut sich kein Mund auf,
als um Flüssigkeit einzunehmen oder Rauch auszulaffen. Der
trutzige Roßhirt, der kecke Hüter der Rinder, die verschmitzten
Wächter der Schafe und der Schweine, der vorwitzige Zigeuner
unterbrechen ihn nie. Sogar der verwegene Räuber und der
grobe Pandur pflegten ihm aufmerksam zuzuhören, als es noch
Betyaren und Panduren gab. Die Ehrfurcht vor den weißen
Haaren des Greises und der Inhalt seiner Rede erklären nur
zum Theil die augenblickliche Fügsamkeit der wilden Gesellen;
die Hauptsache dabei bleibt, daß Vater Bista nur an Feiertagen
redet, wenn er herausgeputzt in der Schenke sitzt. Die Woche
über schweigt er wie einer von denen, nach welchen er heißt,
und am Werktag würden zehn Krüge Wein ihn nicht zum
Reden bringen, wie mannigfache Versuche bereits gelehrt haben.
Mithin erhöht die Seltenheit den Werth des Genusses. Und
die Hörer schweigen um so williger, als sie wissen, daß der
Alte, einmal unterbrochen, für denselben Tag ganz und gar
verstummt.
Ein Reisender, der zufällig das Vergnügen genoß, die
Unterhaltung in der Haideschenke zu theilen, hat die nachfolgen-
den einfachen Geschichtchen des Husaren von ehedem ausgezeichnet,
wie sie hier folgen.
Wohlverstanden: es ist Törok Bista in eigener Person,
welcher jetzt zu reden beginnt.

Hängen und Freien ist Geschick. Wer gehenkt werden
soll, ersauft nicht, und gegen den Galgen hilft kein Panzer.
Mir ist das Heiraten schon mehr als einmal verdammt nah-
gestanden, und doch bin ich immer durchgekommen, und dafür
ist mein Bruderherz gehenkt worden, wie er sich's am wenigsten
versah. Ich hätte mein Schicksal verdient gehabt und doch
blieb ich verschont; er aber hatte den Strick eigentlich nicht
verdient, denn was er gefehlt, war kaum der Mühe werth.
Ihr werdet's hernach schon selber merken, wenn wir d'raus
kommen. Vorher habe ich noch etwas anderes zu erzählen von
einem, der auch unversehens d'ran glauben mußte.
Wir lagen zu Feld gegen die Türken. Aber weil's just
Winterszeit war, ließen wir ihn in Ruhe. Dem Feind war's
eben auch recht, und er gab Frieden. Der gemeine Mann
kam zum Bauern in's Quartier, der Stab in die Stadt. Das
nennt man bei den Husaren Stabsort. Die Herren Rittmeister
und Lieutenants reiten fleißig hin, um sich zu unterhalten, der
Mann wird zum Dienst commandirt und unterhält sich auch.

des alten Bista.
Der Herr Oberst wohnte beim Stuhlrichter, der Herr Obcrst-
lieutenant beim Fiscal, der Herr Oberstwachtmeister beim Kauf-
mann. Die drei waren gar gute Freunde. Alle Abend kamen
sie zusammen beim Herrn Obersten, um ein Kartenspiel zu
spielen, wozu ihrer vier gehörten. Ich weiß nicht, wie sie's
heißen. Der vierte Mann dazu war vor dem Feind geblieben.
Aber der Stuhlrichter wußte Rath. Sein Hauslehrer verstand
das Spiel und trat für den Rittmeister Paplovich ein. Mit
selbigem Hauslehrer hatte es eine ganz eigene Bewandtnis. Er
hieß Müller-Toni und war aus dem Reich daheim, hatte auf
einigen Schulen bis an den Hals studirt, war dann mit einem
Cavalicr nach Ungarn gekommen und hatte in trunkenem Mnthe
einen Szekler erstochen, der ihn durchwichsen wollte. Er war
dafür zum Tode verurtheilt. Der Stuhlrichter beeilte sich nicht
mit dem Vollzug. Warum? Darum. Der Müller gab den
Buben des gnädigen Herrn Unterricht und war ein Hauslehrer,
der nichts kostete. Jetzt kam dazu, daß er sich auch sonst noch
nützlich machte, indem er den Herren Offizieren spielen half.
Sie hatten ihn alle sehr gern, und der Herr Oberst schrieb an
seinen Vetter nach Pest, er möge sich in Wien um eine Be-
gnadigung verwenden.
Zu selbiger Frist lag im Comitatshause noch eine Person
auf den Tod gefangen. Sie wurde auch Toni gerufen, hieß
ebenfalls Müller zum Geschlecht und war von Linz in Oesterreich
gebürtig. Eine bessere Köchin wie die Müller-Toni hat's nie,
gegeben. Aber ihrem Meister hatte sie gar zu gut gekocht und
zur Paprika sonst noch etwas in's Gulyasfleisch gethan. Der
alte Junggcsell lebte gar zu lang, nachdem er ein Testament
für die Toni gemacht, sie aber wollte ihren Schatz bald heiraten.
Die enterbte Freundschaft deckte den Hafen auf und die allzu-
geschickte Köchin kam in des Teufels Küche. Doch auch sie
machte sich nützlich im Hause. Sie diente dem Herrn Stuhl-
richter ohne Lohn und sonst zu seiner »ollsten Zufriedenheit.
Er selbst aß nichts lieber als etwas recht Gutes. Dem Herrn
Obersten ging's ebenso. Die Herren Stabsoffiziere kamen öfters
in jeder Woche zu Tisch. Sonntags und Donnerstags wurden
auch noch die Herren Auditeurs, Aerzte und ein paar Offiziere
von den Dörfern eingeladen. Und alle priesen einmüthig die
erlesene Kunst der Giftmischerin. Um ihre Begnadigung aber
hat dennoch keiner geschrieben.
Der Scharfrichter hatte seit Jahr und Tag schon mehrfach
beim Stuhlrichter angefragt, wie's mit der Vollstreckung sei?
Auch die Bürger murrten. Zwei Armesünder, sagten sie, stäcken
im Käfig, und der Stuhlrichter müsse doch wenigstens einen
abthun lassen zur Ergötzlichkeit gesummter Bürgerschaft wie zur
Beförderung der Nahrung. Namentlich meinten Wirthe, Fleisch-
hacker und Bäcker, daß ihnen so zu sagen das Geld aus dem
Sack gestohlen werde. Wenn's nämlich eine Hinrichtung gäbe,
erklärten sie, so ströme ein ungeheures Mcnschenspiel zusammen,
und kein Fremder komme, der nicht seine steife Maß tränke,
seine Wurst und ein Stück Brod äße. Vollends toll werde es
Herzchen, wenn ein Weibsbild abgethan würde; mit dem
Mannsbild könne man dann allenfalls zuwarten.
Eines schönen Tages kamen Abgeordnete der Bürgerschaft
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