Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
s

136 Herrn Graf's Tagebuch über e
seit acht Tage noch wie Blei in die Fiße fihle. Ich sollte
! nämlich eine Familiche misslichen, die in der Alservorstadt Num-
mer 291 wohnen thäte. Wo ich nun schon dachte: Nummer
291 da brauchst du nur zu suchen wie bei uns in Pirne,
wo alles nach die Reihe steht. — Aber hierdarin hatte ich
mich sehr gewischt. Ich war schon gans vergnigt wie ich
Nummer 281 gefunden hatte, welches ans die Hanbtstraße
lag, aber oh weh! 282 lag nicht etwa daneben, sondern nach
einstindliches Suchen fand ich es ans die Währingerstraßc;
nun fehlte mir aber 283, das wieder eine halbe Stunde weit
ans die Bergstraße liegt. 284 war aber auch nicht hierda-
neben, sondern in die drei Mohrengasse, wo auch wirklich
285 zu finden war. Nun dachte ich schon: jetzt geht es in
die Reihe fort, aber nein! 286 war wieder hier nicht aufzu-
finden , sondern dieses lag in die Thurmgasse, wo ich mich
wieder nach 287 in die Kochgasse durchforschen mußte. Hier
stand mir schon der Schweis vor die Stirn, weil ich nur an
diese sieben Nummern finf Stunden gelaufen war, welches
freilich besser für den Magen, als wie für die Beine ist.
Nachdem ich mich in die Kochgasse etwas erfrischt hatte, suchte
ich weiter und fand Nummer 288 endlich in die Fuhrmanns-
gasse; nach wieder eine Stunde kam ich in die Henergasse wo
289 stand und ich war schon vergnigt, daß ich endlich in
die Berggasse Nummer 290 erblickte, ivo es doch nun gewiß
auch gleich 291 vielleicht geben Wirde. Aber ach, oh nein!
Es war wieder Essig und nach undenkbarlichte Mihe fand ich
gans erschöbft und schon in der Dunkelheit Nummer 291 in die
Quergasse. Hier sank ich aber fast ohmächtig hin und fragte
mit halbtodter Sbrache nach der Familiche, die ich suchen
that. — Aber oh Schrecklichkeit! Sie waren ausgezogen!
Doch wußten es die Leute nicht einmal, ob sie in die Sauer-
i krautsgasse, oder hinein in die Stadt in den „Stoß in
! den Himmel" wohnten. (Welches doch ein sehr sündhafter
Name für eine Straße ist und dürften wir in Pirne so etwas
gar nicht wagen, nicht einmal einen „Stoß in die Hölle,"
weil man jetzt iberhaupt bei uns nicht weis, woran man mit
! den Herr Teifel ist.) — Diese Nebenbemerkung machte ich
: aber damals nicht, sondern ich fiel ohne Besinnlichkeit
l in Nummer 291 auf die Treppe hin und hatte nur noch
: so viel Kräftigkeit, um einen anwesenden Fiacker meine Woh-
nung zu sage», wohin er mich dann als halbe Leiche glicklich
und wohlbehalten anbrachte. — Diese Hausnummereinrichtung
soll auch noch aus die alte Heidenzeit herrihren. Damals aber
haben auch die Herrn Heiden viel Zeit gehabt, etwas nach
die Hausnummer zu suchen. Jetzt ist aber die Zeit Geld
und noch dazu Sil b ergeld , also sollten sie diese alte Hei-
dengeschichte doch nun auch einmal ändern.
Ein andres Mal hatte ich einen Herrn ineinen Regen-
schirm oder vielmehr wie es hier Heist, mein Pariblüh geborgt,
wobei ich ihn gesagt hatte, daß ich es mir Morgen wollte sel-
ber in seiner Wohnung holen und ihn zugleich dabei besuchen.
Da sagte er wir, daß er Meier Heise und in das Freihans
auf die Wieden wohnte. — Wie ich nun hin komme, finde
ich wohl gleich das Freihaus, welches jedes Kind weis, aber

ine Reise nach Prag und Wien.
oh weh mir, dieses Haus war so groß wie gans Pirne, mit
die Vorstädte! lind da sollte ich nun Herrn Meiern finden!
Glicklicher Weise sah ich den Portgch, welchen ich darum fra-
gen that. Er nahm mich mit in seine Stube und brachte
ein Buch, welches fast so dicke war, wie ich und dann fragte
er, wie der Mann heisen thäte, den ich suchte, worauf ich
sagte: Meier heißt er. Da zuckelte freilich der Mann mit
den Ackseln und sagte: „Es wohnen in das Freihaus mehr
als zweitausend Menschen und darunter sind zweihundert acht
und zwansig Meiers; haben Sie kein besonders Kennzeichen
an ihren Herrn Meier? „Oh ja," sagte ich, „er hat mein
Pariblüh geborgt." „Dieses steht freilich nicht in mein Buch,"
sagte der Portgeh. „Er hat schwarze Haare," sagte ich weiter.
— „Schwarze Haare haben von die 228 Meier in das Frei-
haus 168," sagte der Portgeh. — „Er war auch ziemlich
dicke," sagte ich. — „Von die 168 schwarze Meiers sind
98 mager, 43 ziemlich dicke und 27 sehr dicke, sagte der
Portgeh. — „Er trägt eine Brille," sagte ich. — „Bon die
43 ziemlich dicken schwarzen Meiers in das Freihaus tragen
14 Brillen," sagte der Portgeh. „Es ist also wohl das
Beste, wenn Sie bei alle diese Vierzehn sich erkundigen. Zwei
wohnen im ersten Hof rechts, Stiege Nummer 3 im zweiten
Stock; einer im dritten Hofe links, Stiege 6 im dritten Stock;
zwei wieder im sechsten Hofe quer vor, Siege 9 im dritten
Stock; dann wohnt einer —" Hier aber fiel ich den Port-
geh in den Mund und sagte: „Oh, ich bitte recht sehre, be-
mihen Sie sich nicht weiter, denn da will ich doch lieber mein
Pariblüh einbiesen, als hier in das Freihaus unter die 228
Meier mir den richtigen auszusuchen, denn ich habe von die
Nummer 291 in die Alservorstadt gerade noch genug, und
kann sie noch immer nicht aus meine Beine herausbringen."
— Wodurch man sich vielleicht einen kleinen Begriff von so
ein groses Haus machen kann, welches mich um einen gans
neien grünseidnen Regenschirm gebracht hat.
Bon Geleerte, Dichter und andre Brifadbersohnen findet man
wie in Prag auch in Wien keine Denkmäler, weil wahrschein-
lich der Grund und Boten dazu so viel Geld kostet, daß man
die beriemten Leite deshalb lieber nicht in Brvnkse ansgiest oder
in Marmohr aushaut, wie in andre Städte. — Dahingegen
setzt man auf die Brunnen immer sehr schöne Figuren, wie
zum Beisbiel auf die Freiung, wo auf ein sehr kleines Posti-
mendchen die vier Flisse gans friedlich neben einander stehn
und sich gans gut zu vertragen scheinen. — Mit den Brun-
nen auf den neuen Markt ist dieses aber anders, denn da mis-
sen sich die vier Figuren wahrscheinlich gezankt haben, weil sie
sich gans bärbeisig auf den Rand gesetzt haben, und noch da-
zu jede auf eine andere Seite. Sie haben sich wahrscheinlich
vorher auch zusammen gestanden, wie die auf die Freiung, aber
es mus auch zuletzt sehr heftig unter ihnen zugegangen sein,
denn von diese Zeit her fehlt den einen alten Kerl noch die
Hand und er hat auch ein faustdickes Loch in die Hosen. Dieses
hat wahrscheinlich der junge Kerl gegeniber gethan, der sich
auch jetzt noch einer sehr unanstendigen Stellung befleisigt.
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen