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182 Der Fortschritt in der Jugendbildung re.

Mutter. „Aber, liebe Selma, Du hast so viele Anbeter,
wirst offenbar von mehreren wahrhaft geliebt und kannst Dich
noch immer nicht entschließen, dem Bevorzugten Deine Hand
j zu reichen! Wie soll das enden? ■— Wir haben so viel an
Dich gewendet, Du hast einen außerordentlichen Jugend-Unter-
richt genossen. Du bist, was man sagt, eine vollendete Welt-
j dame: so zeige doch nun auch, daß Du ein vorzügliches Weib
sein kannst!" —

Tochter. „Ach, liebste Mama, was ist Lieben, bitte, de-
1 stniren Sie mir den Begriff. — Sie sagten ferner, ich habe
einen glänzenden Jugend-Unterricht genossen; habe ich gerade
dcßwegen nicht andere Ansprüche zu machen, als die Magd
eines beliebigen Mannes zu werden? Sie wissen, wir find das
Gegentheil von dem, was man reich nennt; soll ich nun als
vollendete Weltdame einem unbegüterten Manne meine Hand
reichen? — Nimmermehr, sondern ich bin, wie alle Damen
von Welt, berechtigt zu verlangen, ein gänzlich ungenirtes und
sorgenfteies Leben zu führen — wer mir das bieten kann, der
ist mein Gemahl!" —

Wiederholtes Unglück durch Crenolinröcke.

Ein abermaliges Beispiel zur Warnung aller Pricstcrinncn dieser Mode.

Köln, 7. Dezember. Schon vielfach ist vor den Gefah-
ren gewarnt worden, welche durch das Ausströmen des Leucht-
gases entstehen; eine schreckliche Begebenheit, die sich heute Mor-
gen hier begab und die ganze Stadt in Bewegung setzt, weist
neuerdings wieder darauf hin. Heute kamen zwei reichgeklei-
dete junge Damen nach dem Hochamte aus dem Dome. Auf
dem Hofe angelangt, traten sie etwas seitwärts aus dem Men-
schenstrome, denn Fräulein Jda hatte dem Fräulein Emma eine
wichtige Mittheilung zu machen. Hier faßten sie gerade über
der Gasröhrenleitung Posto, traten sich so nahe, als es die von
den Crenolin-Unterröcken aufgebauschten Seidengcwänder nur
immer gestatteten, bogen sich zu einander hinüber und flüsterten
sich zu. Die Vorübergehenden machten sich Einer nach dem
Andern die Bemerkung: „Was riecht das hier nach Gas!"

aber Jda und Emma sahen und hörten und rochen nichts, denn.
Jda erzählte der Emma den Stand ihrer Liebesangelegenheit,
und wenn schon ein gelesener, erdichteter Liebesroman die Frauen
sehr zu fassen vermag, so darf es nicht wundern, wenn ein
selbst erlebter, warm vom Herzen durch den Mund ins Ohr
der Freundin gegossen, die ganze Aufmerksamkeit absorbirt.
Endlich war Jda dahinter gekommen, weßhalb Otto so ohne
alle Erklärung abgebrochen hatte; es war glücklicher Weise keine
Erkältung, sondern nur Eifersucht gewesen, er hatte sie für
untreu gehalten. Dieser hatte ihm jenes, und Jener ihm die-
ses in die Ohren geflüstert. Diese Geschichten führten dann
zu unangenehmen Erklärungen. Wiederholt bemerkten Vor-
übergehende den Geruch entweichenden Gases, Jda und Emma
sahen, hörten und rochen noch immer nichts. Jda fuhr unaufhörlich
fort zu erzählen, was sie geschrieben, und was er geschric-

Großes Unglück durch Crenolinröcke.

ben, was sie geantwortet und er geantwortet habe, und wie
denn nun zuletzt Alles zur vollständigen Aussöhnung geführt
habe; ihre Augen leuchteten, ihre Wangen glühten, ihr Busen
hob sich und ihr Seidenkleid bauschte sich höher. „Ach, Emma,"
rief sie entzückt aus, „ich fühle mich jetzt wieder so leicht, ich
möchte in die Lüste fliegen!"

„Ich glaube es! Ich fühle es mit Dir!" sagte Emma.
So sagte sie, aber sie glaubte doch nicht, was sie sagte; denn
mit einem Hellen Schrei erstarrte sie vor Staunen fast zu
Stein, als sich Jda jetzt wirklich vor ihren Augen zu erheben
begann, ohne daß diese im ersten Augenblicke es selbst noch be-
merkte, und sogar noch fortplauderte.

Auf einen Schreckensschrei der Jda aber faßte sich Emma
wieder, trat unter jene, hob sich auf den Zehen, und so
gelang es ihr eben noch, mit der rechten Hand einen Fuß
der Freundin zu erwischen, und diese so weit herab zu ziehen,
um sie mit beiden Händen fassen zu können. Mehr aber ver-
mochte sie nicht; es kam ihr vor, als ob es ihre Freundin mit
einer größeren Gewalt aufwärts trieb, während in Wahrheit
Emma wohl nur immer mehr Gegengewicht verlor.

Auf den Hilferuf beider Damen traten jetzt in einer
nahen Schnapsbude die Verehrer des Alkohols an die Fenster und
theilweise sogar vor die Thüre, aber nur um zu lachen, nicht
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Wiederholtes Unglück durch Crenolinröcke"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Gasleitung
Leck
Schrecken <Motiv>
Rock
Krinoline
Schweben <Motiv>
Spott
Karikatur
Frau <Motiv>
Damenmode <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 25.1856, Nr. 599, S. 182
 
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