Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3

Ein Weihn

gezittert, wie erbebten sie jetzt erst! der Sprung war verfehlt,
ihr Fuß glitt aus, rings im Kreise herum preßte sich ein
Angstschrei aus der Brust der erschreckten Menge. Die ver-
wegene Reiterin fiel! — aber nicht fiel sie hinab auf die
tödliche Kante der Barriere, oder unter des Rosses Hufe;
nein! sie fiel auf ein Knie gerade nach hinten aus den äußersten
Thcil des Pferdes. Und weit vorgebogen, um sich auf diesem

schmalen Stützpunkte zu balanciren, zog sie die Blumen zusam-
men um ihre schwarzen Locken, und-ihr Gesicht, — war es
von Schrecken, oder von Freude über den errungenen Triumph,
— das war von Heller Glnth übcrgossen, so daß es aussah,
als habe die Morgcnröthe des Frühlings dem Mädchen ihren
Glanz geliehen, damit es so ganz einer Königin der Blumen
gleiche.

Ein stürmischer Applaus machte jetzt der Beklemmung
Lust, die einige Augenblicke lang das Aufathmen nickt mehr
zugclasscn hatte. Blumen flogen von allen Seiten her in den
Kreis. Mit leichtem Schwünge war Kathinka vom Pferde.
Einer der Stallmeister überreichte ihr die schnell vom Boden
aufgelesenen Sträuße; sie drückte dieselben, die sic kaum in
einer Hand fassen konnte, mit der Pantomime innerlicher
Dankbarkeit an die Brust, warf dann mit graziöser Leichtigkeit
eine Kußhand nach Rechts, eine nach Links, und — war ver-
schwunden. Aber dennoch hatte der Applaus kein Ende. Eine
Menge Cavalcric-Offiziere klatschte noch unaufhörlich in die
Hände und stampfte dazu, daß die Sporen klirrten. „Herrlich!
herrlich!" riefen sie ein Mal über das andere Mal. Entfernt
davon jedoch, aus einem der bescheideneren Plätze, stand ein
alter Wachtmeister, der den Vater der jungen Kunstreiterin

ach tsabend.

noch bei Lebzeiten sehr wohl gekannt hatte; ihm war eine
Thräne in's Auge gedrungen vor Lust, das Mädchen so zu
sehen und er konnte sich nicht enthalten, laut in die Menge
hinaus zu rufen! „Mein Gott! ist das eine göttliche
Zwiebel!"

Der Graf saß allein in der Loge, die er ganz für sich
gcmiethet hatte, und er wischte sich von der Stirne die Schweiß-
tropfen ab, welche ihm bei der gefahrvollen Seene von allen
Seiten herausgebrochcn waren. Wenige Augenblicke vergingen,
und wie von einem Zauber verwandelt, trat nun die Ge-
feierte in einem einfachen, weiblichen Anzuge herein zu ihm
und warf sich nachlässig an seiner Seite auf einen Stuhl nie-
der. Mit gekreuzten Beine» saß sie dort und langte aus den
Taschen ihrer Schürze ein Paar Hände voll Nüsse hervor, die
sie in ihren Schooß legte. Die Schalen krachten zusammen
zwischen ihren Fingern, denen trotz aller Zartheit solche Kraft-
Anstrengung nur Spielerei war, und geschäftig, wie eine
kleine Eichkatze, klaubte sie die Kerne zusammen bis auf das
kleinste Stückchen.

Als unterdessen eine neue Scene begonnen hatte und
alle Blicke erwartungsvoll auf das Spiel gerichtet waren, da
strich der Gras seiner jugendlichen Nachbarin das weiche,
glänzende Haar von der weißen Stirne und freundlich hob
sie ihr Köpfchen zu ihm empor und ihn zutraulich anblickend
mit ihren großen, schwarzen Augen, sprach das Mädchen in
kindlichem Tone: „Seh'n Sie, Herr Graf, das ist mein deli-
katester Schmaus! Schon als Kind Hab' ich nichts lieber ge-
gessen , als Nüsse. Sie können mir's glauben," fügte sie
schelmisch bei, „lieber einen Kuß, wenn es sein müßte, gäbe
ich her, als so eine Nuß mit einem vollen, guten Kerne!"

Dem Grafen war diese Unterhaltung nicht in Vergessen-
heit gerathen. Er hatte bei einem Konditor ein niedliches
Körbchen Herrichten lassen, dessen Rand im Innern einen kleinen
Früchtckranz umschloß. Die leere Stelle in der Mitte dieses
Kranzes hatte der Graf selbst mit einem Berge von schön ver-
goldeten Nüssen ausgefüllt. Das Ganze war in einen großen
Bogen Papier eingeschlagen worden, und als der Weihnachts-
Abend herangckommen, hatte er seinen Bediente», den Mr.
Jean, wie bereits erwähnt, das Packet zur Ueberbringung an
die kleine liebenswürdige Kathinka Bulbo übergeben.

Dieser Name machte dem guten Mr. Zean außerordent-
lich viel zu schaffen; er fühlte wohl, daß derselbe gar nicht
recht Platz greifen wolle in seinem Gedächtnisse, und, nach-
dem er sich eilig aus den Weg gemacht hatte, sagte er ihn
deshalb immer noch leise für sich her, so wie es die Kinder
zu thun pflegen, wenn sie etwas nicht vergessen wollen. „Ka-
dika Bulljon! Kadika Bulljon!" wiederholte er in Einem fort
auch dann noch, als er bereits in die Nähe des Christmarkts
gekommen war.

(Schluß in nächster Nuinmer.)

1*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ein Weihnachtsabend"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Pferd <Motiv>
Artistin
Reiterin
Karikatur
Zirkus
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Kunstreiterin

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 34.1861, Nr. 809, S. 3
 
Annotationen