46 W einhändler Ur gemein und sein Sohn.
W. U.: „Seh'n Sie, Herr Doktor, es ist zum Stau-
nen, was diese moderne Gegenwart für Talente erzeugt.
Wenn ich daran denke, was wir Väter in unsrer Kindheit
für Stockfische waren gegen die Buben da, die uns der
Fortschritt des 19. Jahrhunderts schenkt!"
Doktor: „Sie haben da einen recht intelligenten Jun-
gen, wie alt ist er?"
W. U.: „Er ist noch keine 12 Jahre alt und weiß
doch 12 mal 12 Prozent mehr als sein Vater, der ich zu
sein wohl die Ehre habe, jemals gewußt hat. Man müßte
sich schämen, wäre man nicht der Vater seinerseits selbst —
so aber, sage ich Ihnen, scheint es mir erlaubt, in persön-
licher Satisfaktion wahrhaft elterlich auszuhüpfen."
Doktor: „Sie wünschen wohl, daß ich den Kleinen
etwas er a mini re, weither Freund!"
W. U.: „Ach ja, gewiß! In allen Fächern, sogar in
dem meiner Frau, hätte ich fast gesagt. Machen Sie nur,
daß ich nicht ganz außer mich gerathc. Arthur ist Muster-
knabe!"
Doktor: „Nun, lieber Arthur, willst Du mir einige
Fragen beantworten?"
Arthur: „Genehmigen Sie, verehrter Herr, meinen
ergebensten Dank für die Ehre, welche Sie dem Sohne des
besten der Väter zu erweisen sich das Vergnügen zu gewäh-
ren inr Begriffe stehen."
Doktor: „Herrlich. Nun, lieber Arthur, Du hast ja
gewiß große Fortschritte in der Phhsik gemacht? Was ver-
steht man denn unter — spezifischem Gewicht?"
Arthur: „Spezifisches Gewicht ist, wenn man zum
Beispiel einen Hund oder Gegenstand in das Wasser wirft
und alsdann den leeren Raum wiegt, welchen dieser projek-
tirte Körper verdrängt."
W. U.: „Nun, Herr Doktor, was sagen Sie jetzt?"
Doktor: „Da will ich nur gleich weiter fragen, um
meine sonst kostbare Zeit zum kostbarsten Vergnügen zu ver-
wenden. Was ist, Arthur, ein guter Wärmeleiter?"
Arthur: „Ein guter Wärmeleiter ist ein mit Stroh
umwickelter Brunnen, welcher im Winter und Sommer gutes,
trinkbares Wasser enthält."
Doktor: „Und ein schlechter?"
Arthur: „Ein schlechter Wärmeleiter ist ein von der
Sonne beschienenes Stück Eisen, dessen Grundfläche sich
einem nahen Gegenstände mittheilt. Nicht wahr —?"
® öfter: „Nun — so — ja — aber vielleicht doch
umgekehrt. Nicht wahr?"
Arthur: „Versteht sich, natürlich. Ein schlechter
Wärmeleiter ist eigentlich ein guter. Der Papa verwirrt
mich ganz mit seinem dummvergnügten Gesicht."
W. U.: „O, er weiß Alles!"
Doktor: „Was ist denn ein Komet?"
Arthur: „Ein Komet ist eine mit einem Lichtschweifc
behaftete abergläubische Erscheinung."
Doktor: „So zu sagen. — Was versteht man unter
einem Wiederkäuer?"
Ein Tag aus dem Familienleben rc.
Arthur: „Das ist ein mit vier Füßen und vier mit
denselben korrespondirenden Mägen umgebenes Säugethier,
welches seine eigene Nahrung von sich gibt und nochmals
ohne Schneidezähne zermalmt."
W. U.: „Und wie rapid er das Alles hersagen kann!"
Doktor: „Was versteht man unter einem Amphi-
b ium?"
Arthur: „Ein Amphib ist ein kaltblütig sowohl auf
dem Lande als in der Stadt lebendes Reptil oder Krokodill
mit Eiern."
W. U.: „Delikat!"
Doktor: „Nicht wahr, Du lernst jetzt auch deutsche
Literaturgeschichte?"
Arthur: „Ergebenster Diener, wir repetiren gerade
die gothischen Frackmomente (Fragmente?), welche der ostro-
gothische Bischof Ulphylar d. h. Wölfchen mit Silberborten
herausgegeben hat."
Doktor: „Aha, der silberne Coder von Upsala. Weißt
Du auch, wer das Nibelungenlied gemacht hat?"
Arthur: „So lächerlich es ist, einen Homer anzu-
nehmen, der den Homer und die Jliade verfaßt hat, ebenso
ausgemacht ist es unter uns Gelehrten, daß kein Mensch
das Nibelungenlied gemacht hat."
Doktor: „Sondern?"
Arthur: „Es ist rhapsodisch entstanden — lauter
fliegende Blätter."
W. U.: „Das scheint so nach dem Rapskomment zu-
sammengekommen zn sein, wie die Herren Studenten sagen?"
Arthur: „Allerdings."
W. U.: „Nu, nu, Doktorchen, schwindelt Ihnen nicht?"
Doktor: „Allerdings."
W. U.: „Ganz wie der Markeur Posa sagt: Da steh'
ich in meinem Nichts durchbohrenden Gefühle."
Arthur: „Entschuldigen, Papa, es heißt: In meines
Nichts durchbohrtem Gefühle. Allerdings eine etwas eigen-
sinnige Sonderbarkeit unsres Schiller. Man würde sich jetzt
besser ausdrücken."
Doktor: „Gehorsamster Diener!" (ab).
Ein Tag aus dem Familienleben des Herrn
Nockelhuber auf Brummelsburg.
(Schluß)
„Eine schöne Wohnung haben wir, zahlt man 300 fl.
und hat kein Fleckel, wo man sich ruhig hinsetzen kann." (Er
trollt ab und will nun im Lehnsessel seiner Frau ein Mit-
tagsschläfchen halten. Eben ist er eingeschlummert! Aber o
weh! Im Nebenzimmer steht das Klavier, die kleine Mina
ahnt nicht, daß der Papa heut wo anders schläft und fängt
an einige Dutzendmale die Skala zu spielen. Der schlum-
mernde Löwe Nockelhuber wird durch diese Töne zum furcht-
barsten Grimme geweckt.) „Mina! — Teufel — lind!
Hörst Du auf der Stell' Dein verdammtes Geklimper auf
oder ich helf' Dir 'naus." — Mina hat sich aber bereits
selber 'nausgeholfen, denn während Herr Nockelhuber zur einen
W. U.: „Seh'n Sie, Herr Doktor, es ist zum Stau-
nen, was diese moderne Gegenwart für Talente erzeugt.
Wenn ich daran denke, was wir Väter in unsrer Kindheit
für Stockfische waren gegen die Buben da, die uns der
Fortschritt des 19. Jahrhunderts schenkt!"
Doktor: „Sie haben da einen recht intelligenten Jun-
gen, wie alt ist er?"
W. U.: „Er ist noch keine 12 Jahre alt und weiß
doch 12 mal 12 Prozent mehr als sein Vater, der ich zu
sein wohl die Ehre habe, jemals gewußt hat. Man müßte
sich schämen, wäre man nicht der Vater seinerseits selbst —
so aber, sage ich Ihnen, scheint es mir erlaubt, in persön-
licher Satisfaktion wahrhaft elterlich auszuhüpfen."
Doktor: „Sie wünschen wohl, daß ich den Kleinen
etwas er a mini re, weither Freund!"
W. U.: „Ach ja, gewiß! In allen Fächern, sogar in
dem meiner Frau, hätte ich fast gesagt. Machen Sie nur,
daß ich nicht ganz außer mich gerathc. Arthur ist Muster-
knabe!"
Doktor: „Nun, lieber Arthur, willst Du mir einige
Fragen beantworten?"
Arthur: „Genehmigen Sie, verehrter Herr, meinen
ergebensten Dank für die Ehre, welche Sie dem Sohne des
besten der Väter zu erweisen sich das Vergnügen zu gewäh-
ren inr Begriffe stehen."
Doktor: „Herrlich. Nun, lieber Arthur, Du hast ja
gewiß große Fortschritte in der Phhsik gemacht? Was ver-
steht man denn unter — spezifischem Gewicht?"
Arthur: „Spezifisches Gewicht ist, wenn man zum
Beispiel einen Hund oder Gegenstand in das Wasser wirft
und alsdann den leeren Raum wiegt, welchen dieser projek-
tirte Körper verdrängt."
W. U.: „Nun, Herr Doktor, was sagen Sie jetzt?"
Doktor: „Da will ich nur gleich weiter fragen, um
meine sonst kostbare Zeit zum kostbarsten Vergnügen zu ver-
wenden. Was ist, Arthur, ein guter Wärmeleiter?"
Arthur: „Ein guter Wärmeleiter ist ein mit Stroh
umwickelter Brunnen, welcher im Winter und Sommer gutes,
trinkbares Wasser enthält."
Doktor: „Und ein schlechter?"
Arthur: „Ein schlechter Wärmeleiter ist ein von der
Sonne beschienenes Stück Eisen, dessen Grundfläche sich
einem nahen Gegenstände mittheilt. Nicht wahr —?"
® öfter: „Nun — so — ja — aber vielleicht doch
umgekehrt. Nicht wahr?"
Arthur: „Versteht sich, natürlich. Ein schlechter
Wärmeleiter ist eigentlich ein guter. Der Papa verwirrt
mich ganz mit seinem dummvergnügten Gesicht."
W. U.: „O, er weiß Alles!"
Doktor: „Was ist denn ein Komet?"
Arthur: „Ein Komet ist eine mit einem Lichtschweifc
behaftete abergläubische Erscheinung."
Doktor: „So zu sagen. — Was versteht man unter
einem Wiederkäuer?"
Ein Tag aus dem Familienleben rc.
Arthur: „Das ist ein mit vier Füßen und vier mit
denselben korrespondirenden Mägen umgebenes Säugethier,
welches seine eigene Nahrung von sich gibt und nochmals
ohne Schneidezähne zermalmt."
W. U.: „Und wie rapid er das Alles hersagen kann!"
Doktor: „Was versteht man unter einem Amphi-
b ium?"
Arthur: „Ein Amphib ist ein kaltblütig sowohl auf
dem Lande als in der Stadt lebendes Reptil oder Krokodill
mit Eiern."
W. U.: „Delikat!"
Doktor: „Nicht wahr, Du lernst jetzt auch deutsche
Literaturgeschichte?"
Arthur: „Ergebenster Diener, wir repetiren gerade
die gothischen Frackmomente (Fragmente?), welche der ostro-
gothische Bischof Ulphylar d. h. Wölfchen mit Silberborten
herausgegeben hat."
Doktor: „Aha, der silberne Coder von Upsala. Weißt
Du auch, wer das Nibelungenlied gemacht hat?"
Arthur: „So lächerlich es ist, einen Homer anzu-
nehmen, der den Homer und die Jliade verfaßt hat, ebenso
ausgemacht ist es unter uns Gelehrten, daß kein Mensch
das Nibelungenlied gemacht hat."
Doktor: „Sondern?"
Arthur: „Es ist rhapsodisch entstanden — lauter
fliegende Blätter."
W. U.: „Das scheint so nach dem Rapskomment zu-
sammengekommen zn sein, wie die Herren Studenten sagen?"
Arthur: „Allerdings."
W. U.: „Nu, nu, Doktorchen, schwindelt Ihnen nicht?"
Doktor: „Allerdings."
W. U.: „Ganz wie der Markeur Posa sagt: Da steh'
ich in meinem Nichts durchbohrenden Gefühle."
Arthur: „Entschuldigen, Papa, es heißt: In meines
Nichts durchbohrtem Gefühle. Allerdings eine etwas eigen-
sinnige Sonderbarkeit unsres Schiller. Man würde sich jetzt
besser ausdrücken."
Doktor: „Gehorsamster Diener!" (ab).
Ein Tag aus dem Familienleben des Herrn
Nockelhuber auf Brummelsburg.
(Schluß)
„Eine schöne Wohnung haben wir, zahlt man 300 fl.
und hat kein Fleckel, wo man sich ruhig hinsetzen kann." (Er
trollt ab und will nun im Lehnsessel seiner Frau ein Mit-
tagsschläfchen halten. Eben ist er eingeschlummert! Aber o
weh! Im Nebenzimmer steht das Klavier, die kleine Mina
ahnt nicht, daß der Papa heut wo anders schläft und fängt
an einige Dutzendmale die Skala zu spielen. Der schlum-
mernde Löwe Nockelhuber wird durch diese Töne zum furcht-
barsten Grimme geweckt.) „Mina! — Teufel — lind!
Hörst Du auf der Stell' Dein verdammtes Geklimper auf
oder ich helf' Dir 'naus." — Mina hat sich aber bereits
selber 'nausgeholfen, denn während Herr Nockelhuber zur einen