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Schiller's Nasc.
z und großmächtigeil regierenden Herren rein aus den Visagen weg-
j gcschoßcn, natürlich zum größten Aerger und Leidwesen des alten
Kastellans und Gärtners Hans Caspar, den Carl August
seiner Zeit zum provisorischen Hüter des ziemlich verlornen
Postens gesetzt. Die schlechten Zeiten gingen indessen glück-
licher Weise vorüber und das nicht allein für das Schlößchen
und seinen Kastellan, sondern auch für das ganze liebe
deutsche Vaterland, und etwelche Jahre, nachdem der nasen-
feindliche französische Kapitain den Schauplatz seiner unblutigen
und doch so grausamen Thaten verlassen, war es ruhig und
stille in dein Cromsdorfer Schlößchen und seinem Garten.
Sogar die verstümmelten Potentaten erhielten sich in einer
steinernen Ruhe und schienen durchaus nicht die geringste Lust
zu haben, ans Rache ein weniges zu spuken. Mit stummer
Verachtung bestraften sic die rohe Unbill, die sie durch ein
gewöhnliches Menschenkind an ihren Nasen hatten erdulden
müssen. Ja, die Ruhe, der Friede des schönen Fleckchens
Erde wäre vollkommen gewesen, wenn nunmehr nicht dann
und wann ein garstiges Rumoren in der Familie besagten Hans
Caspars stattgcfnnden. Das aber war leider also und hatte
folgende Ursache:
Ein Mitglied des regierenden Hauses hatte die Schlöß-
chen und Gärten Tiefurts und Cromsdorfö sehr in Assertion
genommen und bekümmerte sich selbst höchst angelegentlich
um deren Instandhaltung und Verschönerung. Allerlei Merk-
würdiges, Alterthümlichcs und Interessantes hatte jener
Prinz alldort zusammcngebracht und auf eine deu Sinnen
gar angenehme Art aufstellen lassen. Im Cromsdorfer
Schlößchen waren die größeren und schwereren Stücke, die
mehr zum Beschauen, denn zum Benutzen sich eigneten, unter-
gebracht worden. Da. waren alte düstere Gobelins, große
Porzellan-Aufsätze und Gruppen, dann ein gewaltiges Model
des großen RathhauseS von Amsterdam (der liebe Himmel weiß
wie dasselbe nach Thüringen verschlagen worden!), alte schwere
Möbel und verschiedene gewaltige Büsten großer Gelehrten
und Dichter und noch viele andere Merkwürdigkeiten und
Raritäten zu schauen und zu bewundern, und als Aufseher
dieser verschiedenartigen Schätze hatte der Prinz einen jungen
Invaliden des Namens Fritz ernannt. Derselbe war Anno
14 unter den Freiwilligen gewesen, die der Aufruf Carl
Augusts zusammengebracht, und hatte alsdann den Feldzug
tapfer mitgemacht, bis er bei der Zerstörung von Maubenge
unter den Augen seines Fürsten stark blessirt worden war.
Eine Kugel hatte ihm den linken Arm zerschmettert und als
Invalide war er zurück nach Weimar geschickt worden. Als
Lohn seiner Tapferkeit und als Entschädigung für den verlornen
Arm hatte dann der Prinz ihm den Posten eines Aufsehers
über seine gesammelten und noch zu sammelnden Kunstschätze
gegeben. Daß dieser neue Gewalthaber in dem alten Kastell
den gerechtesten Zorn und Aerger Hans Caöparö erregte,
bedarf wohl keiner weitern Darlegung. Der alte Gärtner
betrachtete den jungen einarmigen Mann als einen Eindringling
in sein Territorium und in seine Rechte, und widmete ihm
deshalb einen gründlichen Haß und seine ganze Verachtung.
Nicht also that indessen seine übrige Familie. Hans Caspar war
Wittwer, doch stand er keineswegs allein. Sein Weib hatte
ihm bei ihren Lebzeiten fünf Töchter bescheert, welche
Anno damals alle gar hübsche und mannbare Jungfrauen
waren. Die älteste derselben, Clärchen genannt, hatte an-
fänglich aufrichtiges Mitleiden mit dem verstümmelten, doch
sonst recht frischen und schmucken, sogar hübschen jungen
Manne gehabt, welches Gefühl jedoch, kaum in ihrem Herzen
heimisch, auf eigenen Antrieb und zugleich, gedrängt von den
Bemühungen des neuen Aufsehers, seiner Schwester, der Liebe,
vollständig Platz gemacht hatte. Hans Caspar war in eine
außerordentliche, gerechte Aufregung, in eine gelinde Wuth
gcrathen, als er solches, in seinen Augen sträfliche und un-
erlaubte Einverständniß gemerkt. Hatte er doch schon im Stillen
dieses sein ältestes Töchterchen, das hübsche Clärchen, dem einzigen
Sohne des Ticfurter Hofgärtncrs, welcher den schönen Titel:
„Park-Inspektor" führte, und unter dessen Botmäßigkeit Hans
Caspar stand, zugedacht, sah er das Mädchen doch schon
im Geiste als wirkliche Frau Hofgärtuerin in der schmucken
Wohnung des herrlichen Ticfurter Schlößchens.
Besagte Titel hatten es vorzüglich dem Alten angethan,
denn Hans Caspar hatte nur ein Ziel, ein Streben, nur
einen Wunsch, ein wirkliches Hofämtchen mit Rang und
Titel, entweder für sich oder für ein Glied seiner Familie
zu erlangen. Obschon so ziemlich mit Geld und Gut ge-
segnet, ging ihm doch eine solche Würde über Alles. Durch
die projektirte Heirath konnte er sic erlangen, und nun sollte
diese schöne, sein ganzes Herz labende Aussicht, durch die
unerklärliche, unerlaubte Neigung des Mädchens zu dem ein-
armigen, armen Teufel, der ihn noch dazu ans seiner Stell-
ung drängen zu wollen schien, zu Grunde gerichtet werden!
Ursache genug,, um darüber in allerschönster Form ans der
Haut zu fahren. Solches geschah denn auch des öfter», was
jedesmal ein gewaltiges Donnerwetter zur Folge hatte, welches
die Ruhe, den Frieden der Familie Hans Caspars, sowie
des Cromsdorfer Schlößchens, in bedenklicher Weise unter-
brach, die beiden Leutchen jedoch nicht im mindesten abhiclt,
sich insgeheim nach wie vor zu lieben und sogar des väter-
lichen Brummens und Scheltcns, Donncrns und Wetterns,
so viel als nur immer der Respekt erlaubte, zu lachen.
Doch nichts hat Bestand auf dieser armen Welt und
so sollte denn auch in diesen, für die Betheiligtcn immerhin
unerquicklichen Zuständen eine Aenderung eintreten, und da
es halt nicht schlimmer noch schlechter werden konnte, als es
eben war, so mußte es natürlich — besser werden.
Der junge fürstliche Protektor der Verschönerungen und
Verbesserungen der beiden benannten Orte beschloß eines
Tageö eine eingehende Besichtigung der ausgeführten Arbei-
ten, des Zustandes der beiden Schlößchen und ihrer Inhalte,
sowie der beiden Gärten vorzunehmen. In Begleitung eines
Ober-Domänen-Rathes und des Hof-Garten-Vorstandes fuhr
derselbe an einem schönen Frühlingstage nach Tiefurt, allwo
er gebührendermaßen von dem Park-Inspektor und Hofgärtner
empfangen und hernmgeführt wurde, wobei Letzterer durch-
Schiller's Nasc.
z und großmächtigeil regierenden Herren rein aus den Visagen weg-
j gcschoßcn, natürlich zum größten Aerger und Leidwesen des alten
Kastellans und Gärtners Hans Caspar, den Carl August
seiner Zeit zum provisorischen Hüter des ziemlich verlornen
Postens gesetzt. Die schlechten Zeiten gingen indessen glück-
licher Weise vorüber und das nicht allein für das Schlößchen
und seinen Kastellan, sondern auch für das ganze liebe
deutsche Vaterland, und etwelche Jahre, nachdem der nasen-
feindliche französische Kapitain den Schauplatz seiner unblutigen
und doch so grausamen Thaten verlassen, war es ruhig und
stille in dein Cromsdorfer Schlößchen und seinem Garten.
Sogar die verstümmelten Potentaten erhielten sich in einer
steinernen Ruhe und schienen durchaus nicht die geringste Lust
zu haben, ans Rache ein weniges zu spuken. Mit stummer
Verachtung bestraften sic die rohe Unbill, die sie durch ein
gewöhnliches Menschenkind an ihren Nasen hatten erdulden
müssen. Ja, die Ruhe, der Friede des schönen Fleckchens
Erde wäre vollkommen gewesen, wenn nunmehr nicht dann
und wann ein garstiges Rumoren in der Familie besagten Hans
Caspars stattgcfnnden. Das aber war leider also und hatte
folgende Ursache:
Ein Mitglied des regierenden Hauses hatte die Schlöß-
chen und Gärten Tiefurts und Cromsdorfö sehr in Assertion
genommen und bekümmerte sich selbst höchst angelegentlich
um deren Instandhaltung und Verschönerung. Allerlei Merk-
würdiges, Alterthümlichcs und Interessantes hatte jener
Prinz alldort zusammcngebracht und auf eine deu Sinnen
gar angenehme Art aufstellen lassen. Im Cromsdorfer
Schlößchen waren die größeren und schwereren Stücke, die
mehr zum Beschauen, denn zum Benutzen sich eigneten, unter-
gebracht worden. Da. waren alte düstere Gobelins, große
Porzellan-Aufsätze und Gruppen, dann ein gewaltiges Model
des großen RathhauseS von Amsterdam (der liebe Himmel weiß
wie dasselbe nach Thüringen verschlagen worden!), alte schwere
Möbel und verschiedene gewaltige Büsten großer Gelehrten
und Dichter und noch viele andere Merkwürdigkeiten und
Raritäten zu schauen und zu bewundern, und als Aufseher
dieser verschiedenartigen Schätze hatte der Prinz einen jungen
Invaliden des Namens Fritz ernannt. Derselbe war Anno
14 unter den Freiwilligen gewesen, die der Aufruf Carl
Augusts zusammengebracht, und hatte alsdann den Feldzug
tapfer mitgemacht, bis er bei der Zerstörung von Maubenge
unter den Augen seines Fürsten stark blessirt worden war.
Eine Kugel hatte ihm den linken Arm zerschmettert und als
Invalide war er zurück nach Weimar geschickt worden. Als
Lohn seiner Tapferkeit und als Entschädigung für den verlornen
Arm hatte dann der Prinz ihm den Posten eines Aufsehers
über seine gesammelten und noch zu sammelnden Kunstschätze
gegeben. Daß dieser neue Gewalthaber in dem alten Kastell
den gerechtesten Zorn und Aerger Hans Caöparö erregte,
bedarf wohl keiner weitern Darlegung. Der alte Gärtner
betrachtete den jungen einarmigen Mann als einen Eindringling
in sein Territorium und in seine Rechte, und widmete ihm
deshalb einen gründlichen Haß und seine ganze Verachtung.
Nicht also that indessen seine übrige Familie. Hans Caspar war
Wittwer, doch stand er keineswegs allein. Sein Weib hatte
ihm bei ihren Lebzeiten fünf Töchter bescheert, welche
Anno damals alle gar hübsche und mannbare Jungfrauen
waren. Die älteste derselben, Clärchen genannt, hatte an-
fänglich aufrichtiges Mitleiden mit dem verstümmelten, doch
sonst recht frischen und schmucken, sogar hübschen jungen
Manne gehabt, welches Gefühl jedoch, kaum in ihrem Herzen
heimisch, auf eigenen Antrieb und zugleich, gedrängt von den
Bemühungen des neuen Aufsehers, seiner Schwester, der Liebe,
vollständig Platz gemacht hatte. Hans Caspar war in eine
außerordentliche, gerechte Aufregung, in eine gelinde Wuth
gcrathen, als er solches, in seinen Augen sträfliche und un-
erlaubte Einverständniß gemerkt. Hatte er doch schon im Stillen
dieses sein ältestes Töchterchen, das hübsche Clärchen, dem einzigen
Sohne des Ticfurter Hofgärtncrs, welcher den schönen Titel:
„Park-Inspektor" führte, und unter dessen Botmäßigkeit Hans
Caspar stand, zugedacht, sah er das Mädchen doch schon
im Geiste als wirkliche Frau Hofgärtuerin in der schmucken
Wohnung des herrlichen Ticfurter Schlößchens.
Besagte Titel hatten es vorzüglich dem Alten angethan,
denn Hans Caspar hatte nur ein Ziel, ein Streben, nur
einen Wunsch, ein wirkliches Hofämtchen mit Rang und
Titel, entweder für sich oder für ein Glied seiner Familie
zu erlangen. Obschon so ziemlich mit Geld und Gut ge-
segnet, ging ihm doch eine solche Würde über Alles. Durch
die projektirte Heirath konnte er sic erlangen, und nun sollte
diese schöne, sein ganzes Herz labende Aussicht, durch die
unerklärliche, unerlaubte Neigung des Mädchens zu dem ein-
armigen, armen Teufel, der ihn noch dazu ans seiner Stell-
ung drängen zu wollen schien, zu Grunde gerichtet werden!
Ursache genug,, um darüber in allerschönster Form ans der
Haut zu fahren. Solches geschah denn auch des öfter», was
jedesmal ein gewaltiges Donnerwetter zur Folge hatte, welches
die Ruhe, den Frieden der Familie Hans Caspars, sowie
des Cromsdorfer Schlößchens, in bedenklicher Weise unter-
brach, die beiden Leutchen jedoch nicht im mindesten abhiclt,
sich insgeheim nach wie vor zu lieben und sogar des väter-
lichen Brummens und Scheltcns, Donncrns und Wetterns,
so viel als nur immer der Respekt erlaubte, zu lachen.
Doch nichts hat Bestand auf dieser armen Welt und
so sollte denn auch in diesen, für die Betheiligtcn immerhin
unerquicklichen Zuständen eine Aenderung eintreten, und da
es halt nicht schlimmer noch schlechter werden konnte, als es
eben war, so mußte es natürlich — besser werden.
Der junge fürstliche Protektor der Verschönerungen und
Verbesserungen der beiden benannten Orte beschloß eines
Tageö eine eingehende Besichtigung der ausgeführten Arbei-
ten, des Zustandes der beiden Schlößchen und ihrer Inhalte,
sowie der beiden Gärten vorzunehmen. In Begleitung eines
Ober-Domänen-Rathes und des Hof-Garten-Vorstandes fuhr
derselbe an einem schönen Frühlingstage nach Tiefurt, allwo
er gebührendermaßen von dem Park-Inspektor und Hofgärtner
empfangen und hernmgeführt wurde, wobei Letzterer durch-