Schiller's Nase.
aus nicht vergaß, alles das, was er gethan und auch nicht
gethau, in's beste, vvrtheilhafteste Licht zu setzen. Seine
Hoheit äußerten sich sehr zufrieden mit dem Wahrgenomme-
nen, konnten auch zufrieden sein, denn Schlößchen, Park und
Gatten waren in der That allerliebst — wie sie es heute
noch sind und zu erproben und sich augenscheinlich davon zu
überzeugen, es Jedermänniglich frei steht. — Hierauf bezüg-
liche gnädige Aeußerungen belohnten den Park-Jnspector und
Hofgärtner, und in bester Laune setzte der Fürst seinen Weg
der Ilm entlang fort nach dem zweiten Ziele seines Aus-
fluges, dem nahen Cromsdorf. Alldort war auch Alles auf's
Schönste zum Empfange des hohen Herrn vorbereitet, und
der Kastellan und Gärtner Hans Caspar stand am Thore
des Gartens in seinem besten Sonntagsstaate und freude-
strahlendem Gesichte. Letzteres erhielt nur dann und wann
einen recht sauren Anstrich, wenn es nämlich seinen Neben-
mann, den Aufseher des kleinen Museums, Fritz, erschauen
mußte, der seine alte Freiwilligeu-Uniform angezogen hatte
und ebenfalls gebührendermaßen den Prinzen, seinen Gönner,
erwartete. Der Soldatenrock stand dem jungen Manne recht
gut und der zerschossene Arm that seiner stattlichen Gestalt
durchaus keinen Abbruch, erhöhte im Gcgeutheil das wür-
dige Aussehen derselben bedeutend, wie sich besonders Clär-
chen ganz im Stillen eingestehen mußte und auch — gar
gerne eingestand. Endlich kamen die Herrschaften an. Der
Prinz, recht aufgeräumt, besichtigte das Schlößchen und seinen
bunten Inhalt und erfreute sich behaglich an dem bereits
Erworbenen; sodann beschritt er den Garten. Hier mußten
ihm ganz natürlich, bei dieser genauern Besichtigung, die
vielen nasenlosen Brustbilder der großmächtigen und hoch-
berühmten Männer aus alter und neuer Zeit auffallen.
Er konnte sich eines Lächelns nicht erwehren über die son-
derbare Idee, eine solche Menge fabelhafter Büsten in einer
Gartenmauer aufzustellen und ihnen die berühmtesten Namen
aller Völker und Zeiten beiznlegen. Wer hatte dieß erdacht
und vollbracht? — Er wußte es selbst nicht und hätte cs
doch gerade jetzt so gerne wissen mögen. Mit der Frage:
„Wann ist denn eigentlich das Cromsdorfer Schlößchen an
unser Hans gekommen?" wandte er sich alsbald an den
fürstlichen Ober-Domänenrath.
Derselbe, der alles Andere auf der Welt genauer zu
wissen schien, als gerade dieses, drehte sein etwas verblüfftes,
doch immerfort recht graziös lächelndes Gesicht dem Hof-
garten-Vorstand zu, von diesem, als etwas ganz Natürliches,
sich von selbst Verstehendes, eine Antwort erwartend. Doch
der Herr Hofgarten-Vorstand, anstatt zu antworten, fixirte
mit imponirendcr Haltung den Park-Jnspector, ihm mit
größter Ruhe und Unbefangenheit die Frage wiederholend:
„Nun, haben Sie es gehört, Herr Jnspector, wann ist Croms-
dors an daö fürstliche Haus gekommen?"
Der arme Park-Jnspector stand da wie vom Donner
gerührt, denn Aller Augen, natürlich die des Prinzen voran,
waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet, und er wußte nichts,
platterdings gar nichts zu sagen.
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Welche Verlegenheit, welche gräßliche Lage für einen Mann
seines Schlages, für einen fürstlichen Jnspector! Er konnte sich
doch unmöglich an den alten stupiden Hans Caspar, seinen
Untergebenen, um Beantwortung der kitzlichen Frage wenden?
Unaufhörlich verbeugte er sich gegen den Fürsten, allerlei mur-
melnd, was er wohl selbst nicht verstand. Doch endlich, da sich
Niemand in's Mittel zu legen schien, kehrte er maschinenmäßig
dem alten Gärtner sein Antlitz zu, ihn mit stummem, doch desto
grimmigerem Blicke ausfordernd, zu reden. Doch der alte ver- l
blüffte Hans Caspar wußte ebenfalls nicht zu antworten und j
hielt, wie der Herr Park-Jnspector, wie der Herr Hof- ;
garten-Vorstand und wie der Herr Ober-Domänenrath, sein >
Maul, und eine für die Betheiligtcn peinliche Pause entstand, i
Nur zwei Personen theiltcn das Unangenehme der Si-
tuation nicht, der Fürst, welcher innerlich herzlich über die !
Unwissenheit und Verlegenheit seiner Umgebung lachte, und
der junge Invalide Fritz. Letzterer trat denn auch nach
etwclchen Augenblicken keck vor, verbeugte sich vor dem hohen
Herrn und sprach: „Hoheit, dort an der Mauer des Schlosses ;
ist ein Wappen angebracht, welches nicht das unsrige ist, mit der j
Jahreszahl 1748. Daö Schloß kann demnach wohl nicht
gut vor jener Zeit an uns gekommen sein."
„Bravo!" rief der Prinz laut auflachend, „ganz richtig
geschlossen, mein tapferer und wackerer Historiograph. Hier
der Lohn für Deine Belehrung!" .fuhr er fort, indem er in
die Tasche griff und dem jungen Manne ein gclbglänzcndes
Geldstück in die Hand drückte, sodann aber seiner Begleitung
einen Blick zuwars, der deutlich genug seine Meinung über
deren tiefes Wissen in herrschaftlichen und lokalen Dingen
ansdrncktc. (Fortsetzung folgt.)
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aus nicht vergaß, alles das, was er gethan und auch nicht
gethau, in's beste, vvrtheilhafteste Licht zu setzen. Seine
Hoheit äußerten sich sehr zufrieden mit dem Wahrgenomme-
nen, konnten auch zufrieden sein, denn Schlößchen, Park und
Gatten waren in der That allerliebst — wie sie es heute
noch sind und zu erproben und sich augenscheinlich davon zu
überzeugen, es Jedermänniglich frei steht. — Hierauf bezüg-
liche gnädige Aeußerungen belohnten den Park-Jnspector und
Hofgärtner, und in bester Laune setzte der Fürst seinen Weg
der Ilm entlang fort nach dem zweiten Ziele seines Aus-
fluges, dem nahen Cromsdorf. Alldort war auch Alles auf's
Schönste zum Empfange des hohen Herrn vorbereitet, und
der Kastellan und Gärtner Hans Caspar stand am Thore
des Gartens in seinem besten Sonntagsstaate und freude-
strahlendem Gesichte. Letzteres erhielt nur dann und wann
einen recht sauren Anstrich, wenn es nämlich seinen Neben-
mann, den Aufseher des kleinen Museums, Fritz, erschauen
mußte, der seine alte Freiwilligeu-Uniform angezogen hatte
und ebenfalls gebührendermaßen den Prinzen, seinen Gönner,
erwartete. Der Soldatenrock stand dem jungen Manne recht
gut und der zerschossene Arm that seiner stattlichen Gestalt
durchaus keinen Abbruch, erhöhte im Gcgeutheil das wür-
dige Aussehen derselben bedeutend, wie sich besonders Clär-
chen ganz im Stillen eingestehen mußte und auch — gar
gerne eingestand. Endlich kamen die Herrschaften an. Der
Prinz, recht aufgeräumt, besichtigte das Schlößchen und seinen
bunten Inhalt und erfreute sich behaglich an dem bereits
Erworbenen; sodann beschritt er den Garten. Hier mußten
ihm ganz natürlich, bei dieser genauern Besichtigung, die
vielen nasenlosen Brustbilder der großmächtigen und hoch-
berühmten Männer aus alter und neuer Zeit auffallen.
Er konnte sich eines Lächelns nicht erwehren über die son-
derbare Idee, eine solche Menge fabelhafter Büsten in einer
Gartenmauer aufzustellen und ihnen die berühmtesten Namen
aller Völker und Zeiten beiznlegen. Wer hatte dieß erdacht
und vollbracht? — Er wußte es selbst nicht und hätte cs
doch gerade jetzt so gerne wissen mögen. Mit der Frage:
„Wann ist denn eigentlich das Cromsdorfer Schlößchen an
unser Hans gekommen?" wandte er sich alsbald an den
fürstlichen Ober-Domänenrath.
Derselbe, der alles Andere auf der Welt genauer zu
wissen schien, als gerade dieses, drehte sein etwas verblüfftes,
doch immerfort recht graziös lächelndes Gesicht dem Hof-
garten-Vorstand zu, von diesem, als etwas ganz Natürliches,
sich von selbst Verstehendes, eine Antwort erwartend. Doch
der Herr Hofgarten-Vorstand, anstatt zu antworten, fixirte
mit imponirendcr Haltung den Park-Jnspector, ihm mit
größter Ruhe und Unbefangenheit die Frage wiederholend:
„Nun, haben Sie es gehört, Herr Jnspector, wann ist Croms-
dors an daö fürstliche Haus gekommen?"
Der arme Park-Jnspector stand da wie vom Donner
gerührt, denn Aller Augen, natürlich die des Prinzen voran,
waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet, und er wußte nichts,
platterdings gar nichts zu sagen.
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Welche Verlegenheit, welche gräßliche Lage für einen Mann
seines Schlages, für einen fürstlichen Jnspector! Er konnte sich
doch unmöglich an den alten stupiden Hans Caspar, seinen
Untergebenen, um Beantwortung der kitzlichen Frage wenden?
Unaufhörlich verbeugte er sich gegen den Fürsten, allerlei mur-
melnd, was er wohl selbst nicht verstand. Doch endlich, da sich
Niemand in's Mittel zu legen schien, kehrte er maschinenmäßig
dem alten Gärtner sein Antlitz zu, ihn mit stummem, doch desto
grimmigerem Blicke ausfordernd, zu reden. Doch der alte ver- l
blüffte Hans Caspar wußte ebenfalls nicht zu antworten und j
hielt, wie der Herr Park-Jnspector, wie der Herr Hof- ;
garten-Vorstand und wie der Herr Ober-Domänenrath, sein >
Maul, und eine für die Betheiligtcn peinliche Pause entstand, i
Nur zwei Personen theiltcn das Unangenehme der Si-
tuation nicht, der Fürst, welcher innerlich herzlich über die !
Unwissenheit und Verlegenheit seiner Umgebung lachte, und
der junge Invalide Fritz. Letzterer trat denn auch nach
etwclchen Augenblicken keck vor, verbeugte sich vor dem hohen
Herrn und sprach: „Hoheit, dort an der Mauer des Schlosses ;
ist ein Wappen angebracht, welches nicht das unsrige ist, mit der j
Jahreszahl 1748. Daö Schloß kann demnach wohl nicht
gut vor jener Zeit an uns gekommen sein."
„Bravo!" rief der Prinz laut auflachend, „ganz richtig
geschlossen, mein tapferer und wackerer Historiograph. Hier
der Lohn für Deine Belehrung!" .fuhr er fort, indem er in
die Tasche griff und dem jungen Manne ein gclbglänzcndes
Geldstück in die Hand drückte, sodann aber seiner Begleitung
einen Blick zuwars, der deutlich genug seine Meinung über
deren tiefes Wissen in herrschaftlichen und lokalen Dingen
ansdrncktc. (Fortsetzung folgt.)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schiller's Nase"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Ratlosigkeit <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 38.1863, Nr. 921, S. 67
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg