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Reisegeschicke eines jungen Ehepaares.

noch am Aesthctischen Interesse und studirte fortwährend im
Vorüberfahren das Wienervolksleben. Auf dem jetzt ver-
schwindenden Glacis spielten zwei Knaben mit einer schwarzen
Katze Ballon. Dieses Stück Wienervolksleben drückte sich
deutlich auf seiner aufgeregten Physiognomie ab und gab
seinen blassen GesichtSzügcn eine höchst interessante Färbung.
Wir fuhren auf der Mariahilferhauptstraße ziemlich nahe an
der Vorstadt St. Ulrich vorbei, woselbst Kara Mnstapha
seinen Harem aufgeschlagen hatte. Leider sah ich nichts von
dieser interessanten Vorstadt, doch sagte mir ein Herr im
Omnibusse, daß man dort wenig Historisches bemerke und
gar nichts mehr von den Ueberresten des Harems sehe.
Aber meine Phantasie schwelgte dennoch in historischer Ertasc
und ich glaubte ziemlich deutlich in einer Seitenstraße den
schönen Nnreddin mit der schwarzen Mohrin Kut al Kulub
spazieren wandeln zu sehen. O Lconie! In Wien verschmilzt
das Nibelungische mit dem Türkischen in ein historisches
Ensemble. Es gibt nur a Kaiserstadt, es gibt nur a Wien,
wie die Volkssänger so bescheiden singen. Jetzt, o Leonic,
vernimm eine schauderhafte Geschichte, welche zugleich eine.
Episode aus meinem Leben bildet. Schönbrunn ist ein
magnifiques Sommerhaus, von welchem selbst der böse Na-
poleon der Premier behauptete, daß cs im wahrhaft kaiserlich-
königlichen Style erbaut sei. Wir besahen uns den entzückenden
Garten, bestiegen die Gloriette, von welcher wir entzückte
Blicke ans das Schloß, aus den Feengarken, ans das Häuser-
meer der Stadt, auf den Wald und die Flur, auf Hietzing
und Penzing und zuletzt ans das Ensemble der Umgebung
Wiens hinunterwarfen. Es ist wirklich ein besonders genialer
Gedanke gewesen, endlich einmal eine große Stadt in eine
schöne Gegend zu bauen. Warum hat man Berlin, München,
Augsburg, Nürnberg, Hamburg nicht an andere reizvollere
Gestade hingebaut? Das ist etwas, was ich gar nicht be-
greifen kann.

Mein engelguter Gatte war vergnügter als je. Er
lächelte stets schweigend vor sich hin und kaute an den Nägeln.
Meine Rosenwangen färbten sich höher, als ich so ganz
hingerissen die waldigen Berge und die weiten grünen Wiesen
bemerkte. Wir setzten uns aus eine Bank in einer Allee,
denn ich wollte nun den Mondschein genießen, welcher am
Himmel heraufzog. O Leonie! In Wien scheint der Mond
so ganz anders, als in Thalhcim! Er gießt ein milderes
Licht auf alle die Spaziergänger auö, welche der Kaiser-
stadt durch ihre späte Stunde einen schon so südlichen Ein-
druck aufdrücken. Wir schwelgten schweigend; mein Busen
schwoll und ich blickte sehnsüchtig im Kreise umher. Es war
außerhalb des Mondscheines schon ziemlich dunkel geworden
und eine köstliche Nachtluft kühlte meine brennenden Schläfe.

Eine Nachtigall schlug im Busche; — Nachtigallenschlag
und Liebe sind niemals .weit von einander entfernt. Mein
Herz glühte still und meine Seele wuchs gegen Himmel
empor. Was ist Ansehen, Ehre, Pracht und Glanz —
gegen Liebe ! Wasser gegen Gluthcnwcin, — trüber Schlamm
gegen die Quintessenz des berauschendsten Nektars!

Auf Miedersehn. 151

Ich hörte Geräusch und Tritte nicht ferne von mir,
und als ich schwärmerisch hinblickte, bemerkte ich zwei Personen,
verschiedenen Geschlechts, aus einer Seiteuallee treten und auf
einer Bank, wenige Schritte von uns, Platz nehmen. Der

Mond warf sein volles Licht auf diese beiden Gestalten, _

ich konnte sie daher genau wahrnehmen, — während wir im
Dunkeln saßen, und nicht gesehen werden konnten.

(Fortsetzung folgt.)

„Auf Wiedersehn!"

Abu e'l Hassan Ali, der der Sohn
Abdallah Elzaguni's war, berichtet
Ein rührend Märlein uns in schlichtem Ton,

Darum ich einem Mittelsmann verpflichtet,

Denn, wie Ihr wißt, versteh' ich nichts davon,

Was einer auf Arabisch sagt und dichtet. —

Es war einmal ein Mann, ein Muselmann,

Und eine Christin, die sein Herz gewann.

Er liebte sie so sehr, daß er beinah
Darüber den Verstand verloren hätte,

Bis er auf einmal sich gezwungen sah
Zu einer weiten Fahrt in ferne Städte,

Damit er, was jenseits von Afrika
Im Handel schwebte, vor Verlust errette.

Ein treuer Freund, der auch ein Eingeweihter
In jene Liebe war, war sein Begleiter.

Doch wie sich oft in einem fremden Land
Widrig verlängern solcherlei Geschäfte,

So ging's auch hier, und unser Moslem fand,

Daß eines Tages seine Leibeskräfte
Von schwerer Krankheit seien übermannt,

Die seines Lebens Rest an's Sicchbctt hefte.

„Mein lieber Freund," sprach er zu dem Entsetzten,
„Ich fühl' es wohl, nun ist Mathä am letzten.

„Ich werde sie, die meine Liebste war,

Nie wicderseh'n hienieden und cs lehren
Koran wie Bibel mich, daß ich sogar
Im Jenseits ihrer ewig muß entbehren,

Wenn ich als Muselmann zur Grube fahr',

Drum will ich mich zum Christenthum bekehren."

Er ward getauft, verseh'n und Mönche haben
In heil'gem Grund ihn feierlich begraben.

Der Freund fuhr heim und fand im Sterbebett
Die Christin und sie sprach: „Für dieses Leben,

Für jenes nicht, sagt' ich dem Freund' Valet,

Ich will ihn wicderseh'n und Zeugniß geben
Der Wahrheit: Gott ist Gott und Mahomcd
Ist sein Prophet!" Mit dieses Schwur's Entschweben
War sie dahin. Wir wollen ihre Seelen
Der Gnade des Allliebenden, empfehlen.

H. Hopfen.
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