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Aus dem Leben eines Kurzsichtigen.

des Himmels willen lassen Sie uns dem guten Vater den ge-
wohnten und ihm so unentbehrlichen Spaziergang nicht rauben,
und lieber — wieder ans Clavier gehen und die so grausam
unterbrochene, schöne Sonate beendigen."

„O um Alles nur jetzt nicht die Sonate pathetique
nach diesen scherzhaften nnd drolligen Auftritten! Dazu
paßt unsere Stimmung nicht mehr. Höchstens ein Paar
leichter gefälliger Lieder ohne Worte von Mendelssohn,
wenn."

Hier unterbrach sie sich zögernd.

„Nun welches wenn denn, schöne Nachbarin?" forschte
ich gespannt.

„Wenn Sie Ihre Geige holen und mir auch etwas
Vorspielen wollen!" antwortete sie zögernd.

„Woher wissen Sie denn," fragte ich, „daß ich zuweilen
auf meiner alten Fiedel kratze?"

„O!" erwiderte sie lebhaft, „ich höre Sic ja jeden
! Abend spielen, oft bis spät in die Nacht hinein, und habe
immer meine wahre Freude daran und jedesmal lebhaft be-
dauert, den schönen Tönen Ihrer Geige nicht näher zu sein."

„Gut! ich hole die Geige!" erwiderte ich; „aber ich
bin nur ein ganz gewöhnlicher Stümper," eile in der seligsten
Stimmung auf die nächste Thür zu, reiße sie auf und fahre
! mit dem Kopfe richtig in den Glas- und Silberschrank der
Familie hinein, glücklicher Weise ohne mich groß zu beschädigen;

! denn ich trug nur eine Brausche vor der Stirn davon. Ich
! kurzsichtiger Tölpel hatte wieder einmal die Thür eines Wand-
schranks statt der Saalthür sorcirt. Auch die darin befind-
lichen Sachen blieben unverletzt: ich hatte nur mit dem
Kopfe ein Paar silberner Leuchter umgeworfen. Viel Lärm
gab's freilich, aber wenig Schaden. Zuletzt lachte ich laut
auf, das Beste was ich unter den Umständen thun konnte,
und das junge Mädchen schien mit dieser Richtung und
Wendung meiner Stimmung ganz einverstanden; denn sie
stimmte mit ihrem Hellen Lachen ans das bereitwilligste ein.

Nachdem wir so eine ganze Weile herzlich gelacht hatten,

; fragte sic theilnchmend: „Sie haben sich doch nicht verletzt?"

„Nicht der Rede wcrth, liebes Kind; nur eine kleine
j Brausche vor dein Kopfe als Denkzettel meiner Tölpelhaftigkeit."

„O lassen Sic sehen!" rief sie voll Mitleid. „Wahr-
haftig eine dicke Brausche und gerade über dem rechten Auge."
Dabei legte sie ihre liebe kleine Hand mit sanften: Drucke
darauf. „Warten Sie, die will ich Ihnen verbinden; das
kleine Ucbel soll bald gehoben sein." Dabei hatte ich Ge-
legenheit, ihr in das hübsche, freundliche Antlitz zu sehen.
O! diese schelmisch gutmüthigen, frischen Lippen! Diese
seligen, treuen Augen! „Wie schade," seufzte ich für mich,
„daß sie schon einem Andern verlobt ist."

Im Nu hatte sie aus dem Nebenzimmer Wasser herbcige-
holt, ein Stück öfter zusammengelegtes Fließpapier darin cin-
gewcicht nnd mir diese kühlende Compresse mittelst eines
weißen Tuchs um den Kopf gebunden. „Nun können wir
zusammen blinde Kuh spielen," lachte sie, als sie fertig war.
Ich fühlte das lebhafte Bcdürfniß, ihr für diese so natürlich

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von Herzen kommende Hülflcistung etwas Verbindliches zu
sagen und meinte schüchtern: „Ja, wenn mich solche liebe
Hände verbinden, da liefe ich ... ."

„Noch einmal mit dem Kopfe in die Dornhecke? nicht
wahr?" unterbrach sie mich voll Schelmerei.

„Ich brauche ja jetzt nicht mehr durch die fatale Hecke
zu kriechen, Dank sei es der freundlichen und nachbarlichen
Aufmerksamkeit Ihres verehrten Herrn Vaters," erwiderte
ich nicht ohne einen Anflug von Rührung.

(Fortsetzung folgt.)

Vom Nobbi Hillel.

Ein neues S t u d e n t e n l i e d.

Da noch Rabbi Hillel lebte

Als Student vor langen Zeiten,

Wußte noch kein Studiosus
Was vom Fechten oder Reiten;

Nichts vom „Fuchse", nichts vom „Kneipen",
Nichts vom „Ziegenheimerschwingen",

Vom „Comers" nichts, und den andern,
Heutzutage wichtigen Dingen.

Damals glaubte man, die Weisheit
Sei im Hörsaal fest verschlossen,

Wo mit Löffeln vom Professor
Wird das Wissen eingegossen!

Ach bei solchem Köhlerglauben

Nimmt es sicher Niemand Wunder,

Daß nicht einen Tag versäumte
Hillel den gelehrten Plunder.

Eines Tags, da fehlt der Groschen,

Ihm — er merkt cs spät mit Schwitzen!
Für den Pförtner vor dem Saale,

Drin die Weisen grübelnd sitzen.

Jeder Andre hätt' den Pförtner,

Der den Eintritt wehrt, geschüttelt,

Daß er wär' für alle Sünden,

Die er je beging, gerüttelt!

Unser Hillel aber schleicht sich

Um das Schulhaus, ach! nnd findet
Nicht ein Löchlein, zu erlauschen,

Was der Weise drin ergründet.

Plötzlich klettert, wie 'ne Katze
Hillel an des Hauses Mauern,

Denn das Fenster auf dem Dache
Soll ihm bannen seine Trauer.

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