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Zehn Mon
Federn geschmückt war, und die mit der schreienden Asträa
im Gebüsche verschwand. — Aller Vorsicht vergessend, schrie
er laut um Hilfe. — Eine Schaar von Gästen eilte herbei, unter
ihr der Duc de Chevrcfcuille. Laon wollte fliehen, aber es war zu
spät. — „Wo ist Asträa, meine Gattin?" schrie der Herzog,
„elender Verführer?" — „Man hat sie geraubt!" rief Laon.
„Das ist eine Lüge!" donnerte der Herzog, „stirb, Erbärm-
licher!" Und mit diesen Worten feuerte er einen Revolver
ab. — Leon aber raffte eine der Riesenschlangen vom Boden
auf, die in diesem Lande überall schlummernd am Boden
liegen, und schleuderte sie mächtig auf den Herzog. Das
Ungethüm umringclte seine Beute; — entsetzt entfloh die
Gästeschaar, und bald wälzten sich nur noch zwei Kämpfer
auf diesem reizenden Plätzchen. Tie ausgehende Sonne be-
grüßte die nach Rio abfahrenden Wagen, die die schaudernde
und zähneklappernde Ballgesellschaft des Herzogs von Chevrc-
feuille enthielten, und entsetzte sich gleichfalls dermaßen, daß
sie sich sogleich in ein eben aufstcigendcs Donnerwetter hüllte.
IX. Kapitel.
Das Wiederfinden.
Asträa hatte das Bewußtsein verloren. Kein Wunder. Als
sie sich gegen den Kannibalen, in dessen Armen sie sich befand,
sträubte, war ihre Hand auf einen Gegenstand gekommen,
welchen sie sofort als einen Todtenschädel erkennen mußte;
tiefes Entsetzen faßte sie, leb- und kraftlos sank sie zusam-
men, und ward in diesem Zustande von dem scheußlichen
Tauha-Wauhi, denn er war es, fortgctragen nach dem Ur-
walde. — Bald stieg die goldene Sonne empor und beleuchtete
Asträa und ihren wilden Räuber, der, ob der glänzenden
Schönheit seiner Beute ganz petrifizirt war. „Sie sieht aus,
wie Vitzli-Putzlis Gattin, die göttliche Wiri-Wiri", murmelte
Wauhi, „und wie weiß!" — Großer Appetit überkam den
Häuptling, — er legte Asträa auf eine Gruppe Cabexas de
grabe*) und machte sein enormes Schlachtmesser los. — Allein
in diesem Momente öffnete Asträa die Augen und erhob sich.
Als echte Französin brauchte sie nur einige Sekunden, um
des günstigen Eindrucks gewahr zu werden, welchen ihr
Exterieur auf den Kannibalen machte. Dieser legte auch so-
gleich . sein Messer bei Seite, und hielt an Asträa eine lauge
indianische Ansprache, von welcher sie nur ein Wort verstand,
das Wort Korambö." — „Korambö?" rief Asträa, freudig
aufspringend, „Korambö?" Allein der Sterbliche ist nur ge-
boren, um enttäuscht zu werden, denn während grimmige
Wuth das Antlitz Tauha-Wauhi's scheußlich verzerrte, stürzten
der Herzog de Chevrefcuille und Laon, sich verfolgend, aus
dem Dickicht, und nahten dem Paare. Tauha-Wauhi faßte
Asträa und eilte mit ihr in den Urwald hinein, und fort
über umgestürzte Baumstämme und durch Sümpfe, und immer
verfolgt vom Herzoge und Laon. — Endlich kam er mit
Asträa auf dem Platze an, wo wir den armen Heribert und
seine Gefährten an den Baum gebunden verließen. Die
Gefährten waren längst todt und lagen am Boden, aber
*) Möuchskopfe, eine Art Cactccn.
ate nachher.
Heribert lebte noch; er sollte seine geliebte unvergeßliche
Asträa Wiedersehen! Asträa stieß einen Schrei der Freude
aus, als sie ihn erblickte, machte sich von Tauha-Wauhi los
und stürzte zu ihm hin. „Heribert!" schrie sie, außer sich,
„Heribert! mein Gatte! — Bist Du es wirklich?" und sie
rüttelte an den Banden, die Heribert an den Todcsbaum
fesselten. — Der Häuptling aber erhob ein wildes Geheul,
welches eine große Schaar von Indianern versammelte. Sie
liefen von allen Seiten des Waldes herbei und eilten auf
den Häuptling zu. — Ter Herzog und Laon waren mittler-
weile ebenfalls auf die freie Stelle gekommen und starrten
ganz versteinert Heribert und Asträa an. Allein sie hatten
nicht lange Zeit dazu. Bald umringten sie die Kannibalen
und führten den Schlachttanz um sie aus. Sie sahen sich
rettungslos verloren, und riefen, im Leben Todfeinde, im
Tode Freunde werdend, ,,Yive la France!“ — sich in die
Arme fallend. — Asträa aber faßte ein Schlachtmesscr, das
einem der Unholde entfallen war, schnitt Heriberts Bande
entzwei und floh mit ihm. Entsetzt blickte sie noch einmal
um und sah, wie die Indianer mit wildem Sicgesgebrüll
zwei Köpfe emporhieltcn. — Schaudernd erkannte sie in
diesen bleichen Schädeln jenen des Herzogs de Chevrefcuille
und Leons. Für diesmal waren Beide todt.
Schluß.
Vierzehn Tage später lag der französische Dampfer „La
Gloire“ im Hafen von Rio, bereit zur Abfahrt nach Frank-
reich. — Ter Graf von Morimoncourt hatte für sich, seine
Gattin und Gefolge die Hanptkajüten gemiethet, um die
Reise mitzumachen. — Daher herrschte reges Leben auf der
Villa Albufera, und Asträa war eben daran, ein eben so
elegantes, als kokettes Reisekostüm anznlcgen. Korambo war
ihr dabei behilflich. „Wie freue ich mich nach Paris," rief
diese, „aus diesem abscheulichen Welttheile trägt man nur
furchtbare Erinnerungen mit sich fort!" — „Ja wohl," ent-
gegnete Asträa, seufzend; — „mein armer Leon!"
„Bist Du bereit, mon ange?“ rief Graf Heribert zur
Thüre herein. „ Ganz gewiß!" antwortete seine Gattin mit
einem Blick in den Spiegel.
„So komm", sagte der Graf und gab Asträa den Arm,
um sie an den Wagen zu führen. Und so schien es denn
diesen Menschen vergönnt, nach so vielem Schmerze und Un-
gemache ihr thenres Frankreich wiederzuschen, und daselbst
ihres Lebens froh zu werden. — Allein nun erbebte plötzlich
die herrliche Villa wie von einer Erderschütterung. — SUfträa
klammerte sich schreiend an ihren Gatten. Es half aber
Wenig. — Mit furchtbarem Krachen flog die Villa in die
Luft. Das war Korambö's Werk! Sie konnte Asträa's
Rückkehr zu Heribert nicht ertragen. — Einige Monate nach
der Explosion war die prachtvolle Besitzung nur mehr ein
schwarzer rauchender Trümmerhaufen.
Und so schließen wir denn unsere interessante Erzählung,
da ja leider der -rod alle Lieben und Theucren, die darin
vorkamen, dahinraffte. —
M. Schnabel.
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Federn geschmückt war, und die mit der schreienden Asträa
im Gebüsche verschwand. — Aller Vorsicht vergessend, schrie
er laut um Hilfe. — Eine Schaar von Gästen eilte herbei, unter
ihr der Duc de Chevrcfcuille. Laon wollte fliehen, aber es war zu
spät. — „Wo ist Asträa, meine Gattin?" schrie der Herzog,
„elender Verführer?" — „Man hat sie geraubt!" rief Laon.
„Das ist eine Lüge!" donnerte der Herzog, „stirb, Erbärm-
licher!" Und mit diesen Worten feuerte er einen Revolver
ab. — Leon aber raffte eine der Riesenschlangen vom Boden
auf, die in diesem Lande überall schlummernd am Boden
liegen, und schleuderte sie mächtig auf den Herzog. Das
Ungethüm umringclte seine Beute; — entsetzt entfloh die
Gästeschaar, und bald wälzten sich nur noch zwei Kämpfer
auf diesem reizenden Plätzchen. Tie ausgehende Sonne be-
grüßte die nach Rio abfahrenden Wagen, die die schaudernde
und zähneklappernde Ballgesellschaft des Herzogs von Chevrc-
feuille enthielten, und entsetzte sich gleichfalls dermaßen, daß
sie sich sogleich in ein eben aufstcigendcs Donnerwetter hüllte.
IX. Kapitel.
Das Wiederfinden.
Asträa hatte das Bewußtsein verloren. Kein Wunder. Als
sie sich gegen den Kannibalen, in dessen Armen sie sich befand,
sträubte, war ihre Hand auf einen Gegenstand gekommen,
welchen sie sofort als einen Todtenschädel erkennen mußte;
tiefes Entsetzen faßte sie, leb- und kraftlos sank sie zusam-
men, und ward in diesem Zustande von dem scheußlichen
Tauha-Wauhi, denn er war es, fortgctragen nach dem Ur-
walde. — Bald stieg die goldene Sonne empor und beleuchtete
Asträa und ihren wilden Räuber, der, ob der glänzenden
Schönheit seiner Beute ganz petrifizirt war. „Sie sieht aus,
wie Vitzli-Putzlis Gattin, die göttliche Wiri-Wiri", murmelte
Wauhi, „und wie weiß!" — Großer Appetit überkam den
Häuptling, — er legte Asträa auf eine Gruppe Cabexas de
grabe*) und machte sein enormes Schlachtmesser los. — Allein
in diesem Momente öffnete Asträa die Augen und erhob sich.
Als echte Französin brauchte sie nur einige Sekunden, um
des günstigen Eindrucks gewahr zu werden, welchen ihr
Exterieur auf den Kannibalen machte. Dieser legte auch so-
gleich . sein Messer bei Seite, und hielt an Asträa eine lauge
indianische Ansprache, von welcher sie nur ein Wort verstand,
das Wort Korambö." — „Korambö?" rief Asträa, freudig
aufspringend, „Korambö?" Allein der Sterbliche ist nur ge-
boren, um enttäuscht zu werden, denn während grimmige
Wuth das Antlitz Tauha-Wauhi's scheußlich verzerrte, stürzten
der Herzog de Chevrefcuille und Laon, sich verfolgend, aus
dem Dickicht, und nahten dem Paare. Tauha-Wauhi faßte
Asträa und eilte mit ihr in den Urwald hinein, und fort
über umgestürzte Baumstämme und durch Sümpfe, und immer
verfolgt vom Herzoge und Laon. — Endlich kam er mit
Asträa auf dem Platze an, wo wir den armen Heribert und
seine Gefährten an den Baum gebunden verließen. Die
Gefährten waren längst todt und lagen am Boden, aber
*) Möuchskopfe, eine Art Cactccn.
ate nachher.
Heribert lebte noch; er sollte seine geliebte unvergeßliche
Asträa Wiedersehen! Asträa stieß einen Schrei der Freude
aus, als sie ihn erblickte, machte sich von Tauha-Wauhi los
und stürzte zu ihm hin. „Heribert!" schrie sie, außer sich,
„Heribert! mein Gatte! — Bist Du es wirklich?" und sie
rüttelte an den Banden, die Heribert an den Todcsbaum
fesselten. — Der Häuptling aber erhob ein wildes Geheul,
welches eine große Schaar von Indianern versammelte. Sie
liefen von allen Seiten des Waldes herbei und eilten auf
den Häuptling zu. — Ter Herzog und Laon waren mittler-
weile ebenfalls auf die freie Stelle gekommen und starrten
ganz versteinert Heribert und Asträa an. Allein sie hatten
nicht lange Zeit dazu. Bald umringten sie die Kannibalen
und führten den Schlachttanz um sie aus. Sie sahen sich
rettungslos verloren, und riefen, im Leben Todfeinde, im
Tode Freunde werdend, ,,Yive la France!“ — sich in die
Arme fallend. — Asträa aber faßte ein Schlachtmesscr, das
einem der Unholde entfallen war, schnitt Heriberts Bande
entzwei und floh mit ihm. Entsetzt blickte sie noch einmal
um und sah, wie die Indianer mit wildem Sicgesgebrüll
zwei Köpfe emporhieltcn. — Schaudernd erkannte sie in
diesen bleichen Schädeln jenen des Herzogs de Chevrefcuille
und Leons. Für diesmal waren Beide todt.
Schluß.
Vierzehn Tage später lag der französische Dampfer „La
Gloire“ im Hafen von Rio, bereit zur Abfahrt nach Frank-
reich. — Ter Graf von Morimoncourt hatte für sich, seine
Gattin und Gefolge die Hanptkajüten gemiethet, um die
Reise mitzumachen. — Daher herrschte reges Leben auf der
Villa Albufera, und Asträa war eben daran, ein eben so
elegantes, als kokettes Reisekostüm anznlcgen. Korambo war
ihr dabei behilflich. „Wie freue ich mich nach Paris," rief
diese, „aus diesem abscheulichen Welttheile trägt man nur
furchtbare Erinnerungen mit sich fort!" — „Ja wohl," ent-
gegnete Asträa, seufzend; — „mein armer Leon!"
„Bist Du bereit, mon ange?“ rief Graf Heribert zur
Thüre herein. „ Ganz gewiß!" antwortete seine Gattin mit
einem Blick in den Spiegel.
„So komm", sagte der Graf und gab Asträa den Arm,
um sie an den Wagen zu führen. Und so schien es denn
diesen Menschen vergönnt, nach so vielem Schmerze und Un-
gemache ihr thenres Frankreich wiederzuschen, und daselbst
ihres Lebens froh zu werden. — Allein nun erbebte plötzlich
die herrliche Villa wie von einer Erderschütterung. — SUfträa
klammerte sich schreiend an ihren Gatten. Es half aber
Wenig. — Mit furchtbarem Krachen flog die Villa in die
Luft. Das war Korambö's Werk! Sie konnte Asträa's
Rückkehr zu Heribert nicht ertragen. — Einige Monate nach
der Explosion war die prachtvolle Besitzung nur mehr ein
schwarzer rauchender Trümmerhaufen.
Und so schließen wir denn unsere interessante Erzählung,
da ja leider der -rod alle Lieben und Theucren, die darin
vorkamen, dahinraffte. —
M. Schnabel.
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