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58

Bädeker

Staatsanwalt war cö, als träume er einen schönen Traum,
der jeden Augenblick unterbrochen werden könne, und der
Assessor pfiff und trällerte einen lustigen Ländler nach dem
andern und rief, sie saßen allein in einem Coups: „o Sctt-
chen! himmlisches Scttchen!"

„Scttchen?" fragte der Staatsanwalt, auö seinem süßen
Sinnen durch diesen Ausruf aufgcschreckt mit langem Gesichte.

„Ach! wer spricht von Scttchen!" lachte der Assessor
schelmisch. „Du hast heute Watte in den Ohren und ver-
stehst mich immer falsch. Käthchcn mein' ich!"

„Ja so! das ist etwas anders!" sprach sein Gefährte
beruhigt. —

Das war eine Freude, als sie so unerwartet wieder
eintrafen in Teplitz. Der alte Felsing konnte sich nicht
halten, umarmte und küßte sie. Dasselbe thaten die beiden
Mädchen nun freilich nicht. Aber Scttchen wurde roth wie
eine Rose und senkte die Augen zu Boden. Und das wilde
Käthchcn tanzte und sang und schaute dem Assessor so schel-
misch in die Augen, alö wollte sie sagen: „Gelt, Du bist
gefangen, Du loser Vogel!" Sie war ihm nie reizender
erschienen als so. Nun begann wieder ein Leben wie früher;
jeder Tag ein Wonnetag. Dem alten Herrn war die Kur
bisher vortrefflich bekommen; das erhöhte nicht wenig die
allgemeine Heiterkeit. So verging ein Tag nach dem andern;
der folgende immer schöner als der vorhergehende. Dazu
kam, daß dcö Assessors Vater am Ende der zweiten Woche
das erbetene Geld reichlicher schickte, als dieser erwartet hatte.
Er schrieb dazu aus Aachen: „Mit meiner Badekur bin ich
nicht ganz zufrieden. Mein Rheumatismus ist ein eben so
eingewurzeltes Uebel alö Deine Verschwendung. Wenn ich
denke, beide seien glücklich gehoben, stellen sie sich immer
früher wieder ein, als mir lieb ist." „Ist doch ein guter,
alter, herziger Papa! klagt immer, aber schickt immer. Gott
erhalte ihn!" sagte er zu seinem Freunde, als er ihm den
Brief vorgelcscn. Nun wurde die erborgte Summe sofort
nach Dresden mit vielem Danke und mit der Bemerkung
an den Wirth zurückgesandt, daß sein Gasthof durch einen
Stern im Bädeker allen Reisenden empfohlen zu werden ver-
diene, eine Bemerkung, die den Wirth eben so glücklich machte
als einen geheimen Rath, dem der Stern zum rothen Adler-
ordcn zweiter Classe in nahe Aussicht gestellt wird.

Gegen Ende der dritten Woche, der Urlaub ging in
einigen Tagen zur Neige und auch der alte Felsing sprach
von der Abreise, ereignete sich noch das kleine, aber von
meinen Leserinnen gewiß längst erwartete Ereigniß, daß sich
bei einem Spaziergang durch den Thurner Park der Staats-
anwalt mit dem lieblichen Scttchen und der Assessor mit dem
reizenden Käthchcn verlobten, während Papa Fclsing nichts
ahnend, aber stille Wünsche und Hoffnungen hegend an einem
schattigen Plätzchen ein Glas Thurner Bier trank, von dem
er behauptete, daß es dem Nürnberger eben so ähnlich sei
wie eine kranke Kartoffel einem reifen Pfirsich. Zuerst kam
das wilde Käthchcn herangesprungen, warf sich stürmisch an
die Brust dcö VaterS und herzte und küßte ihn fast mit

j u u i o r.

! gleicher Inbrunst, als sie es kurz vorher bei dem Assessor
gethan. „Was hast Du nur, Mädchen?" fragte der Alte,
seine Cigarre aufhcbend, die ihm unter dem Ausbruche der
kindlichen Zärtlichkeit aus der Hand gefallen war. „Ach!
denke Dir nur, liebes Väterchen!" lachte und weinte das
Käthchcn zu gleicher Zeit, „der Mensch da," dabei wies sie
mit einem reizend-schelmischen Blick ihres glückstrahlenden
AugeS auf deu Assessor, der eben herankam, „will mich Dir
durchaus entreißen und mich nach Berlin verpflanzen!" Noch

ehe sich der glückliche Vater von seinem Erstaunen erholen
und Worte finden konnte, kam auch das liebeglühende, ver-
schämte Scttchen mit dem Staatsanwalt herbei und sagte
feierlich: „Väterchen, dieser hier will Dein Sohn werden!"
„Sie sind mir Beide von ganzem Herzen willkommen!" rief
der alte Felsing mit sichtlicher Freude aus, und dann gab
es eine Reihe feierlicher und stürmischer Umarmungen, unter
denen die dcö Assessors mit seinem Käthchcn am längsten
währte. „Kinder!" rief zum Schluß der alte Felsing, „das
ist die glücklichste Badekur, die ich je gebraucht; ich habe zwei
wackere Söhne bekommen!"

Der Tag der Abreise kam. Man sah bei beiden
Mädchen nur thränenfeuchte Augen; dem Assessor war in
dieser Zeit die ganze Jurisprudenz ein Gräuel und der
Staatsanwalt dachte auch nicht mit Sehnsucht der auf ihn
wartenden Actenstöße. Indessen was half's! Man wollte
noch einen Tag gemeinschaftlich in Dresden bleiben, wo Papa
Felsing schon im „deutschen Kaiser", dessen Wirth sein
Vetter war, Quartier bestellt hatte. Dem Assessor ward'ö
bei dieser Nachricht Anfangs etwas schwül. Mußte er doch
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Bädeker junior"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Tochter <Motiv>
Eingang <Architektur>
Liebespaar <Motiv>
Tabakspfeife <Motiv>
Bräutigam <Motiv>
Karikatur
Vater <Motiv>
Umarmung <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Vorstellung <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 43.1865, Nr. 1050, S. 58

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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