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Von Michaelis bis Silvester.

(Fortsetzung.)

Zwei Jahre darauf ward Kunigunde Mutter. Lächelndes
Staunen der Nachbarn, der ganzen Stadt: nach mehr denn
zwölfjähriger Ehe, jetzt auf einmal Elternfreude! Der

liebe Gott segnet sie des aufgenommenen Kindes wegen!
sagten die frommen Seelen in der Stadt. War's wirklich
der Magdalene willen, so schien der Lohn für die Kleine
selbst gerade kein Segen. Ja, wär's nur bei dem Heinz
geblieben, aber nun kam die Appollonia, dann der Bernhard
und endlich die Susel. Da meinte Frau Kunigunde, es
wären nun der eigenen Kinder genug zu ernähren, und
schien ihr, was sie an Magdalenen wendete, diesen entzogen
zu werden; da ward der Frau Gemüth dem Findelkinde
entfremdet. Meister Weiler dagegen hielt darauf, daß
seine Lencl nicht verkürzt werde; cs kam darüber selbst zu
kleinen Verdrießlichkeiten zwischen Frau Gundel und Meister
Eligius, und Erstere wurde dadurch eben nicht freundlicher
gestimmt gegen das fremde Kind. Der Meister sah den
späten Kindersegen an als einen Lohn für das aufgenommene
Kind und bestand fest darauf, daß es als sein eigenes gelten
und gehalten werden sollte. Frau Kunigunde wagte nicht
gegen des Meisters bestimmten Befehl zu handeln; d'rum
hatte auch Magdalene, der auö früher Kindheit keine Erin-
nerung geblieben an das, was in den ersten Lebensjahren
mit ihr vorgcgangen, keine Ahnung davon, daß sie nicht
wie die anderen Kinder in's Haus gehöre. Sie wurde auch
gehalten, wie die anderen, unverkürzt in Allem; aber die
fehlende Liebe läßt sich nun einmal nicht erzwingen, aber
auch nicht verstecken, und so geschah cs, daß die Kleine, je
mehr sie heranwuchs, immer deutlicher fühlte, wie die Mutter
gegen sic nicht so war, wie gegen die andern. Sie wußte
es sich nicht zu erklären. Nun aber sollte sie cs erfahren.

Am Tage nach dem Begräbniß fand sich frühzeitig die
verwittwcte Frau Kunigunde beim Stadtpfleger ein und stellte
dem edlen Herrn vor, wie sie nun, eine verlassene Wittwe
mit vier unversorgten Kindern, das Findelkind, die Lene,
nicht länger ernähren könne. Der Bürgermeister rief um-
sonst ihr Mitleid an. „Edler Herr, so lange mein Mann
noch lebte, mocht' es gehen," entgegnete Frau Gundel, „ob-
schon mir's oft sauer genug ankam, den eigenen Kindern
abzudarbcn, was dem fremden zu Gute kommen sollte, nun
aber geht es nicht mehr." Sic redeten noch lange hin und
wider, was aber auch der Stadtpfleger Vorbringen mochte,
an dem ruhigen Widerstand der Frau scheiterte Alleö.
„Denkt Ihr denn nicht," sagte Jener fast heftig, wie cs
Euerem seligen Ehchcrrn gar wenig gefallen würde, wüßte er,
daß Ihr das arme Kind nun hinauöstoßcn wollt!" —
„Mein sel'ger Mann," war der Wittwe Antwort, „kann
cs doch nicht übel deuten, wenn ich um seiner eigenen Kinder
willen des fremden Erhaltung nun Anderen überlasse." Und
als der regierende Herr darauf hindeutete, was Meister
Weiler selbst oft ausgesprochen, daß die spät gcbornen Kinder
ein Lohn seien für des Findlings Aufnahme, und ob sie
sich nun nicht fürchte, daß Gott sie strafen werde in ihren
Kindern, wenn sie jetzt das langgcpflcgte hart und grausam
Verstoße, da erwiederte glcichmüthig Frau Kunigunde, sie
denke, der liebe Gott werde sie doch nicht strafen darob,

daß sie das fremde Kind zehn Jahre lang genährt und ge-
pflegt, so lange sie's vermocht; nun aber sei sie es nicht
mehr im Stande. Warum denn nun sie, die arme ver-
lassene Frau, die Bürde tragen solle, da es ja so viele

reichere Leute gebe in der Stadt, denen des Kindes Erhalt-
ung nicht schwer fallen könnte. Das war denn nun so


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