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Der Burggeist auf GeierfelS oder Freundschaft und Liebe.
„Die Hälfte/' widersetzte Hund, „habt Ihr soeben em-
pfangen!" — Dies bestätigte der Räuber, der inzwischen
mit geübter Hand das Geld durchgezählt hatte, mit befriedig-
endem Kopfnicken.
„Und die andere Hälfte erhaltet ihr nach der glücklichen
Ausführung auf diesen Schein von meinem Kastellan!" —
Bei diesen Worten überreichte er Geronimo eine Per-
gameutanweisung über 10,000 Zechinen (viäa Bild Nr. 15).
„Topp!" bestätigte dieser und drückte so das scheußliche
Siegel auf dieses satanische Gewebe.
Wir perließen den erschöpften Kuno auf dem Rosse Wcn-
delins, aber wo finden wir ihn wieder! — In dem nemlichen
Hungerthurm, der kurz zuvor die liebliche Adelgunde aufzu-
nehmcn bestimmt war. Soeben war Kuno unter unbarm-
herzigen Stößen von den blutgierigen Henkersknechten Wen-
delins aus der Folterkammer wieder in seinen Hungerthurm
zurückgeschleift worden (viäo Bild Nr. 16). Heute hatte man
zum Geburtsfeste des erbärmlichen Schloßherrn mit genialer
Bosheit eine neue Marter an ihm probirt, indem man ihm
schilderhausartig die Haut streifenweise abgezogen und die
vertieften Stellen mit glühendem Pech ausgefüllt hatte. Aber
ich will den Leser nicht ermüden, die Barbareien alle vorzu-
legen, was ihm überdies bei seinem zarten Gefühl nicht ein- |
wal amgenehm sein w»rde.
Nach solchen überstandenen Qualen fühlte sich der Un-
glückliche in der Stille des scheußlichen Verließes ordentlich
wohl: schon hatte er sich an den Hunger gewöhnt, denn es
war der siebente Tag und nichts Eßbares als Schlangen und
Molche umkroch ihn.
Draußen aber vor der Burg lagerten der lustige Ralf,
der inzwischen wo möglich noch dicker geworden war, und
der biederbe Raspo von Falkenhorst mit ihren männlichen
Heerhaufen. Sie hielten die Veste Wendelins hart umstellt,
und hofften noch vor Anfang der nächsten Woche den braven
Kuno auS seiner furchtbaren Lage zu befreien.
Es war gerade eines Abends, und Kuno im Begriff vor
Hunger seinen Geist zu verlieren, noch ehe er denselben aufgab.
Plötzlich schimmerte ein helles Licht aus der Ecke des Kerkers
hervor; Kuno folgte neugestärkt diesem Hoffnungsstrahl und fand
sich bald am Rande einer breiten Kluft, deren jenseitiges Ufer
zu einer Felsenhöhle führte, welche unbedingt einen Aus-
gang in's Thal haben mußte. Noch nie war ihm diese
Höhle aufgefallen, jetzt that sie es. Tief erschüttert von diesem
freudigen Ereigniß versuchte er wiederholt die gähnende Kluft
zu überspringen (viäo Bild Nr. 17), mußte aber immer un-
verrichteter Sache wieder umkehren; fürchterliche Ahnungen,
ungewisse Hoffnungen, freudige Befürchtungen und andere
verworrene Gefühle durchtobten sein von Hunger geschwächtes
Gemüth. In diesem Augenblicke öffnete sich dicht neben ihm
die Erde und daraus hervor stieg in schweflichtem Rauch die
Gestalt des Geistes. — Kuno schauderte zurück, aber der
Geist sprach mit noch hohlerer Gräberstimme als früher:
„Greife um Dich!" — Kuno griff um sich und fühlte ein
Gerippe. — „ Wende cs weise an und es wird Dir gute
Dienste thun!" röchelte der Geist und verschwand.
lSchluß folgt.)
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Der Burggeist auf GeierfelS oder Freundschaft und Liebe.
„Die Hälfte/' widersetzte Hund, „habt Ihr soeben em-
pfangen!" — Dies bestätigte der Räuber, der inzwischen
mit geübter Hand das Geld durchgezählt hatte, mit befriedig-
endem Kopfnicken.
„Und die andere Hälfte erhaltet ihr nach der glücklichen
Ausführung auf diesen Schein von meinem Kastellan!" —
Bei diesen Worten überreichte er Geronimo eine Per-
gameutanweisung über 10,000 Zechinen (viäa Bild Nr. 15).
„Topp!" bestätigte dieser und drückte so das scheußliche
Siegel auf dieses satanische Gewebe.
Wir perließen den erschöpften Kuno auf dem Rosse Wcn-
delins, aber wo finden wir ihn wieder! — In dem nemlichen
Hungerthurm, der kurz zuvor die liebliche Adelgunde aufzu-
nehmcn bestimmt war. Soeben war Kuno unter unbarm-
herzigen Stößen von den blutgierigen Henkersknechten Wen-
delins aus der Folterkammer wieder in seinen Hungerthurm
zurückgeschleift worden (viäo Bild Nr. 16). Heute hatte man
zum Geburtsfeste des erbärmlichen Schloßherrn mit genialer
Bosheit eine neue Marter an ihm probirt, indem man ihm
schilderhausartig die Haut streifenweise abgezogen und die
vertieften Stellen mit glühendem Pech ausgefüllt hatte. Aber
ich will den Leser nicht ermüden, die Barbareien alle vorzu-
legen, was ihm überdies bei seinem zarten Gefühl nicht ein- |
wal amgenehm sein w»rde.
Nach solchen überstandenen Qualen fühlte sich der Un-
glückliche in der Stille des scheußlichen Verließes ordentlich
wohl: schon hatte er sich an den Hunger gewöhnt, denn es
war der siebente Tag und nichts Eßbares als Schlangen und
Molche umkroch ihn.
Draußen aber vor der Burg lagerten der lustige Ralf,
der inzwischen wo möglich noch dicker geworden war, und
der biederbe Raspo von Falkenhorst mit ihren männlichen
Heerhaufen. Sie hielten die Veste Wendelins hart umstellt,
und hofften noch vor Anfang der nächsten Woche den braven
Kuno auS seiner furchtbaren Lage zu befreien.
Es war gerade eines Abends, und Kuno im Begriff vor
Hunger seinen Geist zu verlieren, noch ehe er denselben aufgab.
Plötzlich schimmerte ein helles Licht aus der Ecke des Kerkers
hervor; Kuno folgte neugestärkt diesem Hoffnungsstrahl und fand
sich bald am Rande einer breiten Kluft, deren jenseitiges Ufer
zu einer Felsenhöhle führte, welche unbedingt einen Aus-
gang in's Thal haben mußte. Noch nie war ihm diese
Höhle aufgefallen, jetzt that sie es. Tief erschüttert von diesem
freudigen Ereigniß versuchte er wiederholt die gähnende Kluft
zu überspringen (viäo Bild Nr. 17), mußte aber immer un-
verrichteter Sache wieder umkehren; fürchterliche Ahnungen,
ungewisse Hoffnungen, freudige Befürchtungen und andere
verworrene Gefühle durchtobten sein von Hunger geschwächtes
Gemüth. In diesem Augenblicke öffnete sich dicht neben ihm
die Erde und daraus hervor stieg in schweflichtem Rauch die
Gestalt des Geistes. — Kuno schauderte zurück, aber der
Geist sprach mit noch hohlerer Gräberstimme als früher:
„Greife um Dich!" — Kuno griff um sich und fühlte ein
Gerippe. — „ Wende cs weise an und es wird Dir gute
Dienste thun!" röchelte der Geist und verschwand.
lSchluß folgt.)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Burggeist auf Geierfels oder Freundschaft und Liebe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 43.1865, Nr. 1054, S. 91
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg