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4 Bestellungen werden in allen Brich- und Kunst- _ Erscheinen wöchentlich ein Mal. Subscriptionö-^-, y, ~v

‘ Handlungen, sowie von allen Postiinitcrn und preis für den Band von 26 Nummern 3 fl. 54kr. ^

? c i t n n g s e r p e d i t i o n e» angenommen. X od. 2 Rthlr. 5 Sgr. Einzelne Nummern 9 kr. od. 2'/» Sgr.

Ein vergilbtes Blatt.

(Fortsetzung.)

Bei diesen Worten entströmten Thränen den Augen der
Wittwe, die Tochter schluchzte leise, und der Sohn bewahrte
mit Mühe seine Standhaftigkeit. Auch Silbcrg bekämpfte
eine tiefe Rührung.

„Lange Zeit," fuhr Frau Werner fort, „dauerte cs,
ehe ich mich in das Unvermeidliche schicken lernte. Dann
kam Herr Rührmann, um mit mir Rechnungs-Abschluß zu
machen. Ich verstand von diesem Geschäfte nichts, hatte
aber auch keinen Grund, gegen ihn mißtrauisch zu sein. Er
ordnete unsere Papiere und gab mir den Antheil meines
Mannes heraus. Es war kein großes Vermögen, aber doch
. genügend, um Euch, meine Kinder, eine anständige Erziehung
geben zu können. Wir müssen uns mit dem Uebriggebliebenen
zwar etwas einschränken, aber es reicht doch, um verbunden
mit Deinem Gehalte, lieber Ernst, drei genügsame Menschen
leben zu lassen. Meine Sorge, liebe Kinder, ist die Zukunft,
doch — der liebe Gott wird helfen."

„Aber die angenehme Nachricht, liebe Mutter, die der
Vater Dir mittheilen wollte, wie ist cö damit?"

„Ich kann nichts darüber sagen, lieber Ernst. Damals
dachte ich nur an das große Unglück, das uns alle betroffen,
alles Andere berührte mich nicht. Vermutlich hatte Euer
seliger Vater an dem Unglückötage ein gewinnreiches Geschäft
abgeschlossen."

Silberg sah schon eine ganze Zeit in Gedanken ver-
sunken vor sich nieder.

„Was geschah nun weiter mit Herrn Rührmann, liebe
Frau Werner?" fragte er jetzt, „er besitzt ja gegenwärtig ein
großes Geschäft und gilt für einen reichen Mann."

„Ja,. Herr Rührmann," erzählte die Wittwe, „erhielt
bald darauf eine bedeutende Erbschaft, wie eö hieß aus

Amerika. Er verkaufte das Geschäft in Feldheim und ctablirte
in hiesiger Stadt das Engrosgeschäft. Er wurde dann im
Verlauf der siebzehn Jahre ein reicher und angesehener Mann."

„Und hat sich während dieser Zeit doch häufig nach
Ihnen und Ihrer Familie erkundigt? Er ist Ihnen doch ein
Freund geblieben?"

Madame Werner lächelte trübe.

„Auch ich blieb mit meinen Kindern nicht in Fcldheim,"
berichtete sie. „Wir zogen zu einer Richte nach Bachstctten,
etwa drei Stunden davon entfernt. Dort besaß deren Mann
ein Ackcrgnt. Ich ging meinen Verwandten bei der Wirth-
schaft an die Hand, während meine Kinder den Unterricht
des Hauslehrers empfingen. Nachher kam Ernst auf eine
höhere Schule, da er nach dem Wunsche meines seligen Mannes
studiren sollte. Doch reichten unsere Mittel zum Beenden
seiner Studien nicht hin. Ich sah mich deshalb veranlaßt,
mich an Herrn Rührmanu zu wenden und ihn zu bitten,
Ernst eine Stelle auf seinem Comptoir zu geben. Herr
Rührmann willigte ein, und so kam Ernst und später auch
ich und meine Tochter hierher."

Silbcrg schüttelte in Gedanken den Kopf. Plötzlich
fragte er, fast ohne sich selbst Rechenschaft davon geben zu
können: „Ihr seliger Mann hat doch von wichtigen Papieren
in seinem Secretär gesprochen?"

„Allerdings. Ich habe auch später alle Papiere durch-
gcsehcn, aber keins gefunden, daS mir fremd gewesen wäre;
sie beschränkten sich meistens auf Trau-,. Geburtsscheine re.,
Herr Rührmann hat sic auch geordnet."

„So,, so," sagte der Volontär. ES gingen ihm ver-
schiedene Gedanken durch den Kopf, die er aber auSzusprcchcn
sich hütete.

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