In bitterwehmüthigstcr Verstimmung schlich ich an
den Häusern vorüber auf die Landstraße hinaus. Land-
leute in ihren Festkleidern strömten an mir vorüber zum
Markte herein den lärmenden Kirchweihfreuden entgegen.
Zu allen Wirthshäusern hinaus erscholl bei den geöffneten
Fenstern rauschende Tanzmusik und Freudengejohl.
Draußen auf der Landstraße hielten fröhliche Wander-
gescllen ihren Abschied. Ein gar geschwätzig Völklein,
mit dem einfachen schmelzenden Rhythmus ihres Natur-
gesanges, überall saßen sie oben auf den Bäumen, die
zwitschernden Staare.
Im Walde oben standen feierlich die herrlich grünen
Tannen, und zwischen diesen lauschte so innig und sinnig
das eigenthümliche Braunroth der herbstlichen Buchen
hervor. Wahrlich, der Herbst malt wundervoll und das
bunte Farbenspiel in dieser Feierbeleuchtung der unüber-
trefflichen Künstlerin Sonne ist mit schwarzen Buchstaben
nicht wieder zu geben.
Der Herbst hatte sein schönstes Festkleid angezogen;
der Himmel strahlte in seinem wcißblaucn Scitengewande
und die Sonne glänzte, wie ein funkelnder Orden darauf.
Aber all' die Strahlen drangen nicht erwärmend
und erheiternd in die schwarze kalte Nacht meines Innern.
Da war alles von einem düstern Schleier umhüllt. Im
unsäglichen Gemüthsschmerze, mit dem krankhaft weh-
müthigen Drucke auf dem Herzen, stieg ich finstern Blickes
die Hochstraße hinauf, die sich wie ein weißgrauer Ge-
dankenstrich zwischen der Waldhöhe durchschlängelt.
Schwermuth.
Wieder ziehen jauchzende Bursche an mir vorüber;
ich wende mich verdrießlich zur Seite; da sehe ich links
unten an der Waldspitze vereinsammt eine Gestalt knieen,
das Haupt ohne Bedeckung und in so andächtiger etwas
gebückter Stellung, daß ich aus derselben den kummervollen
Schmerz gleichsam herauslcscn konnte, und ich mich tief
ergriffen fühlte, wie ich so in der Entfernung einen in
inbrünstiger Andacht versunkenen Beter manchmal hände-
ringend mit seinem Tuche die wahrsckeinlich reichlich fließen-
den Thränen trocknen sah. Ich war sehr erregt und eö
zog mich in meine düstere Schwermuth sympathisch hinab,
gleichsam als sollte ich in dem bittern Seelenschmerze des
Unglücklichen Trost finden. Schwermüthig ergriffen, stieg
ich den Abhang gleich in gerader Richtung durch die
Wiesen hinunter.
Beim Näherkommen konnte ich erkennen, daß der
Tiefgebeugte ein Invalide sei; er hatte sich gerade erhoben.
Nun war ich fast beklommen, wie ich, ohne ihm
wehe zu thun, sein Scelenleiden erlauschen könnte; näherte
nrich mit Zartsinn und, freundlich grüßend, suche ich ge-
sprächsweise die wehmuthsvolle Ursache seiner so kummer-
gebeugten Stellung nach und nach zu erforschen.
Das noch merklich feuchte Sacktuch liegt auf der
Wiese ausgebreitet; nebenan fließt eine frisch sprudelnde
Quelle vorüber; und auf meine Ansprache antwortet mir
der greise Krieger: „Wissen's Herr, da han i mein Sack-
tüchel g'waschen — \ “
den Häusern vorüber auf die Landstraße hinaus. Land-
leute in ihren Festkleidern strömten an mir vorüber zum
Markte herein den lärmenden Kirchweihfreuden entgegen.
Zu allen Wirthshäusern hinaus erscholl bei den geöffneten
Fenstern rauschende Tanzmusik und Freudengejohl.
Draußen auf der Landstraße hielten fröhliche Wander-
gescllen ihren Abschied. Ein gar geschwätzig Völklein,
mit dem einfachen schmelzenden Rhythmus ihres Natur-
gesanges, überall saßen sie oben auf den Bäumen, die
zwitschernden Staare.
Im Walde oben standen feierlich die herrlich grünen
Tannen, und zwischen diesen lauschte so innig und sinnig
das eigenthümliche Braunroth der herbstlichen Buchen
hervor. Wahrlich, der Herbst malt wundervoll und das
bunte Farbenspiel in dieser Feierbeleuchtung der unüber-
trefflichen Künstlerin Sonne ist mit schwarzen Buchstaben
nicht wieder zu geben.
Der Herbst hatte sein schönstes Festkleid angezogen;
der Himmel strahlte in seinem wcißblaucn Scitengewande
und die Sonne glänzte, wie ein funkelnder Orden darauf.
Aber all' die Strahlen drangen nicht erwärmend
und erheiternd in die schwarze kalte Nacht meines Innern.
Da war alles von einem düstern Schleier umhüllt. Im
unsäglichen Gemüthsschmerze, mit dem krankhaft weh-
müthigen Drucke auf dem Herzen, stieg ich finstern Blickes
die Hochstraße hinauf, die sich wie ein weißgrauer Ge-
dankenstrich zwischen der Waldhöhe durchschlängelt.
Schwermuth.
Wieder ziehen jauchzende Bursche an mir vorüber;
ich wende mich verdrießlich zur Seite; da sehe ich links
unten an der Waldspitze vereinsammt eine Gestalt knieen,
das Haupt ohne Bedeckung und in so andächtiger etwas
gebückter Stellung, daß ich aus derselben den kummervollen
Schmerz gleichsam herauslcscn konnte, und ich mich tief
ergriffen fühlte, wie ich so in der Entfernung einen in
inbrünstiger Andacht versunkenen Beter manchmal hände-
ringend mit seinem Tuche die wahrsckeinlich reichlich fließen-
den Thränen trocknen sah. Ich war sehr erregt und eö
zog mich in meine düstere Schwermuth sympathisch hinab,
gleichsam als sollte ich in dem bittern Seelenschmerze des
Unglücklichen Trost finden. Schwermüthig ergriffen, stieg
ich den Abhang gleich in gerader Richtung durch die
Wiesen hinunter.
Beim Näherkommen konnte ich erkennen, daß der
Tiefgebeugte ein Invalide sei; er hatte sich gerade erhoben.
Nun war ich fast beklommen, wie ich, ohne ihm
wehe zu thun, sein Scelenleiden erlauschen könnte; näherte
nrich mit Zartsinn und, freundlich grüßend, suche ich ge-
sprächsweise die wehmuthsvolle Ursache seiner so kummer-
gebeugten Stellung nach und nach zu erforschen.
Das noch merklich feuchte Sacktuch liegt auf der
Wiese ausgebreitet; nebenan fließt eine frisch sprudelnde
Quelle vorüber; und auf meine Ansprache antwortet mir
der greise Krieger: „Wissen's Herr, da han i mein Sack-
tüchel g'waschen — \ “
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schwermuth"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Verdrießlichkeit <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 46.1867, Nr. 1125, S. 38
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg