Fliegende Blätter (46.1867 (Nr. 1121-1146))

Das Lied vom Vergolder und Lackircr.

Es waren ein Lackircr und Vergolder
Von Jugend auf schon bekannt,

Es knüpfte sie Beide zusammen
Ein inniges Freundschaftsband.

Schon in der zartesten Jugend,

Vom Wickelbett noch umhüllt,

Ds waren die kindlichen Seelen
Von inniger Liebe erfüllt.

Sie haben schon tief in den Windeln
Einander umarmen gewollt,

Als Keiner von Beiden noch wußte
Was Lack sei oder was Gold.

Doch als sie ein wenig gewachsen,

Sie krochen zwar noch auf den Vier'»,
Wollt' stets schon der Eine vergolden
Und der And're nichts als lackir'n.

Sie machten freundlich zusammen
Im Mondschein einst einen Vertrack,

Daß das Gold nicht verdrieß' den Lackircr
Und nicht den Vergolder der Lack.

Und was von da der Lackircr
Mit Lack lackiren gewollt,

Das hat niemals der Vergolder
Mit feinem Golde vergold't.

Und was der Vergolder mik Golde
Pur ein Mal leise berührt,

Das hat niemals der Lackircr
Mit seinem Lacke lackirt.

In zwcen traulichen Zimmern,
Getrennt nur durch eine Thür'n,
Da that der Vergolder vergolden
Und der Lackircr lackir'n.

Doch ihnen wohnt gegenüber
Ein Mädchen, Rosa genannt,

Zu der sind Beide in Liebe
An einem Tage entbrannt.