114 . Der
So sprach der Student und seine Rede hatte den ein-
fachen und klugen Mädchen Wohlgefallen.
„Es freut mich," nahm Johanna das Wort, „daß Sie
also denken und daß Sie gekommen sind, mir daö zu sagen.
Ob ich selbst recht oder unrecht gehandelt habe, weiß ich
nicht, und will auch nicht darüber Nachdenken. Nun sehe
ich allerdings keinen Weg, wie Sie Ihr Vergehen wieder
gut machen könnten; es sei denn, daß Sie zu Ihrer eigenen |
Beruhigung sich einer Strafe unterwerfen, die wir Ihnen
hier dictiren werden. Wollen Sic das?"
„Ich schwöre," rief der Student eifrig, „daß ich jede
Strafe willig erdulden will, um so lieber, je härter sie ist.
! Und wollen Sic mich nach Rom schicken, damit ich mir
i Ablaß hole, so will ich, noch ehe die Sonne untergeht, mein
1 Ränzchcn schnüren."
„Glauben Sic nicht," erwiderte Johanna lächelnd, „daß
i wir Ihnen eine so leichte Buße auferlcgen werden. Für's
Erste wollen wir Sic überhaupt nicht fortschicken, sondern
hier in Haft behalten. Wir werden uns also jetzt als Ge-
richtshof constituiren. Da ich selbst zu nah bei der Sache
bctheiligt bin, so übertrage ich den Vorsitz des Gerichtes
meiner Freundin Antonie."
„Daran thust Du recht," sagte Antonie. „Ihr Alle
kennt mich als hart, grausam, unbestechlich und unzu-
gänglich jeder menschlichen Rührung. Wir werden den Ver-
brecher nach dem strengsten Rechte richten, das sich in den
Gesetzbüchern findet. Jetzt befehle ich dem Delinquenten sich
in jene Laube zu setzen und dort ruhig abzuwarten, was wir
Kuß.
beschließen werden. Da die Sitzung sehr lange dauern kann,
so schlage ich vor, dem Verbrecher ein paar Birnchen mit in
die Laube zu geben. Es wird ja wohl das Letzte sein, waS
er auf Erden zu sich nimmt."
Alle waren damit einverstanden. So mußte sich Peter
Benecke in die Laube setzen und erhielt einige Birnchen. Vor
die Laube wurde eines der kleineren Mädchen als Wache
! gestellt und ihr befohlen, wohl aufzupassen, damit der Ge-
fangene nicht etwa über die Gartenmauer entwische. Da saß
nun Peter Benecke in der Laube, wie ihm schien, in einer
höchst bedanernswerthen Lage, während er in einiger Ent-
fernung die Mädchen sich eifrig besprechen hörte. Er ver-
suchte ein Birnchen zu essen, aber er war nicht im Stande
etwas hinunter zu schlucken. Zum Glück hatte er nicht viel
Zeit zum Nachdenken, denn alle Augenblicke wurde ein Back-
fischchen geschickt, um irgend etwas von ihm zu erfragen: wie
er heiße? ob er sich mit einem c, ä, ö oder eh schriebe? ob
er außer Peter noch andere Namen habe, etwa Kaspar oder
Nepomuck? wann er geboren sei und an welchem Tage? ob
seine Großmutter noch lebe? und so noch vieles Andere,
wovon Manches anscheinend gar nicht zur Sache gehörte.
Endlich war die Sitzung zu Ende und der Delinquent wurde
durch zwei kleine Mädchen, von denen jedes ihn an einer
Hand faßte, vor den Gerichtshof geführt. Die Mädchen
bildeten einen Kreis um ihn und mit niedergeschlagenen Augen
vernahm er sein Urtheil, das von Antonie mit ernster
Stimme von einem Blatt verlesen wurde.
Es lautete folgendermaßen:
„Johann Peter Benecke, Studiosus der Gottesgelahrt- : alt, angeblich noch unbestraft, hat geständigermaßen ein Ver-
hcit, ohne Verwandtschaft und Anhang, seit Johanni 22 Jahr ; brechen begangen, wie cs hier zu Lande als unerhört gilt.
So sprach der Student und seine Rede hatte den ein-
fachen und klugen Mädchen Wohlgefallen.
„Es freut mich," nahm Johanna das Wort, „daß Sie
also denken und daß Sie gekommen sind, mir daö zu sagen.
Ob ich selbst recht oder unrecht gehandelt habe, weiß ich
nicht, und will auch nicht darüber Nachdenken. Nun sehe
ich allerdings keinen Weg, wie Sie Ihr Vergehen wieder
gut machen könnten; es sei denn, daß Sie zu Ihrer eigenen |
Beruhigung sich einer Strafe unterwerfen, die wir Ihnen
hier dictiren werden. Wollen Sic das?"
„Ich schwöre," rief der Student eifrig, „daß ich jede
Strafe willig erdulden will, um so lieber, je härter sie ist.
! Und wollen Sic mich nach Rom schicken, damit ich mir
i Ablaß hole, so will ich, noch ehe die Sonne untergeht, mein
1 Ränzchcn schnüren."
„Glauben Sic nicht," erwiderte Johanna lächelnd, „daß
i wir Ihnen eine so leichte Buße auferlcgen werden. Für's
Erste wollen wir Sic überhaupt nicht fortschicken, sondern
hier in Haft behalten. Wir werden uns also jetzt als Ge-
richtshof constituiren. Da ich selbst zu nah bei der Sache
bctheiligt bin, so übertrage ich den Vorsitz des Gerichtes
meiner Freundin Antonie."
„Daran thust Du recht," sagte Antonie. „Ihr Alle
kennt mich als hart, grausam, unbestechlich und unzu-
gänglich jeder menschlichen Rührung. Wir werden den Ver-
brecher nach dem strengsten Rechte richten, das sich in den
Gesetzbüchern findet. Jetzt befehle ich dem Delinquenten sich
in jene Laube zu setzen und dort ruhig abzuwarten, was wir
Kuß.
beschließen werden. Da die Sitzung sehr lange dauern kann,
so schlage ich vor, dem Verbrecher ein paar Birnchen mit in
die Laube zu geben. Es wird ja wohl das Letzte sein, waS
er auf Erden zu sich nimmt."
Alle waren damit einverstanden. So mußte sich Peter
Benecke in die Laube setzen und erhielt einige Birnchen. Vor
die Laube wurde eines der kleineren Mädchen als Wache
! gestellt und ihr befohlen, wohl aufzupassen, damit der Ge-
fangene nicht etwa über die Gartenmauer entwische. Da saß
nun Peter Benecke in der Laube, wie ihm schien, in einer
höchst bedanernswerthen Lage, während er in einiger Ent-
fernung die Mädchen sich eifrig besprechen hörte. Er ver-
suchte ein Birnchen zu essen, aber er war nicht im Stande
etwas hinunter zu schlucken. Zum Glück hatte er nicht viel
Zeit zum Nachdenken, denn alle Augenblicke wurde ein Back-
fischchen geschickt, um irgend etwas von ihm zu erfragen: wie
er heiße? ob er sich mit einem c, ä, ö oder eh schriebe? ob
er außer Peter noch andere Namen habe, etwa Kaspar oder
Nepomuck? wann er geboren sei und an welchem Tage? ob
seine Großmutter noch lebe? und so noch vieles Andere,
wovon Manches anscheinend gar nicht zur Sache gehörte.
Endlich war die Sitzung zu Ende und der Delinquent wurde
durch zwei kleine Mädchen, von denen jedes ihn an einer
Hand faßte, vor den Gerichtshof geführt. Die Mädchen
bildeten einen Kreis um ihn und mit niedergeschlagenen Augen
vernahm er sein Urtheil, das von Antonie mit ernster
Stimme von einem Blatt verlesen wurde.
Es lautete folgendermaßen:
„Johann Peter Benecke, Studiosus der Gottesgelahrt- : alt, angeblich noch unbestraft, hat geständigermaßen ein Ver-
hcit, ohne Verwandtschaft und Anhang, seit Johanni 22 Jahr ; brechen begangen, wie cs hier zu Lande als unerhört gilt.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Kuß"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)