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Reisebild er aus vergangener Zeit.

schlag pocht—horch wie die Herzen pochen! Wie das Aehren-
feld wogt in der' athemlosen Stille, so wogte die Brust des
jungen Weibes, aber sie sagte es nicht. Stumm fuhren sie
hin bis in's nächste Dorf — stumm durch die Hochzeitsnacht.

2. Auf der Flucht.

Auf der zerrissenen Straße, die durch die Ardennen führt,
rollt ein alterthümlicher Reisewage». Der Herr, der darinnen
sitzt, ist krank, wenigstens sieht es so aus, wenn er sich tief
zurücklehnt und mit den sprechenden Augen unruhig um sich
späht. Wer mag es sein? Seine Kleidung ist die eines
französischen Landpächters, aber Angesicht und Wesen und die
ganze vornehme Gebrechlichkeit stimmt nicht zu solchem Anzug.
Wer mag es sein? Der hat sein Lebtag keinen Spaten an-
gerührt.

An seiner Seite sitzt eine Dame — bleich und kummer-
voll. Es muß dereinst eine schöne „Pächterin" gewesen sein,
denn ihr verwelktes Antlitz trägt noch die Spuren einer strah-
lenden Hoheit. Sie spricht kein Wort, nur manchmal nickt
sie der Dienerin bekümmert zu, die auf dem Rücksitz den Bei-
den gegenüber lehnt. Selbst die Dienerin ist vornehm; eine
Gestalt, wie Keniredy es war, mit grauen Haaren und schwarzem
Gewände. Auch ihr Haupt ist auf die Brust herabgesunken,
wie das ihrer Herrin und mit den beiden Händen hält sie
i eine Chatouille fest, die mit seidenem Tuche umwunden ist.
In der einen Ecke, die herausgeschnitten wurde, stand einst
der Name und die Krone des Marquis von B.

Was führt die beiden alten Leute noch auf die Reise
in so spaten Tagen sammt ihrer Dienerin, wo eilen sie hin
in solcher Hast, auf solchen Wegen? Sie flüchten.

Es war nach dem Jahr 1790; der Wolkenbruch der Re-
volution war losgebrochen über Paris. Unter den Gütern, die
man consiscirt, unter den Namen, die auf der Liste der Pro-
scribirten standen, war auch der des Marquis. In seinen
Reisepapieren, die er mit Aufwand aller List erlangt, stand
freilich nichts davon. Da hieß es nur, daß der citoyen B. und
sein Weib über die Grenze gehen, um einen halbtodten Bru-
j der am Rhein zu besuchen. lieber Nacht hatten sie die Diaman-

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ten der Marquise zusammengepackt und waren fortgefahren,
um den Rest des Lebens und den Rest der Habe auf fremde
Erde zu retten. Tag und Nacht fuhren sie dahin zwischen
Tod und Leben; denn wenn Einer den Marquis erkennt, sind
sie Alle verloren. Keiner der goldbetreßten Diener, nur die
alte „Kennedy", die einst die Herrin an der Brust und auf
dem Schooß getragen, zog mit in die Verbannung.

Es war eine fürchterliche Fahrt; es war als zitterte der
Boden, über den sie dahinjagten, als ginge Frankreich ans
den Fugen. Lautlos saßen sie im Wagen, draußen aber saß !
der Postillon mit der Tricolore am Arm und wenn er blies
und was er blies, immer klangen die Töne der Marseillaise
durch sein Lied. „Allons enfants de la patrie.“ Selbst
das Posthorn war revolutionär geworden. Sie aber schieden
vom Vaterland, sie gingen ein Grab zu suchen auf fremder
Erde — es war eine fürchterliche Fahrt. Einst fuhren sie
in goldener Karosse zum Hoffest der Königin in Trianon,
heut' waren sie Bürgersleute und nur das Bürgerthum konnte
ihr Leben retten. Wenn sie hielten in den schmutzigen Dör-
fern, wenn die Bettler den Wagen umdrängten, dann mußte
der alte Marquis sie wie Brüder begrüßen. Bratsrnits war i
die Parole. Er wagte es nicht herauszusteigen; Speise und
Trank mußte man ihm an den Wagen bringen; denn dem
Wirth ward gesagt, daß der oitoyon am Sterben sei. Nur
mit dem Sterben konnte er sein Leben schützen. Wie grausam
klang dies an sein Ohr, das nur das Flüstern des Parquets
und nur den Lärm des Hofes gewohnt war, wenn jetzt aus
jeder Dorfschenke die wüsten Stimmen des Aufruhrs ihm ent-
gegenhallten. Denn jedes Haus war eine Republik gewor-
den; jeder Hahn im Hof krähte egalite. „Nur schnell," sprach
der kranke Mann, so oft ein neuer Postillon auf den Wagen
stieg und zeigte ihm ein Goldstück, bis er die Hengste in
wilder Flucht über die steinigen Straßen trieb.

In tiefer Nacht fuhren sie über die Grenze von Frank-
reich und als der Morgen graute, standen sie auf deutscher
Erde. Es war ein Herbstmorgen blau und klar, von den
Bäumen wehte das letzte Laub — hier sollten sie die letzten
Tage ihres Lebens verbringen. In Deutschland war es noch
stille; wie ein schwerer Schlummer lag die Ruhe über dem
Land. Und auf dem französischen Wagen saß ein deutscher
Postillon und blies. Sie hatten das Lied noch nie gehört,
der Marquis und die Marquise, aber sie verstanden es doch,
denn das deutsche Lied bedeutet Friede!

(Fortsetzung folgt.)

Gefoppt.

Es war ein grimmig kalter Wintertag. Kein Wunder,
daß ich und meine drei Hunde uns freuten, als wir Abends
zu unserem Försterhaus zurückkamen. Unter diesen war der !
Caro bei weitem bet gescheiteste. Als wir zu Hause ankamen,
war es schon finster. Der Earo machte seine Abendrunde um
Haus und Hof, die beiden andern aber sprangen mir voraus
in die Stube und auf die Ofenbank. Da mich auch fror, so !
setzte ich mich zwischen die zwei Hunde und fühlte mich bald j
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Reisebilder aus vergangener Zeit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Watter, Joseph
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Flucht <Motiv>
Verpflegung
Kutsche <Motiv>
Frankreich
Französische Revolution
Adel
Karikatur
Frau <Motiv>
Reise <Motiv>
Reisebericht
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 51.1869, Nr. 1251, S. 7

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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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