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Reelles Heirathsgesuch.
Worte vorsichtig und bedächtig zu wählen, und der weiblichen
Einbildungskraft einen großen Spielraum zu lassen, um die
Leserin unwiderstehlich anzuziehen. Ich zweifle auch nicht
daran, daß das Product meiner Feder die Vögel mit den
goldnen Fittigen locken wird; heute noch soll dasselbe in das
Erpeditionslocal der Zeitung geschickt werden. Ich hoffe das
Beste davon, denn erst diesen Morgen ward ich durch den
Besuch eines alten Freundes, mit dem ich zu nahe verwandt
war, um mich in seiner Nähe gcmüthlich zu fühlen, über-
rascht, und die theilnehmende Art und Weise, mit der er
mein Mobiliar betrachtete, wirkte nichts weniger als wohl-
thuend auf mein Nervensystem.
Man sagt wohl „ein junger Mensch muß Glück haben"
und „Gott verläßt keinen wackern Deutschen", aber seitdem
ich mich mit meiner Tante überwarf, glänzt mir kein Stern
mehr. Während ich meine Annonce und gleichzeitig ein
Billet an Freund Schlaich couvertirt vor mir liegen hatte,
und im Begriffe war, beide zu adressiren, klopft's an meine
! Thür, und mein sonst sehr höflicher Schneider tritt zu mir
] in's Zimmer. In der Freude meines Herzens, ihn zu sehen,
muß ich die beiden Briefe verwechselt haben, und die unver-
meidliche Folge dieses unseligen Jrrthums war, daß ich beide
zurück erhielt. Schlaich, der gute Kerl, kommt selbst mit
der ihm zugcsandtcn Annonce zu mir und überhäuft mich
mit einer Fluth beißenden Spottes; schloß seine Rede aber
mit den ermuthigenden Worten: „Versuch's, mein Junge,
vielleicht lächelt Dir das Glück in Gestalt einer verblühten
Jungfrau!"
Ich schämte mich wie ein begossener Pudel, denn so
lange das Geheimniß mir allein gehörte, lag ein gewisser
Reiz darin; seitdem es aber verrathen war, schien mir die
ganze Sache albern und lächerlich. Schon war ich versucht,
meinen Plan auszugebcn, und das ominöse Papier ins Feuer
zu stecken, aber ein einziger Blick auf meine schlanke Börse
genügte, um mich zum Handeln anzuspornen. Ich kam mir
vor wie ein Spieler, der sein letztes Stück Geld auf eine
Karte wagt, um Alles oder Nichts zu haben.
Um ferneren Verwechslungen vorzubeugen, trug ich nun
das Angebot meiner schätzbaren Person selbst auf das Zeit-
ungsbureau, und hatte die Freude dasselbe am nächsten
! Morgen zwischen zwei sehr passenden Annoncen gedruckt zu
sehen, von denen die eine für einen verlaufenen Hund eine
gute Belohnung, und die andere die höchsten Preise für ab-
gelegte Kleidungsstücke bot.
Eine Woche lang ging ich täglich zur Post, wohin ich
die zu erwartenden Antworten dirigirt hatte, ohne je den
heißen Wunsch meines klopfenden Herzens erfüllt zu sehen.
Mit jedem „Nein" des Postbeamten sank meine Hoffnung
tiefer, und der Thermometer meines Glückes stand bereits
nahe am Gefrierpunkt, als er plötzlich am neunten Tage um
volle zehn Grade stieg. Ein zierlich gefaltetes, parfümirtes
Billet doux ward mir eingehändigt — auf dem Verschluß
! eine Taube mit dem Oelzweig. Mit zitternder Hand öffnete
ich das Couvert und las:
„Mein Herr!
„Ich habe Ihre Annonce gelesen, und da ich nicht
daran zweifle, daß Ihr Gesuch ein ehrlich gemeintes ist, bin
ich nicht abgeneigt, mit Ihnen in Unterhandlung zu treten.
Bemühen Sie sich gefälligst morgen früh um zehn Uhr nach
dem „Russischen Hof", woselbst ich Sie auf dem Zimmer
Nr. 3 erwarten werde. Ich knüpfe an diese erste Zusammen-
kunft jedoch die Bedingung, während derselben verschleiert
erscheinen zu dürfen. Sollten Sie dies einzugehen nicht ge-
neigt sein, so werde ich aus Ihrem Nichterscheinen die nö-
thigen Schlüsse ziehen."
Ich war in fieberhafter Aufregung — wohl hundert
Male las ich das Billet. Die Handschrift war entschieden
die einer Dame von Bildung, und das Emblem auf dem
Couvert verhieß ohne Zweifel Glück. Warum aber knüpft
die Holde eine so sonderbare Bedingung an die erste Be-
gegnung?
Ich schauderte und kalter Schweiß trat aus meine
Stirn. Wenn sie jung und schön war, warum wollte sie
sich nicht vor mir zeigen? Wie aber, wenn sie alt und häß-
lich war? — Etwas ließ sich zwar in diesem Falle übersehen,
namentlich wenn sie die Zahl der Jahre mit edlem Metall
aufzuwiegen im Stande war — gegen dreißig Sommer würde
sich zum Beispiel noch nichts sagen lassen — manche Frauen
sind dann noch in voller Blüthe — aber darüber? — —
Nun mit tausend Gulden für jedes Jährchen weiter und
mit zwei Tausend für ein Fältchen konnte man schon ein
Aüge zudrücken und Manches übersehen, was von der Schön-
heitslinie abwich; aber über fünfunddreißig zu gehen, wäre
riskant, denn wer wollte wohl, wenn er in des Lebens
Blüthen-Mai steht, sich vom kalten Januar umarmen lassen? !
Ich verlebte eine qualvolle Nacht; der Schlaf floh mein
Lager und schon zu sehr früher Stunde erhob ich mich, um
meine Toilette in Stand zu setzen. Ich kleidete mich mit
ungemeiner Sorgfalt, und als ich endlich zum Gehen fertig
war und einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel warf,
sagte mir dieser Freund, der nie trügt, daß die Spuren eines
vielbcwegten Lebens unter meiner geübten Hand verschwunden
waren, und ich muthig einer Dame gegenüber treten könne,
die, wie ich, nunmehr fest überzeugt war, keinen Schleier
gewühlt haben würde, wenn sic nicht fürchten müsse, einen
armen Sterblichen durch den Glanz ihrer Schönheit zu blenden.
Wenige Minuten nach zehn Uhr stand ich vor der gc-
heimnißvollen Thüre, hinter welcher ich entweder mein Glück
finden, oder mich unendlich lächerlich machen sollte.
Auf mein Klopfen erscholl ein sanftes „Herein". Ich
öffnete und sah mich alsbald in einem sehr eleganten Zimmer,
— sicherlich eines der besten des Hotels.
Das war ein gutes Zeichen. Vom Fenster her trat
mir eine Dame entgegen. Ihr Schritt war leicht und gra-
ciös, ihre Gestalt von mittlerer Größe. Sie hatte das Ge-
sicht mit einer seidenen Maske bedeckt, und Kopf und Hals
mit einem langen schwarzen Schleier behängen, der jeden
ihrer Züge derart unkenntlich machte, daß ich gänzlich außer
Reelles Heirathsgesuch.
Worte vorsichtig und bedächtig zu wählen, und der weiblichen
Einbildungskraft einen großen Spielraum zu lassen, um die
Leserin unwiderstehlich anzuziehen. Ich zweifle auch nicht
daran, daß das Product meiner Feder die Vögel mit den
goldnen Fittigen locken wird; heute noch soll dasselbe in das
Erpeditionslocal der Zeitung geschickt werden. Ich hoffe das
Beste davon, denn erst diesen Morgen ward ich durch den
Besuch eines alten Freundes, mit dem ich zu nahe verwandt
war, um mich in seiner Nähe gcmüthlich zu fühlen, über-
rascht, und die theilnehmende Art und Weise, mit der er
mein Mobiliar betrachtete, wirkte nichts weniger als wohl-
thuend auf mein Nervensystem.
Man sagt wohl „ein junger Mensch muß Glück haben"
und „Gott verläßt keinen wackern Deutschen", aber seitdem
ich mich mit meiner Tante überwarf, glänzt mir kein Stern
mehr. Während ich meine Annonce und gleichzeitig ein
Billet an Freund Schlaich couvertirt vor mir liegen hatte,
und im Begriffe war, beide zu adressiren, klopft's an meine
! Thür, und mein sonst sehr höflicher Schneider tritt zu mir
] in's Zimmer. In der Freude meines Herzens, ihn zu sehen,
muß ich die beiden Briefe verwechselt haben, und die unver-
meidliche Folge dieses unseligen Jrrthums war, daß ich beide
zurück erhielt. Schlaich, der gute Kerl, kommt selbst mit
der ihm zugcsandtcn Annonce zu mir und überhäuft mich
mit einer Fluth beißenden Spottes; schloß seine Rede aber
mit den ermuthigenden Worten: „Versuch's, mein Junge,
vielleicht lächelt Dir das Glück in Gestalt einer verblühten
Jungfrau!"
Ich schämte mich wie ein begossener Pudel, denn so
lange das Geheimniß mir allein gehörte, lag ein gewisser
Reiz darin; seitdem es aber verrathen war, schien mir die
ganze Sache albern und lächerlich. Schon war ich versucht,
meinen Plan auszugebcn, und das ominöse Papier ins Feuer
zu stecken, aber ein einziger Blick auf meine schlanke Börse
genügte, um mich zum Handeln anzuspornen. Ich kam mir
vor wie ein Spieler, der sein letztes Stück Geld auf eine
Karte wagt, um Alles oder Nichts zu haben.
Um ferneren Verwechslungen vorzubeugen, trug ich nun
das Angebot meiner schätzbaren Person selbst auf das Zeit-
ungsbureau, und hatte die Freude dasselbe am nächsten
! Morgen zwischen zwei sehr passenden Annoncen gedruckt zu
sehen, von denen die eine für einen verlaufenen Hund eine
gute Belohnung, und die andere die höchsten Preise für ab-
gelegte Kleidungsstücke bot.
Eine Woche lang ging ich täglich zur Post, wohin ich
die zu erwartenden Antworten dirigirt hatte, ohne je den
heißen Wunsch meines klopfenden Herzens erfüllt zu sehen.
Mit jedem „Nein" des Postbeamten sank meine Hoffnung
tiefer, und der Thermometer meines Glückes stand bereits
nahe am Gefrierpunkt, als er plötzlich am neunten Tage um
volle zehn Grade stieg. Ein zierlich gefaltetes, parfümirtes
Billet doux ward mir eingehändigt — auf dem Verschluß
! eine Taube mit dem Oelzweig. Mit zitternder Hand öffnete
ich das Couvert und las:
„Mein Herr!
„Ich habe Ihre Annonce gelesen, und da ich nicht
daran zweifle, daß Ihr Gesuch ein ehrlich gemeintes ist, bin
ich nicht abgeneigt, mit Ihnen in Unterhandlung zu treten.
Bemühen Sie sich gefälligst morgen früh um zehn Uhr nach
dem „Russischen Hof", woselbst ich Sie auf dem Zimmer
Nr. 3 erwarten werde. Ich knüpfe an diese erste Zusammen-
kunft jedoch die Bedingung, während derselben verschleiert
erscheinen zu dürfen. Sollten Sie dies einzugehen nicht ge-
neigt sein, so werde ich aus Ihrem Nichterscheinen die nö-
thigen Schlüsse ziehen."
Ich war in fieberhafter Aufregung — wohl hundert
Male las ich das Billet. Die Handschrift war entschieden
die einer Dame von Bildung, und das Emblem auf dem
Couvert verhieß ohne Zweifel Glück. Warum aber knüpft
die Holde eine so sonderbare Bedingung an die erste Be-
gegnung?
Ich schauderte und kalter Schweiß trat aus meine
Stirn. Wenn sie jung und schön war, warum wollte sie
sich nicht vor mir zeigen? Wie aber, wenn sie alt und häß-
lich war? — Etwas ließ sich zwar in diesem Falle übersehen,
namentlich wenn sie die Zahl der Jahre mit edlem Metall
aufzuwiegen im Stande war — gegen dreißig Sommer würde
sich zum Beispiel noch nichts sagen lassen — manche Frauen
sind dann noch in voller Blüthe — aber darüber? — —
Nun mit tausend Gulden für jedes Jährchen weiter und
mit zwei Tausend für ein Fältchen konnte man schon ein
Aüge zudrücken und Manches übersehen, was von der Schön-
heitslinie abwich; aber über fünfunddreißig zu gehen, wäre
riskant, denn wer wollte wohl, wenn er in des Lebens
Blüthen-Mai steht, sich vom kalten Januar umarmen lassen? !
Ich verlebte eine qualvolle Nacht; der Schlaf floh mein
Lager und schon zu sehr früher Stunde erhob ich mich, um
meine Toilette in Stand zu setzen. Ich kleidete mich mit
ungemeiner Sorgfalt, und als ich endlich zum Gehen fertig
war und einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel warf,
sagte mir dieser Freund, der nie trügt, daß die Spuren eines
vielbcwegten Lebens unter meiner geübten Hand verschwunden
waren, und ich muthig einer Dame gegenüber treten könne,
die, wie ich, nunmehr fest überzeugt war, keinen Schleier
gewühlt haben würde, wenn sic nicht fürchten müsse, einen
armen Sterblichen durch den Glanz ihrer Schönheit zu blenden.
Wenige Minuten nach zehn Uhr stand ich vor der gc-
heimnißvollen Thüre, hinter welcher ich entweder mein Glück
finden, oder mich unendlich lächerlich machen sollte.
Auf mein Klopfen erscholl ein sanftes „Herein". Ich
öffnete und sah mich alsbald in einem sehr eleganten Zimmer,
— sicherlich eines der besten des Hotels.
Das war ein gutes Zeichen. Vom Fenster her trat
mir eine Dame entgegen. Ihr Schritt war leicht und gra-
ciös, ihre Gestalt von mittlerer Größe. Sie hatte das Ge-
sicht mit einer seidenen Maske bedeckt, und Kopf und Hals
mit einem langen schwarzen Schleier behängen, der jeden
ihrer Züge derart unkenntlich machte, daß ich gänzlich außer