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Reelles Heirathsgesuch.

Ach, mein Herr," sagte sie mit einem vernehmlichen
Seufzer, „Sie zwingen mir ein schmerzliches Geständniß ab
— eine Schönheit bin ich leider nicht."

„Niemand sollte in eigener Angelegenheit zu Gericht
sitzen," erwiderte ich, „es giebt noch andere Reize als die
der äußern Erscheinung, die Vorzüge des Geistes, deren gött-
liche Abstammung sich selbst auf einem minder schönen Gesicht
nicht verleugnet. Geben Sie mir Gelegenheit selbst ein Ur-
theil zu fällen."

„O nein, nein, das geht nicht an", antwortete sie in
bestimmtem Tone, „ich werde den Schleier nicht heben, bis
wir eine Entscheidung herbei geführt haben. Was Sie aber
über die Schönheit sagten, könnte wahr sein, wenn ich jung
wäre — die Tage meiner Jugend erscheinen mir jedoch nur
noch wie ein Traum."

„Hm, auch in diesem Punkte giebt es verschiedene An-
sichten," entgegnete ich, etwas nachdenklich, „was Sie als nicht
mehr jung bezeichnen, begreift vielleicht nur jenen Zeitabschnitt
in sich, wo die vergänglichen Reize der Knospe — der Pracht
der entfalteten Blume weichen niüssen."

Die 40,000 Gulden hatten — ich läugne es nicht —
bereits Eindruck auf mein empfindsames Herz gemacht, und
ich war entschlossen bis zum Aeußersten für dieselben zu kämpfen.

„Welchen Zeitabschnitt des Lebens wollen Sie mit
Ihrem schönen Bilde bezeichnen?" fragte sie milde.

„Nun", entgegnete ich zögernd, „ich habe unendlich
liebenswürdige Frauen gekannt, die im dreißigsten, ja selbst
ncch im vierzigsten Jahre mit der Blume zu vergleichen
waren."

„Ach, mein Gott!" seufzte sie, daß es mir bis in's
Herz drang, „ich will Sie nicht täuschen; bcrdoppeln Sie
die Dreißig und Sie haben mein Alter."

Wäre plötzlich eine Kanonenkugel zwischen uns gefahren,
sie hätte mich nicht mehr erschrecken können, und ich war
nahe daran einen Purzelbaum zu machen.

„Mas!?" rief ich aufspringend, „sechzig Jahre?"

„Ja, mein Herr, sechzig Sommer gingen über meinen
ergrauten Scheitel hinweg und wenn ich hinzusüge, daß ich
Wittwe bin, werden Sie sich leicht für oder gegen mich ent-
scheiden können."

„Ich weiß genug", sagte ich nicht ohne Bitterkeit,
j „lassen Sic uns fernere Auseinandersetzungen, die mich nur
noch mehr von der Albernheit meines Schrittes überzeugen
würden, ersparen. Die Ungleichheit der Jahre an sich schon
j ist ein zu großes Hinderniß, um ein dauerndes Glück zu
! begründen. Noch sind wir einander fremd, und können da-
j her ohne Schwierigkeit und ohne in Verlegenheit zu gera-
\ then, die Verhandlungen abbrechen. Vielleicht finden Sie
j Jemand —"

„So leichten Kaufes kann ich Sie nicht loslassen", fiel
, sie mir in bestimmtem Tone in's Wort, „ich habe ein Recht
! von Ihnen zu verlangen, um mich nicht vor Ihnen und mir
, selbst zu compromittiren, daß Sie- in dieser Sache ohne
Leidenschaft und nur nach ruhiger Ueberlegung entscheiden.

Ich will Ihnen dazu bis morgen um die gleiche Stunde
Zeit geben, erwarte aber von Ihrer Ehrenhaftigkeit, daß Sie
kommen.

„Und wenn meine Entscheidung ablehnend ausfällt?"

„So will ich mich zufrieden geben; aber ich erwarte Sie
bestimmt."

Wer beschreibt meine Empfindungen und Gefühle, als
ich das Hotel hinter mir hatte? Ich hätte laut lachen können,
wenn mich nicht gleichzeitig Scham und Wuth beherrscht hät-
ten. Diese 40,000 Gulden hatten mich geblendet — aller
Sorgen wäre ich dadurch enthoben gewesen! — aber wenn
ich mir die schöne Wittwe von sechzig Sommern dazu dachte!
Hahaha! ich sah mich schon im Geiste an der Seite der
thcuren Alten einhergehen; ich sah die Blicke meiner Freunde
und Nachbarn; ich hörte ihre Scherze und Sticheleien, die
mich wie vergiftete Dolche trafen — nein! nimmermehr! Ein
Gefühl gerechter Entrüstung erfaßte mich, wenn ich daran
dachte, daß mich Jemand für fähig halten könne, auf ein
solches Geschäft einzugehen. Denn nur als dies konnte ich das
gemachte Anerbieten ansehcn. Es kostete mich deßhalb auch
gar keine Ueberwindung in dem schon gefaßten Vorsatze zu be-
harren. Fest wie ein Fels im Meere schritt ich am andern
Tage zur bestimmten Stunde dem Hotel zu, und ging geraden
Wegs in das bekannte Zimmer. Die Dame empfing mich wie !
am Tage vorher verschleiert und maskirt.

„Madame," sagte ich, mich verneigend, „ich kann nicht
umhin, Sie vor allen Dingen um Entschuldigung zu bitten,
daß ich Sie durch mein unverzeihliches Betragen in eine so ,
fatale Lage brachte. Ich kenne die Beweggründe nicht, welche i
Sie veranlaßten auf meine Annonce hin mit mir in Unter-
handlung zu treten; ich muß indessen bitten, den Gedanken
an eine Verbindung mit mir gänzlich aufzugeben. Ehre und
Gewissen verbieten mir, Ihnen meine Hand zu reichen, oder die
Ihrige anzunehmen. Die Verschiedenheit unseres Alters ist
eine zu bedeutende, und Ihr Vermögen ein zu großes, um ,
einen unparteiischen Beurtheiler zu der Ueberzeugung zu
bringen, daß andere als die schmutzigsten Beweggründe die
Verbindung herbeisühren würden; lassen Sie uns deßhalb nicht
weiter an eine solche denken."

„Ist das Ihr unumstößlicher Wille?" fragte sie in :
kaum vernehmbarem Tone.

„Er ist es!" entgegnete ich fest.

„Dann kann ich ohne Gefahr Maske und Schleier ab-
nehmen," sagte sie mit hcitcrm Lachen, indem sie die ge-
nannten Verhüllungen von sich warf.

Aber, gerechter Gott! was mußte ich sehen? — ein
jugendlich frisches Gesicht zeigte sich, das mir nicht fremd
war. Die verschleierte Dame war meine Freundin, die ich
nie mehr zu sehen hoffen durste — meine schöne Unbekannte
vom Rigi!

„Laura!" rief ich entzückt, mit weit geöffneten Armen
auf sie zueilend, denn sie erschien mir schöner als je zuvor.

„Zurück, Unwürdiger!" rief sie mit silberheller Stimme,
während ihr Auge Liebe und Seligkeit verhieß, „Sie haben
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