Leid und
gräßlich elender Salto mortale! — auf die Blüthenebene von
Linda's Dasein. Der Pesthauch des tronto-ot-guarants kaum
hinabgespült in den Tartarus ihrer Jnnerheit — hinab-
- gespült obenein durch den schnöden berauschenden Gifttrank
des Madeira — sollte zum Zephyr-Wehen werden und Linda's
Namen zum Sonnenthrone hinaufsenden: o, der dreimal
teuflischen Bosheit!
„Ihre Tochter ist schön" — lästerte der sogenannte Graf
— „sie ist ein Engel! — Glücklich der Sterbliche, welcher j
sie einst die Seinige nennen wird!" I
Der kalte Vater schien von einem heißen Gedanken erfaßt;
— aber keinem frühlingathmenden, der der Tochterlilic einen
sanften Sterbetraum zugesäuselt hätte: nein! von einem gift-
geschwollenen Samum! — Aber der Stolz goß wiederum
seine erstarrende Schaale ans und er sagte nur: „Sie ist
noch frei!"
Ein Weheton riß sich von der ewigen Glocke des Para-
dieses los, als der Graf aufstand und ihm die agua toü'ana
folgender Rede entgeiferte: „Ich will, da uns das Gespräch
I darauf führt, nicht länger zurückhalten, Baron; mein Besuch
ist, offen gestanden, kein conventioneller — er hat einen schö-
nen Zweck: ich kam, die Hand Linda's von Ihnen zu erbitten!"
Noch einen Lichtstreifen warf der perlende Acther über
irinda s Schicksal — der Vater schwieg einen Augenblick, er
! konnte noch umlenken auf dem Wege zur Folterbank der
Himmelgeweihten — O! aber wer vermag dem zweischneidigen
Dolche süßduftende Harmonieen zu entlocken?! — Nur ein
Moment des Ueberlegens; dann aber packte er den Höllen-
stein des Stolzes fest und beizte den Sonnenfaden zwischen
I Linda und ihrem Schutzengel entzwei mit den Worten: „Ich
müßte lügen, Graf, wenn ich sagen wollte, diese Verbindung
widerstrebe in irgend einer Weise meinen Plänen; — („seinen
Plänen", o wie teuflisch!) — Linda ist die Ihre!"
Liebe. 27 j
Hier schwankte der thränenfeuchte Genius Linda's auf
die vollgebluteten Blumen ihres verlorenen Himmels macht-
los nieder!
Als Prophetin der zerschmetternden Gewißheit dieser
höllischen Zukunft ging der heransterbenden Linda eine zer-
fließende Ahnung entgegen. Ihre Seele concentrirte in sich
Welten und Ewigkeiten des künftigen Eden zu lauter Trauer- ?
gerüsten und Todesabenden; und doch über den Herbstnebeln
dieser ermattenden Cypressenstimmung klang der große magische
Mondschein des geistigen Findens und Aufgehens in dem
erblickten und gemiedenen Seraph-Jüngling hin.
Der ehrerbietig-stechende Blick der fremden Livreen, als
Linda an ihnen vorüberwankte, war das schwarzbebänderte
Richtkleid des Schicksals, und das väterliche Scharfrichterschwert
zögerte auch nicht lange, auf den enthüllten Schwanenhals
ihres zuckenden Herzens niederzublitzen.
„Mache Toilette! — ich werde Dir bei Tafel den Grafen !
P., Deinen bestimmten Bräutigam, vorstcllen."
Da war die lodernde Weltkugel in die Pulvermine ge-
fahren— die bleiche Blume sank unter dem rasselnden Donner
dahin; keine Liebeshand stützte ihren weichen, gebrochenen
Schmerzenskelch: ein fühlloses Kammermädchen machte sich
um sie zu schaffen und brachte, da die Ohnmächtige endlich
der erliegenden, stockenden Brust wieder Odem geben konnte,
die gräßliche Dunstkugel der seidenen Robe herbei, um da-
hinein den schönen Engelschatten, gleichsam wie in das Grab
seiner Hoffnungen, zu zwängen.
Linda schwebte, kalt-gewandct, die Marmorstiege hinan zum
Schaffot des Speisesaales, in den sie wie ein Harfenton glitt; i
entgegen trat ihr der Dämon mit der schmeichelnden Larve — ;
er faßte ihre Hand: und kein Blitz schlug ihn nieder! — er
wagte es, die zuckende an seine vergifteten Lippen zu führen:
und der Abgrund verschlang ihn nicht!!!
Er warf mit den Worten: „Mein schönstes Fräulein, !
darf ich so kühn sein, zu hoffen, daß die so unendlich kurze
Zeit unseres Beisammenseins in Baden-Baden — die mir
ewig scheinende Trennung nicht vermochte, meine arme Per- j
son ganz in Ihrem Gedächtniß auszulöschen?!" — er warf j
damit seinem Opfer die seidene Schlinge um den elystschen Hals. j
Die Taube duftete dem lüsternen Geier ein Paar Silben j
zu, die dieser nicht verfehlte mit sinnreicher Bosheit sich zum
Vortheil zu deuten. Jetzt erschien auch der Kindesmörder in
kaltem Festanzuge mit dem Schmuck verderbenblitzender Orden;
er zögerte nicht, auch den zweiten Lauf des Pistols in die
Schwanenseele Linda's zu entladen — er wiederholte die
Werbung des Barons, glaubte — ha! glaubte —, seine
Tochter werde ihm beistimmen, wenn er diese Partie als eine \
wünschenswerthe (hier zuckte sein Stolz!) bezeichne und er-
laubte endlich der schillernden Schlange, die hinwelkendc
Nachtigall mit dem Brautknß zu verpesten!
(Schluß folgt.)
4
gräßlich elender Salto mortale! — auf die Blüthenebene von
Linda's Dasein. Der Pesthauch des tronto-ot-guarants kaum
hinabgespült in den Tartarus ihrer Jnnerheit — hinab-
- gespült obenein durch den schnöden berauschenden Gifttrank
des Madeira — sollte zum Zephyr-Wehen werden und Linda's
Namen zum Sonnenthrone hinaufsenden: o, der dreimal
teuflischen Bosheit!
„Ihre Tochter ist schön" — lästerte der sogenannte Graf
— „sie ist ein Engel! — Glücklich der Sterbliche, welcher j
sie einst die Seinige nennen wird!" I
Der kalte Vater schien von einem heißen Gedanken erfaßt;
— aber keinem frühlingathmenden, der der Tochterlilic einen
sanften Sterbetraum zugesäuselt hätte: nein! von einem gift-
geschwollenen Samum! — Aber der Stolz goß wiederum
seine erstarrende Schaale ans und er sagte nur: „Sie ist
noch frei!"
Ein Weheton riß sich von der ewigen Glocke des Para-
dieses los, als der Graf aufstand und ihm die agua toü'ana
folgender Rede entgeiferte: „Ich will, da uns das Gespräch
I darauf führt, nicht länger zurückhalten, Baron; mein Besuch
ist, offen gestanden, kein conventioneller — er hat einen schö-
nen Zweck: ich kam, die Hand Linda's von Ihnen zu erbitten!"
Noch einen Lichtstreifen warf der perlende Acther über
irinda s Schicksal — der Vater schwieg einen Augenblick, er
! konnte noch umlenken auf dem Wege zur Folterbank der
Himmelgeweihten — O! aber wer vermag dem zweischneidigen
Dolche süßduftende Harmonieen zu entlocken?! — Nur ein
Moment des Ueberlegens; dann aber packte er den Höllen-
stein des Stolzes fest und beizte den Sonnenfaden zwischen
I Linda und ihrem Schutzengel entzwei mit den Worten: „Ich
müßte lügen, Graf, wenn ich sagen wollte, diese Verbindung
widerstrebe in irgend einer Weise meinen Plänen; — („seinen
Plänen", o wie teuflisch!) — Linda ist die Ihre!"
Liebe. 27 j
Hier schwankte der thränenfeuchte Genius Linda's auf
die vollgebluteten Blumen ihres verlorenen Himmels macht-
los nieder!
Als Prophetin der zerschmetternden Gewißheit dieser
höllischen Zukunft ging der heransterbenden Linda eine zer-
fließende Ahnung entgegen. Ihre Seele concentrirte in sich
Welten und Ewigkeiten des künftigen Eden zu lauter Trauer- ?
gerüsten und Todesabenden; und doch über den Herbstnebeln
dieser ermattenden Cypressenstimmung klang der große magische
Mondschein des geistigen Findens und Aufgehens in dem
erblickten und gemiedenen Seraph-Jüngling hin.
Der ehrerbietig-stechende Blick der fremden Livreen, als
Linda an ihnen vorüberwankte, war das schwarzbebänderte
Richtkleid des Schicksals, und das väterliche Scharfrichterschwert
zögerte auch nicht lange, auf den enthüllten Schwanenhals
ihres zuckenden Herzens niederzublitzen.
„Mache Toilette! — ich werde Dir bei Tafel den Grafen !
P., Deinen bestimmten Bräutigam, vorstcllen."
Da war die lodernde Weltkugel in die Pulvermine ge-
fahren— die bleiche Blume sank unter dem rasselnden Donner
dahin; keine Liebeshand stützte ihren weichen, gebrochenen
Schmerzenskelch: ein fühlloses Kammermädchen machte sich
um sie zu schaffen und brachte, da die Ohnmächtige endlich
der erliegenden, stockenden Brust wieder Odem geben konnte,
die gräßliche Dunstkugel der seidenen Robe herbei, um da-
hinein den schönen Engelschatten, gleichsam wie in das Grab
seiner Hoffnungen, zu zwängen.
Linda schwebte, kalt-gewandct, die Marmorstiege hinan zum
Schaffot des Speisesaales, in den sie wie ein Harfenton glitt; i
entgegen trat ihr der Dämon mit der schmeichelnden Larve — ;
er faßte ihre Hand: und kein Blitz schlug ihn nieder! — er
wagte es, die zuckende an seine vergifteten Lippen zu führen:
und der Abgrund verschlang ihn nicht!!!
Er warf mit den Worten: „Mein schönstes Fräulein, !
darf ich so kühn sein, zu hoffen, daß die so unendlich kurze
Zeit unseres Beisammenseins in Baden-Baden — die mir
ewig scheinende Trennung nicht vermochte, meine arme Per- j
son ganz in Ihrem Gedächtniß auszulöschen?!" — er warf j
damit seinem Opfer die seidene Schlinge um den elystschen Hals. j
Die Taube duftete dem lüsternen Geier ein Paar Silben j
zu, die dieser nicht verfehlte mit sinnreicher Bosheit sich zum
Vortheil zu deuten. Jetzt erschien auch der Kindesmörder in
kaltem Festanzuge mit dem Schmuck verderbenblitzender Orden;
er zögerte nicht, auch den zweiten Lauf des Pistols in die
Schwanenseele Linda's zu entladen — er wiederholte die
Werbung des Barons, glaubte — ha! glaubte —, seine
Tochter werde ihm beistimmen, wenn er diese Partie als eine \
wünschenswerthe (hier zuckte sein Stolz!) bezeichne und er-
laubte endlich der schillernden Schlange, die hinwelkendc
Nachtigall mit dem Brautknß zu verpesten!
(Schluß folgt.)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Leid und Liebe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 52.1870, Nr. 1280, S. 27
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg