98 Agnes, zur
„Nein, Konrad!" lachte der Meister, „'s ist das Werk
dieser ehrlichen Fäuste!"
„O! daun laßt mich's noch einmal kosten!"
Vergnügt reichte er ihm abermals den Humpen hin, und
Conrad verdrehte die Augen vor lauter Wohlgeschmack. Nun
kamen die andern Brauer und Knechte, jeder niußte versuchen
was der Meister gebraut. Da war nur eine Stimme darüber.
„Für solch' einen Trank," sagten die Gesellen, „könnt' ein
Menschenkind seinen Antheil am Paradies verkaufen!"
Nur jener Knecht, der mit heiliger Scheu den Meister
und seine Kammer betrachtete, war um keinen Preis zu ver-
mögen, das Gebräu zu proben. „Du bist 'n dummer Hans!"
sagten die Andern. — „Ne, ne!" entgegnete er, „ich weiß,
waS ich weiß!" und dabei blieb's.
Noch am Tage brachte Christian das niedliche Fäßchcn
zu seinem Pathen, dem Bürgermeister und seinem obersten
Zunftschöffen. Das war ein gediegener Trinker, wie seine
feine Zunge und runder Bauch bezeugen konnten.
„Na, Junge! Was hast Du da?" war seine Frage.
„Ihr müßt, Pathe, daß es noch wenige Tage sind, und
's Jahr ist um, das über mein und Agnes Geschick bestimmen
sollte!" —
„Ja, mein Sohn, und wenn Du nichts Bessers hast,
als des Stadtsähndrichs Beute, dann wisch' Dir's Maul
wegen dem Mädchen. Aber laß den Kopf nicht hängen, Du
darfst überall anklopfcn, und 's gibt der drallen Jungfrauen
ja Gottlob noch mehr bei ruis!"
„Da liegt eine Probe vom neuen Gebräu für Euch und
den Stadtrath; versucht's einmal, Pathe!" erwiderte Christian.
Rasch war der Krahnen eingesteckt, ein schwerer Glas-
pokal zur Hand genommen und der Brauer ließ das köstliche
Getränke fließen. Dick und schwarz perlte es unter einem
silbernen Schaumkrönchen; er reichte seinem Pathen den Becher.
Flcmming trank, und guckte über's Glas hinweg, bis die
kleinen Aeugleiu fast ganz verschwanden, und seine Linke sich
mit unbeschreiblichem Ausdruck auf den Oberbauch legte.
„Christian!" sagte er entzückt, „das ist ein Meister-Gebräu!
Der Teufel selbst sollt's nicht besser schaffen können! Noch-
mal halte her!"
Abermals füllte der Brauer das gewaltige Römerglas,
! welches in behaglichen Zügen ausgesogen ward.
„Das macht mich alten Kerl um 20 Jahre jünger!
Nun höre mal! — Da setz Dich. —Man munkelt so allerlei
i von Dir, will sagen, ich glaub's nicht, weil ich weiß, daß
j Du nicht auf'n Kops gefallen bist, — man munkelt, daß
Du heimlich mit dem Teufel hantirst, ja träumend den Erz-
feind angerufen hättest! Das will bewiesen sein, aber das
dumme Volk glaubt's pechfest! Und jetzt, wenn Dein neues
Gebräu erst öffentlich wird, hast Du die ganze Brauergilde
auf'm Hals, die glauben's vielleicht weniger, aber sie ver-
breiten's doch, um Dich durch die Pfaffen zu Grunde zu rich-
ten!" Das war klar wie der Tag und Christian kratzte sich
das Verlcgenheitsplätzchcn hinter'm Ohr.
„Glücklicherweise bin ich Oberbürgermeister", fuhr Flcm-
weißeu Rose.
miug fort, „aber es muß kräftig widerlegt werden!" Da-
mit stand Flemming auf, schenkte sich selbsteigen ein drittes
Glas ein, zum Beweise, wie wenig er selbst an die Teufels-
flunkereien glaubte und leerte es mit allen Zeichen lebhaften
Wohlgefallens. Dann ging er zu seinem Schrein und holte
einen Folianten — die Bibel — sowie Pergament und
Schreibgeräth herbei und sagte: „Christian, Du wirst eine
Urkunde unterzeichnen, daß der Teufel keinen Antheil an Dir
noch an dem Gebräu hat!" Der Brauer lächelte, sprach je-
doch ruhig und fest die verlangte Eidesformel auf's heilige
Buch nach und Unterzeichnete die Urkunde.
„Junge! das wird Sturm geben in der Stadt! Du
ruinirst die alten Brauer, denn es wird am Ende Jeder nur
vom neuen Gebräu trinken!" Christian schenkte nun nochmals
ein, warnte aber seinen Pathen, jetzt nichts mehr zu trinken,
er kenne den Kobold noch nicht, der darin stecke, und unter
herzlichem Händedruck verabschiedete er sich.
Ein angenehmeres Geschenk hätte er dem Stadtrath
nicht machen können, denn daß sein Pathe nun allen Ein-
fluß aufbieten werde, einmal das neue Getränke zu beschützen,
dann auch wegen Agnes ein redlich' Wort fallen zu lassen,
dessen durfte er sicher sein.
Noch waren keine drei Sitzungen vorbei, seit das Fäß-
chen seinen Ehrenplatz auf der Rathstafel einnahm, als
Braunschweigs Magistrat, das neue Getränk unter seinen
bedeutenden Schutz genommen, dem Brauer eine Anerkennung
zollte, die in gewichtigen Dokumenten bestand, welche seinem
Trank die zollfreie Verführung nach allen Gegenden und ge-
waffneten Schutz seiner Transporte zusicherten; — das war
viel, ja mehr, als sich der Brauer wohl vorstellte.
Am Sonnabend derselben Woche versammelte ein Be-
fehl des Oberzunftmeisters die sämmtlichen Brauer der Reichs-
stadt im Gasthaus zur weißen Rose. Es war eine gewöhn-
liche Zunft-Botschaft; keiner der Geladenen ahnte was besonderes.
Christian hatte einen riesigen Deckelkrug bewußten Nek-
tars gefüllt und hingestellt. Alle Brauer bis auf ihn waren
anwesend. Den Vorsitz führte Flemming. Man judicirte
lang und breit, bis die Sache angetragen ward. Da wurde
der hohe Deckelkrug auf die Tafel gesetzt. Er machte die
Runde, jeder kostete und sondirte mit Zung' und Lippen,
vor- und rückwärts an der Tafel. So etwas war doch
Braunschweigs Brauern bis dahin weder über die Zunge noch
unter die Nase gekommen; solcher Würzigkeit und Süßigkeit
kam nichts Gebrautes gleich.
„Nun?" frug Flemming, „was macht Ihr vor allen
Dingen an ein gutes Bier für Ansprüche?"
Man nannte alle Verhältnisse und Eigenschaften, wobei
der Krug wiederholt herumging. Einer schielte den Andern
an, ob er auch nicht zu lange ziehe.
„Also ein gut Verhältniß von Hopf und Malz, bei an-
genehmer Süßigkeit! Was dünkt Euch nun von diesem Trank,
hat der die Eigenschaften? Hel?"
„Ja, Bürgermeister, cs ist keiner, der einen Tadel d'ran
sind't!" sagten die Brauer. „Aber bei alledem muß es auch
„Nein, Konrad!" lachte der Meister, „'s ist das Werk
dieser ehrlichen Fäuste!"
„O! daun laßt mich's noch einmal kosten!"
Vergnügt reichte er ihm abermals den Humpen hin, und
Conrad verdrehte die Augen vor lauter Wohlgeschmack. Nun
kamen die andern Brauer und Knechte, jeder niußte versuchen
was der Meister gebraut. Da war nur eine Stimme darüber.
„Für solch' einen Trank," sagten die Gesellen, „könnt' ein
Menschenkind seinen Antheil am Paradies verkaufen!"
Nur jener Knecht, der mit heiliger Scheu den Meister
und seine Kammer betrachtete, war um keinen Preis zu ver-
mögen, das Gebräu zu proben. „Du bist 'n dummer Hans!"
sagten die Andern. — „Ne, ne!" entgegnete er, „ich weiß,
waS ich weiß!" und dabei blieb's.
Noch am Tage brachte Christian das niedliche Fäßchcn
zu seinem Pathen, dem Bürgermeister und seinem obersten
Zunftschöffen. Das war ein gediegener Trinker, wie seine
feine Zunge und runder Bauch bezeugen konnten.
„Na, Junge! Was hast Du da?" war seine Frage.
„Ihr müßt, Pathe, daß es noch wenige Tage sind, und
's Jahr ist um, das über mein und Agnes Geschick bestimmen
sollte!" —
„Ja, mein Sohn, und wenn Du nichts Bessers hast,
als des Stadtsähndrichs Beute, dann wisch' Dir's Maul
wegen dem Mädchen. Aber laß den Kopf nicht hängen, Du
darfst überall anklopfcn, und 's gibt der drallen Jungfrauen
ja Gottlob noch mehr bei ruis!"
„Da liegt eine Probe vom neuen Gebräu für Euch und
den Stadtrath; versucht's einmal, Pathe!" erwiderte Christian.
Rasch war der Krahnen eingesteckt, ein schwerer Glas-
pokal zur Hand genommen und der Brauer ließ das köstliche
Getränke fließen. Dick und schwarz perlte es unter einem
silbernen Schaumkrönchen; er reichte seinem Pathen den Becher.
Flcmming trank, und guckte über's Glas hinweg, bis die
kleinen Aeugleiu fast ganz verschwanden, und seine Linke sich
mit unbeschreiblichem Ausdruck auf den Oberbauch legte.
„Christian!" sagte er entzückt, „das ist ein Meister-Gebräu!
Der Teufel selbst sollt's nicht besser schaffen können! Noch-
mal halte her!"
Abermals füllte der Brauer das gewaltige Römerglas,
! welches in behaglichen Zügen ausgesogen ward.
„Das macht mich alten Kerl um 20 Jahre jünger!
Nun höre mal! — Da setz Dich. —Man munkelt so allerlei
i von Dir, will sagen, ich glaub's nicht, weil ich weiß, daß
j Du nicht auf'n Kops gefallen bist, — man munkelt, daß
Du heimlich mit dem Teufel hantirst, ja träumend den Erz-
feind angerufen hättest! Das will bewiesen sein, aber das
dumme Volk glaubt's pechfest! Und jetzt, wenn Dein neues
Gebräu erst öffentlich wird, hast Du die ganze Brauergilde
auf'm Hals, die glauben's vielleicht weniger, aber sie ver-
breiten's doch, um Dich durch die Pfaffen zu Grunde zu rich-
ten!" Das war klar wie der Tag und Christian kratzte sich
das Verlcgenheitsplätzchcn hinter'm Ohr.
„Glücklicherweise bin ich Oberbürgermeister", fuhr Flcm-
weißeu Rose.
miug fort, „aber es muß kräftig widerlegt werden!" Da-
mit stand Flemming auf, schenkte sich selbsteigen ein drittes
Glas ein, zum Beweise, wie wenig er selbst an die Teufels-
flunkereien glaubte und leerte es mit allen Zeichen lebhaften
Wohlgefallens. Dann ging er zu seinem Schrein und holte
einen Folianten — die Bibel — sowie Pergament und
Schreibgeräth herbei und sagte: „Christian, Du wirst eine
Urkunde unterzeichnen, daß der Teufel keinen Antheil an Dir
noch an dem Gebräu hat!" Der Brauer lächelte, sprach je-
doch ruhig und fest die verlangte Eidesformel auf's heilige
Buch nach und Unterzeichnete die Urkunde.
„Junge! das wird Sturm geben in der Stadt! Du
ruinirst die alten Brauer, denn es wird am Ende Jeder nur
vom neuen Gebräu trinken!" Christian schenkte nun nochmals
ein, warnte aber seinen Pathen, jetzt nichts mehr zu trinken,
er kenne den Kobold noch nicht, der darin stecke, und unter
herzlichem Händedruck verabschiedete er sich.
Ein angenehmeres Geschenk hätte er dem Stadtrath
nicht machen können, denn daß sein Pathe nun allen Ein-
fluß aufbieten werde, einmal das neue Getränke zu beschützen,
dann auch wegen Agnes ein redlich' Wort fallen zu lassen,
dessen durfte er sicher sein.
Noch waren keine drei Sitzungen vorbei, seit das Fäß-
chen seinen Ehrenplatz auf der Rathstafel einnahm, als
Braunschweigs Magistrat, das neue Getränk unter seinen
bedeutenden Schutz genommen, dem Brauer eine Anerkennung
zollte, die in gewichtigen Dokumenten bestand, welche seinem
Trank die zollfreie Verführung nach allen Gegenden und ge-
waffneten Schutz seiner Transporte zusicherten; — das war
viel, ja mehr, als sich der Brauer wohl vorstellte.
Am Sonnabend derselben Woche versammelte ein Be-
fehl des Oberzunftmeisters die sämmtlichen Brauer der Reichs-
stadt im Gasthaus zur weißen Rose. Es war eine gewöhn-
liche Zunft-Botschaft; keiner der Geladenen ahnte was besonderes.
Christian hatte einen riesigen Deckelkrug bewußten Nek-
tars gefüllt und hingestellt. Alle Brauer bis auf ihn waren
anwesend. Den Vorsitz führte Flemming. Man judicirte
lang und breit, bis die Sache angetragen ward. Da wurde
der hohe Deckelkrug auf die Tafel gesetzt. Er machte die
Runde, jeder kostete und sondirte mit Zung' und Lippen,
vor- und rückwärts an der Tafel. So etwas war doch
Braunschweigs Brauern bis dahin weder über die Zunge noch
unter die Nase gekommen; solcher Würzigkeit und Süßigkeit
kam nichts Gebrautes gleich.
„Nun?" frug Flemming, „was macht Ihr vor allen
Dingen an ein gutes Bier für Ansprüche?"
Man nannte alle Verhältnisse und Eigenschaften, wobei
der Krug wiederholt herumging. Einer schielte den Andern
an, ob er auch nicht zu lange ziehe.
„Also ein gut Verhältniß von Hopf und Malz, bei an-
genehmer Süßigkeit! Was dünkt Euch nun von diesem Trank,
hat der die Eigenschaften? Hel?"
„Ja, Bürgermeister, cs ist keiner, der einen Tadel d'ran
sind't!" sagten die Brauer. „Aber bei alledem muß es auch