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Eine unfreiwillige Fahr t.

der Bürgerwchr den Schönen der Siadl ein Ball gegeben.
"Natürlich fehlte Antonie dort nicht, ihr Vater war ja Com-
mandant der berittenen Artillerie, welche bereits Schleppfäbel
und Sporen trug, einstweilen aber noch die Pferde und Ge-
schütze erwartete.

Jetzt oder nie! dachte ich. Der Augenblick ist günstig,
er muß wahrgenommcn werden. Mein Schneider mußte mir
eine nagelneue Uniform anmessen, grasgrüner Kittel mit roth-
goldener Einfassung, Beinkleider mit demselben Passepoile. Eine
neue seidene Schärpe, weiße Glacehandschuhe, Degen und Feder-
busch vollendeteir das Vallkostüm, welches meinen etwas gries-
grämigen Vater zu der Bemerkung veranlagte, ich sähe eher einem
Hanswurst, als einem Vertheidiger des Vaterlairdes ähnlich.

Das Herz klopfte mir gewaltig, als ich in den Ball-
saal trat, Richtig, da saß Antonie zwischen ihrer Schwester,
einem der Pension eben erst entlaufenen Backfischchen, und
ihrer Mutter, einer sehr hageren und sehr stolzen Frau, die
nach dem Ausdruck ihrer Züge und ihres Blickes zu schließen,
ihre Anwesenheit auf einem Balle, der nicht einmal im Kasino
gehalten wurde, für ein Verbrechen an ihrer Faniilie und
ihrem eigenen rinschätzbaren Ich zu halten schien.

Hinter ihreni Stuhle stand ein junger hochaufgeschossener
Mensch, der sich durch seinen verwegenen Schnur- und Kucbcl-
bart auszeichnete und außer diesem Schmuck Corpsband und
Ccreviskäppchen trug.

Schon beini ersten Blick auf ihn fühlte ich in meiner
Seele eine unüberwindliche Abneigung erwachen, die mehr und
mehr rvuchs, je öfter ich ihn anblickte.

Jetzt bcnicrkte mich and; Antonie.

Sie flüsterte dem Studenten einige Worte zu, und ich
sah, daß ein malitiöses Lächeln über seine Lippen glitt, wäh-
rend er mir einen ebenso malitiösen Blick zuwarf.

Das trieb mir die Galle in's Blut, aber ich hatte kein
Recht, den Bruder Studio deßhalb hinauszuweisen, trotzdem
ich Mitglied des Festcomitös und sogar Tauzordner war.

Ich näherte mich Antonien.

War es meine llnbeholfcnheit oder wollte das Schicksal
mir an diesem Abend in jeder Beziehung eine demüihigende
Niederlage bereiten, — genug, kaum fünf Schritte von Antonie
entfernt, carambolirte ich mit einem meiner College», der
seinen Damen eigenhändig eine Tasse Thee brachte.

Der alte Herr, seines Zeichens ein Zuckerbäcker und da-
neben Rittmeister einer Schwadron Bürgerwehr - Cavallerie,
hielt bei dieser Carambolage das Brett, auf welchem die
Tassen standen, so ungeschickt, daß deren Inhalt sich bis auf
den letzten Tropfen über meine neue Uniform ergoß. Der
Bruder Studio war ungebildet genug, recht laut und, wie
mir nicht entging, recht schadenfroh darüber zu lachen.

Ich begnügte mich damit, ihm einen Blick zuzuwerfen,
in welchem er meine Antwort auf diese Grobheit ziemlich
deutlich lesen konnte, und tröstete mich dann mit der herz-
lichen Theilnahme, welche Antonie mir bewies.

Natürlich konnte das Backfischchen das Lachen nicht ver-
beißen, ich hörte es hinter dem feinen Battisttuche kichein,

während die Frau Mama mit einer geringschätzenden Indolenz,
die mir das Blut in die Wangen ltieb, auf mich herabsah.

Der Studiosus, der sich das unschuldige Vergnügen be-
reitete, ein Glas in's Auge zu klemmen, um mich vom
Scheitel bis zur Sohle meiner Glanzstiefel zu mustern, wurde
mir als ein Letter Antoniens vorgestellt. Er studirte Medici»,
und die Narbe in seinem Gesicht, die ich erst jetzt bemerkte,
verrieth mir, daß er auf dem Paukboden das Seinige auch
geleistet hatte.

Der Ball begann.

Ich hatte Antonien zum Cotillon engagirt, da sic die
übrigen Tänze schon vergeben hatte.

„Nehmen Sic sich in Acht/' flüsterte mir der Haupt-
mann zu, als ich nach dem Walzer an's Buffet trat, um mich
zu erfrischen, „der Studiosus ist ein Raufbold, er hat es
auf Sie abgesehen."

„Auf mich?" fragte ich betroffen.

Mein Hauptmann nickte und goß hastig ein Glas Wein
hinunter.

„Hab's mit eignen Ohren gehört, daß er sich über Sie
lustig machte," sagte er. „Und Antonie, — na, wissen Sie,
die denkt auch, der Titel: Frau Doctor klinge besser, als
Frau —"

„Donner und Doria, wenn ich das sicher wüßte!"
unterbrach ich ihn.

„Was wollen Sie thun?" fragte er ruhig. „Wenn Sic
mit dem Mediziner anbinden, sind Sie verloren, er schießt
und schlägt ausgezeichnet."

„Kennen Sie ihn?"

,,Das nicht, aber ich habe schon sein ganzes Curriculum
vitae hinuntergeschluckt; der steife Lederhändler hat's mir
weitschweifig initgelheilt. Uebrigens müssen Sie nicht glauben,
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine unfreiwillige Fahrt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Watter, Joseph
Entstehungsdatum
um 1870
Entstehungsdatum (normiert)
1860 - 1880
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Stoß
Verunreinigung
Kollege
Schwester <Motiv>
Romantische Liebe
Student <Motiv>
Ball <Tanzfest, Motiv>
Ballsaal
Junger Mann <Motiv>
Karikatur
Uniform <Motiv>
Mutter <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Menschenmenge <Motiv>
Cousin <Motiv>
Peinlichkeit <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 52.1870, Nr. 1293, S. 130

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