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Sultan.

39

Freund, das ist ein grausames Fieber und das wünsch' ich
meinem ärgsten Feinde nicht!"

Er blieb mit einem Male stehen, schwankte dann, wie in
einem rechten Taumel aus den Lehnstuhl zu und fiel hinein,
als ob er hineingeworsen werde. Draus überfiel ihn fichtlich
ein großer Frost, gewaltig schüttelte es ihn. Auch zog er den
Haustalar hoch hinauf, daß man kaum mehr die Stirne sah
und steckte dann beide Hände übereinander in die weiten Aermel,
so weit er nur konnte.

„Das ist ein sehr starkes Fieber," sagte der Diener.

„Das will ich meinen, daß das ein starkes Fieber ist" —
stotterte Herr Talamont, indem er aus dem Katzenpelze ein
wenig hervorschaute, „macht nur, daß ich das Verlangte bald
bekomme!"

„Ei ich vergaß nur, ob Ihr braunen oder Weißen Honig-
seim wollt" — sagte Jener.

„Um Gottes Himmelswillen," stotterte Herr Talamont,
„das wär' das Wahre, einen weißen Honigseim! Einen braunen
müßt Ihr mir schicken — versteht Ihr mich, schicken müßt Ihr
ihn, ich kann Euch nicht so sehr plagen!"

Der Diener eilte fort. Herr Talamont blieb aber jetzt
wohlweislich sitzen, bis der Toni vom Stern herüberkam. Der
wollte auch gleich Hand anlegen und fragte um die Mischung.

Da stand Jener aber vom Lehnstuhl auf. „Ich dank' Euch,
j lieber Toni," sagte er, „ich glaube, ich werde den Trank nicht
vonnöthen haben. Mir ist zusehends besser geworden. So ist's
immer bei dem Anfall. Mit einem Male kömmt's und eben
so schnell ist's wieder fort, als war' es weggeblasen. Der
■ Trank aber hat mir schon oft geholfen. Also merkt Euch's —

J wenn Einer an der Krankheit leidet, die mich plagte, so gebt
j ihm nur gleich Essig und Honigseim durcheinander. Hilft's
ihm nicht, so dürft Ihr sicher sein, daß eS ihm mindestens
nichts schadet. Mir selber aber hat jetzt die Natur geholfen
und es ist mir sehr leicht und angenehm. Nur mein Magen
ist schwach, weil ich seit gestern Mittags nicht das Geringste
zu mir genommen Hab'. Seid also so gut, lieber Freund, und
bringt mir etwas Nahrhaftes zu essen — hier ist ein guter
Groschen — etwa« ein gutes Kälbernes und ein Stutzglas
Braunes dazu — wenn Ihr einige Heller herausbekommr, so
mögt Ihr sie behalten für den Honigseim und Essig, auch
Euere viele Müh'."

Eine Viertelstunde später war Herr Talamont schon bei
versperrter Thüre über seinem Kälbernen her und ließ es sich
sehr wohl schmecken. Das Stutzglas sah er durch's Licht an
und blies dann den Schaum ab.

„Ah," sagte er, nachdem er getrunken, „das muß man den
Münchnern lassen, darin thut's ihnen keine Stadt gleich; das
ist einmal ein rechtes Oel, daß man einen König damit salben
könnte — aber die Jungfrauen — das ist eine schlimme An-
gelegenheit! 's ist grad, als ob sie keine Augen hätten, zu sehen,
und sind doch die Augen so schön — und kein Herz zum Em-
pfinden und find doch wohlgesormt! Talamont, da hilft jetzt
Alles nichts, hie sind deine Hoffnungen verloren, darfst vom
Glück sagen, daß der Gras vom Haag nicht frei ist — der käm' I

dir am End' noch hinter die heutige Sach', und all deine
Aussicht beim Herzog ging zu Trümmern. In drei Tagen muß
der Herzog ausgemünzt haben, dann machst dich von dannen,
Talamont — bis dahin wird dir die Maid wohl nicht begegnen,
und wenn auch — wo ist der Beweis für die That? Du
läugnest alle Sternlein vom Himmelszelt — aber heut bleib'st
zu Haus, denn du hast ein starkes Fieber — der Herr Herzog
glaubt es — also mußt n ja nicht Lügen strafen."

5.

Um die neunte Stunde des nächsten Tages war's. Albertus
hatte Befehl gegeben, den Lothringer anzumelden, sobald er
käme. Viel Wirkliches hoffte er nicht, denn er war ein gar
klarer, unbeschränkter Geist, und hielt also im Ganzen wenig
auf des Lothringers Künste. Er lehnte eben, die Hand auf
des Löwen Haupt gestützt, auf seinem Ruhesitz, als die
Thüre sich öffnete und ein Diener eintrat.

„Ist Herr Talamont da?" fragte der Herzog.

„Vergebung, hoher Herr," entgegnete der Diener — „der
hochwürdige Pater Canifius —"

„Möge nur hereinkommen!"—„Was bringt Ihr, Herr Pa-
ter?" fragte er den Eintretenden rasch — „ist der Graf frei?"

„Er ist frei, hoher Herr!" sprach Jener, sich tief verbeugend.

„Hat er Euch sonst keinen Auftrag gegeben?"

„Wohl that er das, hoher Herr!"

„Das wird bitter genug klingen, ich kann mir schon denken
wie das lautet. O ich wußte wohl, wie der Sinn, so die
Worte — wie die Seele, so der Dank! Könnt mir's ein
anderes Mal sagen — ich möchte guter Laune bleiben!"

„Ihr thut dem Grasen sicher Unrecht, Herr Herzog —“

„Ei laßt ab, er ist frei — damit genug! Das Nächste und
Wahre werden wir schon hören in kürzester Zeit von Undank
und wildem Trotz, wie ich es vorausgesagt. So wird es kom- !
men — denn hält' er sein Unrecht eingesehen, hinwieder meine
Gnade, wär's ihm wohl angestanden-"

„Zu versuchen, bei Euch vorzukommen, hoher Herr," fiel
der Pater ein. „Er verlangt auch nichts Besseres! Gestattet
ihm, Euer gnädig Antlitz zu sehen!"

„Wie? Er wäre hier?" rief Albertus.

„Im Vorgemach, gnädigster Herr Herzog!" antwottete der
Pater —; dem raschen Wink des Herzogs fast zuvorkommend, *
eilte er an die Thür. Herein ttat der Graf Ladislaw von
Haag. Er neigte sich ehrerbietig, dann stand er, der Anrede
des Herzogs gewärtig da, das Auge mild, aber frei erhebend.

Alberms sah ihn — die Arme verschränkt — einige Sekunden
schweigend an, denn er erwartete seinerseits Anrede und Dank.

„Nun, Herr Graf" — sagte er endlich — „habt Ihr mir
nichts zu sagen?"

„Hoher Herr," entgegnete der Gras von Haag ein wenig
bitter — „also freilich, weil Ihr einem armen Gefangenen das
Wort gönnt."

Albertus sah ihn befremdet an. Der Pater Canifius erbebte,
denn er fürchtete, der Graf habe nichts Gutes im Munde, weil
er vom Gefangensein sprach, da er doch frei war.
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