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Memoiren eines Opferpfennigs.

liegt ja auf der andern Seite des Zimmers, dacht' ich mir, die
Blumen kann ich nicht gesehen haben.

Ich schaute nochmal durch den durchlöcherten Pfennig und
sah das alte Schauspiel, ja je länger ich hinschaute, desto
schöner ist es geworden. Ich setzte mich nieder, um das Ding
bequemer beobachten zu können, und bald sah ich vor meinen
Blicken eine ziemlich tiefe Höhle fich ausbreiten, von grünlichem
Licht durchflossen, die Wände von glänzenden Steinen und
Metallen bedeckt, der Boden von Metalladern, wie von Straßen
und wogenden Bächen durchzogen. Aus einem dieser Bäche
tauchte ein Kahn auf, der auf den Wellen dahinschaukelte; wie
er jetzt um eine Art winzigen Vorgebirges herumfuhr, erhielt
er auch einen Fährmann, ein sonderbares Männchen; war es
wirklich so klein, oder schien es mir nur durch die Ferne so
klein — ich könnt' es nicht unterscheiden. Aber etwas Leben-
diges war cs gewiß, und es kam mir immer näher; aus dem
Rand des Schiffleins reitend hing ein Füßlein in den Bach
hinaus, und diente als Ruder. Das Männlein schien Verlangen
nach mir zu tragen, denn sobald es meiner anfichtig wurde,
grüßte es gar zierlich mit der Rechten und zappelte mit den
Ruderfüßchen, so daß der Kahn merklich schneller schwamm.
Es war sicher kein bloßes Spiel der Phantasie — denn das
Männlein landete, ging gebeugt durch das runde Thor der
Höhle und da saß er auf meiner Streusandbüchse. Der Pfennig
aber war wie zuvor mein gewöhnlicher durchlöcherter Pfennig.
Aber soviel war unzweifelhaft: ich hatte Gesellschaft, und wie
ich zu meinem Schrecken hörte, keine stumme Gesellschaft. Mein
Männlein hatte sich auf der Streusandbüchse zurechtgesetzt,
schaute mit herrschmdcr Miene um fich, hustete, schneuzte fich,
und that überhaupt wie Einer, der ins Zimmer hereingehört.

„Hab' die Ehre, guten Abend zu wünschen," so redete er
mich mit einer Verbeugung an. Ich hatte schon mein Eror-
cismen-Buch holen wollen, aber so höflich, dacht' ich mir, ist
kein böser Geist. Ich betrachtete jetzt das Wesen genauer. Ein
Claquehütchen unter dem Arm, gestickte Weste, sammtener Rock,
weißseidene Strümpfe mit Schnallenschuhen, gepuderte Haare —
Alles dies deutete an, daß das höfliche Männchen nicht ein
Zeitgenosse von mir sei.

„Sie haben es verschmäht," erwiederte ich ihm, „bei der
Thür hereinzukommm und das muß Sie mir nothwendig etwas
verdächtig machen. Soll ich daher mich mit Ihnen m ein Ge-
spräch einlaffen, so belieben Sie Sich zuerst über die drei Fragen
zu äußern: Wer Sie find, wie Sie Hieherkommen konnten und
was Sie hier wollm." —

Ein freundliches Lächeln überflog das kupferröthliche Gesicht
meines Gastes und er Hub an:

„Vor der Hand bin ich jetzt Ihr Gast, daß Sie aber zu
wünschen wissen, woher ich ursprünglich bin und stamme, das
find' ich natürlich und Sie sollen sogleich Ihre Frage beant-
wortet haben: Wer ich bin? In gerader Linie stamme ich von
dem Riesengeschlecht Enakim." Hier hob fich der Kleine und
warf fich in die Brust, es war dies auch sehr nothwendig,
wenn man sein Haselnußgroßes Mäulchen betrachtete, aus dem
fich das Wort Enakim mühsam herauswand.

„Von dem Riesengeschlecht Enakim also", fuhr er fort,
„die Kinder Gottes, und die Kinder der Welt — ich setze
voraus, daß Sie ein bibelkundiger Theolog sind. — Die Kinder
Gottes, und die Kinder der Welt standen fich, wie Sie wissen,
in spröder Abgeschlossenheit gegenüber, da war kein Handel
und kein Wandel, kein Verkehr, und kein nützliches Hin und
Her — kurz Nichts, und die bessern Kräfte blieben brach
liegen. Da hatten von den Gvlteskindern einige den guten
Einfall, Wohlgefallen zu fassen an den Töchtern der Welt und
dieser herrlichen Alliance entsproßte das Geschlecht der Enakim.
Sie werben, mein Herr, schon oft Ähren exegetischen Scharfsinn
angestrengt haben, die Spur der Enakim's zu finden, die Bibel
meldet von ihnen nichts. Ich kann Ihnen aber mit der Nach-
richt dienen, daß dieselben in Geister und Schützer des Verkehrs
unter den Menschen sind verwandelt worden. — Bewundern
Sie", fuhr der Kleine mit Eniphase fort, „bewundern Sie die
Weisheit dieser Maßregel. Wer war geeigneter zu Vermittlem
des Verkehrs als gerade wir, die wir unsere Abstammung von
Söhnen Gottes und den Töchtern der Welt herleiten, und also
das natürliche Verbindungsmittel Beider find. Wir haben die
Frömmigkeit der Kinder Gottes und haben auch die Schönheit
und die kluge Gewandtheit der Welttöchter, und der von uns
unterhaltene Verkehr hat keinen andern Zweck, als Frömmigkeit
und Schönheit, Einfalt und Klugheit, kurz Himmel und Welt
zum Menschenthum zu verschmelzen. Ueberdieß waren meine
Enakischen Ahnen so unbequem, daß Menschen und Engel sie
gern loshatten, was konnte daher weiser erdacht werden, als
fie zu Geistern des Verkehrs zu machen? Unsere riesigen Ge-
stalten haben wir zwar mit denen vertauschen müssen, in der
ich hier erscheine, aber dieser Tausch steht in nothwendiger
Verbindung mit den von uns bezogenen Wohnungen. Nach
dem Willen unseres Stammherrn haben wir nämlich in den
Münzen unfern Aufenthalt genommen. So beschränkt auch
diese Logien sein mögen, so sehr erleichtern sie das uns oblie-
gende Geschäft. Denn es giebt keinen Winkel des Erdkreises,
den wir in unfern Münzenwohnungen nicht erreichten. Wir
find in dem Geldkasten des Reichen und in der Ledertasche des
Armen, wir halten die entferntesten Punkte der menschlichen
Gesellschaft besetzt, auf den höchsten Höhen und in den tiefsten
Tiefen find unsere Wachtposten aufgestellt, kein Ereigniß ge-
schieht, keine Regung im menschlichen Herzen erhebt sich, die
wir nicht zur Beförderung des Verkehrs benützen. Drei Rang-
ordnungen bestehen unter uns: Gold-, Silber-, Kupfergeister; ich
gehöre zu letzteren. Meine Geschäfte sind in jetziger Zeit gut;
denn verschiedene Pfennigsunternehmungen als Pfennigmagazine,
Pfennigatlaffe, Pfennigmeetinge find Erzeugnisse meines erfin-
derischen Geistes, und ich arbeite jetzt, schloß das Männchen,
mit behaglichem Selbstgefühle an der Errichtung von Pfennig-
regierungen und Hellerparlamenten."

„Der spricht nicht übel," dacht' ich mir, „will schauen ob
ich seinem Redefluß nicht ein neues Bett eröffnen kann. Wer
Sie find, sagt ich, also das wüßt' ich jetzt — aber wie Sie
hieher kommen" —

„Das," unterbrach mich der Kleine, „sollen Sie gleich
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