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Memoiren eines Opferpfennigs.

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kören. Ich gehöre zu den besonders Beglückten meines
Geschlechtes. Ter heilige Bann, der in unsere Wohnungen
uns einschließt, ist das dem Metall aufgedrückle Gepräge.
Sobald die Formen der Münzen geschlossen sind, ist auch das
Thor verriegelt, durch das einer meiner Brüder in der Münze
festgehalten wird. Wenn das Gepräge sich abreibt, so ist die
Münze wieder das, was sie zuvor war, ein unbelebtes Stück
Metall. Wird aber nur ein Theil des Gepräges unterbrochen,
so hat der Münzengeist ein Thörchen, durch das er aus seiner
Wohnung schlüpfen, und in menschlicher Gestalt erscheinen kann.
Nun betrachte meine dort liegmde Wohnung, und in der runden
Oeffnung derselben wirst du den Weg erkennen, der es mir
möglich gemacht hat, hier mich mit dir in Freundschaft zu be-
sprechen, während meine Brüder, die dort in jenen Pfennigen
wohnen, noch manche Jahrzehnte harren müssen, bis sie von
ihren schweren Geschäften abgelöst werden/'

Es war hier als ob mein auf dem Tisch liegender Pfennig-
haufen von unsichtbaren Händen wäre gerüttelt worden, denn
eine Bewegung ging durch sie hindurch, der ein leises weh-
müthiges Klingen folgte. Der Kleine aber auf der Streusand-
büchse erzählte weiter:

„Und ferners sollst du wissen, mein Freund, das Brustbild,
das auf dem Gepräge der Münzen sich erhebt, ist das uns ver-
haßte Zeichen, daß wir dem Menschen dienen müssen. Ist nun
dieses Brustbild, wie bei meiner Wohnung dort der Fall
durchbohrt, so werden wir Befreit, wenn wir mit jenem mensch-
lichen Sinn in Berührung gebracht worden, der am Brustbild
durchbohrt ist; in dem Augenblick nun, da die Strahlen deines.
Auges durch die Oeffnung im Aug meines herrschenden Brust-
bildes fielen, hatte für mich und ich hoffe auch für dich die
glückliche Stunde geschlagen, wo mir die runde Oeffnung zum
Ausgangsthore wurde, durch das ich zu dir gelangen konnte."

Zu dem Theil seiner Worte, der seinen Ausgang als ein
Glück auch für mich bezeichnete, nickte ich bejahend. Das Männ-
lein schien auf diese Höflichkeit gewartet zu haben, denn er
hatte eine Zeitlang inne gehalten. — Dann erzählte er weiter:

„Was unsere äußere Erscheinung betrifft, so müssen wir
uns nach der Zeit richten, in welchem unser herrschendes Brust-
bild regiert hatte, darum erscheine ich in Etwas altmodischer
Kleidung."

Ich ergriff meinen merkwürdigen Pfennig, und las die um
das augenlose Brustbild stehenden Worte: Josephe primus
8. R. Imperii Augustus, das war also ganz richtig mit der
Kleidung; hätte meinem Gaste nicht die erforderliche Körper-
länge gefehlt, er hätte unbedenklich als Kammerherr am weiland
Kaiser Joseph's Hof auftreten können.

In Erstaunen versunken betrachtete ich bald den Pfennig,
bald das im. Mondlicht wie neugeprägtes Kupfer schimmernde
Gesicht meines Männchens. Es schien, als ob von seinem Ge-
sicht die Mondstrahlen auf den Pfennig sich zurücksenkten und
wie eine Art von Mondstäubchen mit tanzender Bewegung den
Raum erfüllten, der zwischen dem Sohn der Enakims und seiner
Wohnung lag. Ich war so in die Betrachtung dieses Schau-
spieles vertieft, daß ich eine ziemliche Weile die Erzählung

meines Gastes überhört hatte; als ich auf seine Worte wieder
aufmerkte, war er schon lange beschäftiget, mir die Absicht
seines Hiehcrkommens auseinander zu setzen.

„Wir wandeln alle Wege, wir kennm alle Wünsche, wir
wissen alle Wehe, keine Freud' kann uns entgehen, wir zählen
alle Thränen, wir hören alle Seufzer und was selbst dem
Sonnenlicht sich entzieht, vor uns verbirgt es sich nicht. Haben
unsere herrschenden Brustbilder nicht Augm, durch die wir Alles
sehen, nicht Ohren, durch die wir Alles hören, nicht Herzen,
dürch die wir Alles fühlen können? Und hat mein Brustbild
dort nicht auch einen Mund, durch dm ich dir Alles erzählm
kann, wenn du es zu wissen Lust hast? So erkläre dich, sterb-
licher Pfarrer!"

„Wird mir sehr angenehm sein" — erwiederte ich, durch
die plötzliche, ungewohnte Apostrophe in Verlegmheit gesetzt.
„Wann werd' ich wieder das Vergnügen haben Sie zu sehm?" —

„Du kannst, so oft du Lust hast, durch dm dir bekanntm
Zauber mich zu dir bringen, aber es ist ein Slammesgesetz,
dem wir Kupfergeister unterworfen find, daß wir keinem Sterb-
lichen zweimal nacheinander erscheinen dürfen, wenn wir nicht
dazwischen einmal unter den Leuten gewesen sind und da unsere
Geschäfte gemacht haben. Willst du mich also wieder sehen,"
fuhr das Riesenkind mit zittemder Stimme fort, „so mußt du
mich zuerst ausgebm." —

Da knackte die Uhr und es fiel der erste Schlag von der
zwölften Stunde. Daher jenes Zittem in der Stimme meines
Gastes; er durfte, wie ich später erfuhr, nicht über eine Stunde
außerhalb seines kupfemen Schilderhauses zubringen. Die Zeit
war jetzt vorbei, er eilte sich zum Abzug; er sprach nicht mehr,
zappelte unruhig mit den Füßm und hielt sein Auge starr auf
sein Pfennighaus geheftet. Eine andere merkwürdige Erschein-
ung konnte ich dabei beobachten. Bon den zwischm dem Gesicht
des Männchens und seinem Haus hin- und hertanzendm Mond-
fädchenstrahlen Hab' ich schon Meldung gethan. Ich hatte sie
natürlich nicht gezählt, aber jetzt merkt ich, daß es zwölf warm,
vermuthlich die Stunde zu bezeichnen, wo der Urlaub des kleinm
Enakims aus war. Denn mit jedem Schlag der Uhr riß ein
solches Fädchen, so daß ich ihre Zahl ganz bequem bestimmen
konnte. Und so oft ein Fädchen airiß, neigte sich das stumme,
starre Männchen mehr dem Pfennig zu, mit dem letztm Schlag
von zwölf Uhr, riß das letzte Fädchm, und mein Gast war
verschwunden.

Als mich am andern Morgen das Läutm in die Kirche
aufweckte, erinnerte ich mich noch dunkel an die Ereignisse von
gestem Abends. Ich wußte Nichts Rechtes damit anzufangen;
war's etwas Geschehenes? Hab' ich's gelesen? Ist es mir in
Herrnrast erzählt worden? Nichts von dem! Ach wie närrisch,
dacht' ich mir und sprang aus dem Bett, da das Läutm immer
dringender wurde: Ein Traum war's, und dazu ein sehr ange-
nehmer. Als ich von der Kirche heimkam, ein spärliches Häuf-
chen Opserpsmnige in der Hand, die ich zu meinem gestrigm
Psennig-Borrath legen wollte, da sah ich den bewußtm Zwei-
ring mit dem Aug durchlöcherten Kaiser Joseph, und die Zweifel
über die Natur der nächtlichen Ereignisse erwachtm aufs Neue.
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