Metadaten

Quatember, Ursula; Kalasek, Robert; Pliessnig, Martin; Prochaska, Walter; Quatember, Hans; Taeuber, Hans; Thuswaldner, Barbara; Weber, Johannes
Der sogenannte Hadrianstempel an der Kuretenstraße (Textband): Der sogenannte Hadrianstempel an der Kuretenstraße — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.46296#0016
Lizenz: Creative Commons - Namensnennung
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
15

EINLEITUNG
1 DIE FRAGESTELLUNG: DER TEMPEL AN DER KURETENSTRASSE
Im Jahr 1956 wurde an der Kuretenstraße in Ephesos (Taf. 1-2) ein kleiner Tempel ausgegra-
ben1. Es handelt sich grundrisstypologisch gesehen um eine Variante eines tetrastylen Prostylos,
dessen Front einen >syrischen Giebeh aufwies (Taf. 3). Vermeintlich in Übereinstimmung mit
der Bauinschrift deutete der Ausgräber Franz Miltner das Gebäude als Neokorietempel für Kai-
ser Hadrian. Die Existenz eines solchen Kaiserkulttempels in Ephesos, welcher der offiziellen
Herrscherverehrung in der Provinz Asia gedient hatte, war zu diesem Zeitpunkt bereits aus
unterschiedlichen Quellen bekannt. Die - scheinbare - Auffindung dieses Gebäudes stellte einen
willkommenen Erfolg dar, der die Wiederaufnahme der österreichischen Forschungen in Ephesos
in der wirtschaftlich schwierigen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg im Nachhinein rechtfertigte2.
Erste Ergebnisse zur Untersuchung des Gebäudes und dem im Pronaos angebrachten Wandfries,
auf dem u. a. eine Szene der Stadtgründung von Ephesos dargestellt ist, wurden in mehreren
Vorberichten publiziert3. Die kunsthistorische Einordnung dieser Reliefplatten führte bald zu
kontroversen Diskussionen in der Forschung4. Aber auch die Gesamtdeutung des Bauwerks als
Neokorietempel blieb nicht unwidersprochen. Nach mehreren Diskussionsbeiträgen überwogen
schließlich die von Ewan L. Bowie und Michael Wörrle geäußerten Zweifel an dieser Interpre-
tation5. Eine neue Deutung des Bauwerks konnte sich trotz mehrerer zur Diskussion stehender
Vorschläge jedoch nicht etablieren. Eine der wesentlichen offenen Fragen war etwa, ob es sich
bei dem >>Hadrianstempel< um ein kaiserzeitliches Bauwerk oder um eine Zusammenstellung
von Spolien gehandelt habe, die erst in der Spätantike an ihren heutigen Ort gekommen waren6.
Ohne eine grundlegende Klärung dieser Unsicherheiten fehlte es weiterführenden Überlegungen
zu Funktion des Bauwerks an einer fundierten Basis.
Die Ruine des Tempels an der Kuretenstraße wurde in den Jahren 1956-1958 unter Verwen-
dung originaler Bauteile und moderner Materialien teilweise wieder aufgebaut. Dieser Wieder-
aufbau dominiert - gemeinsam mit der später errichteten Celsusbibliothek - das heutige Bild der
Kuretenstraße und wurde zu einem der bekanntesten archäologischen Monumente der Türkei.
Ein kontinuierliches Monitoring seit der Fertigstellung der Anastylose war jedoch unterblieben,
sodass mehr als 50 Jahre nach Wiedererrichtung keinerlei Informationen zu Bau- und Erhal-
tungszustand des Gebäudes vorhanden waren.
Auf Anregung von Sabine Ladstätter in ihrer Funktion als Leiterin der Grabung Ephesos
wurde deshalb am Österreichischen Archäologischen Institut ein Forschungsprojekt konzipiert,
dessen Ziel eine umfassende Untersuchung des >Hadrianstempels< sein sollte7. Für die Antike
stand als übergeordnete Fragestellung die Klärung von Funktion und Nutzung des Bauwerks im
Vordergrund, die auf einer Analyse des Bauwerks und seines kulturhistorischen Gesamtkontexts
beruhen sollte. Zusätzlich umfasste das Konzept die moderne Ruine und ihren Wiederaufbau
in den 1950er Jahren. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Bestands- und Zustandsuntersu-
chung sollten die aufgetretenen Schadensphänomene dokumentiert und ihre Ursachen analysiert

1 Ausführlicher dazu Kap. LI.
2 Zur Erforschung der Kuretenstraße nach dem Zweiten Weltkrieg s. Quatember 2005.
3 Miltner 1957a, 21-23; Miltner 1957b, 22 f.; Miltner 1959a, 264-273.
4 Vgl. dazu bes. Kap. 1.6.2.
5 Vgl. dazu Kap. 1.1.2.
6 Vgl. dazu beispielsweise die Überlegungen von Hueber 1997, 86-88.
7 s. u. Abschnitt 2.
 
Annotationen