1.8 Bautypologie (Ursula Quatember)
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1.8 BAUTYPOLOGIE
1.8.1 Überlegungen zur typologischen Definition des >Hadrianstempels<
Unter einem »Typ« - sei es in der Architektur, in der archäologischen Fundbearbeitung oder
jeder anderer Klassifizierung von Entitäten - versteht man im Allgemeinen eine Gruppe von
Objekten mit bestimmten gemeinsamen Eigenschaften968. Die Parameter, nach denen diese Klas-
sifizierung erfolgt, müssen für jede Definition eines »Typus« festgelegt werden. Ausschließlich
>natürliche<, den Objekten >immanente< Typen gibt es hingegen nicht969. Die Festlegung der
herangezogenen Eigenschaften erfolgt immer im Hinblick darauf, worauf bei der Analyse des
Typus abgezielt wird970. Diese Frage sei zum besseren Verständnis an einem Beispiel aus einem
anderen Bereich der antiken Architektur illustriert: Für eine Klassifizierung antiker Bauten nach
funktionalen Kriterien ist es notwendig, unterschiedliche Kriterien der Nutzung zu definieren, wie
Wasserversorgung - Brunnen, Wohnen - Wohnhaus oder kommerzielle Zwecke - Tabernen und
Läden. Viele Publikationen und Handbücher über antike Architektur strukturieren ihr Material
nach derartigen Parametern971. Für bestimmte Fragestellungen ist es jedoch zielführend, andere
Kriterien heranzuziehen. Eine Entwicklungsgeschichte des Bautypus >Fassadennymphäum< lässt
sich beispielsweise nicht auf die >Funktionskategorie Brunnern reduzieren. Fassadennymphäen
sind mit - meist mehrstöckigen - Ädikulaarchitekturen ausgestattet, die auch an Bautypen ande-
rer Zweckbestimmung vorkommen, beispielsweise an Theaterfassaden. Sich bei einer Analyse
der architekturhistorischen Entwicklung von Fassadennymphäen mit Tabernakelarchitektur rein
auf den >Funktionstypus Brunnern zu konzentrieren, ohne Gebäude mit anderer Nutzung einzu-
beziehen, würde die Evolution von Fassadennymphäen eventuell falsch abbilden972.
In diesem Sinn ist auch festzulegen, wie der Typus des >Hadrianstempels< definiert werden
soll, und welche Vergleichsbeispiele zu seiner Analyse herangezogen werden können. Grund-
risstypologisch weist der Bau viele Elemente auf, die sich auch am Prostylos der kanonischem
antiken Tempelarchitektur wiederfinden973: Dem Innenraum ist ein Pronaos vorgelagert, der von
zwei Antenwänden gebildet wird, vor die zur Straße hin vier Stützglieder gesetzt sind. Gleich-
zeitig ergeben sich im Detail jedoch auch Unterschiede. So finden sich etwa an der Front neben
den beiden mittig angebrachten Säulen bei dem >Hadrianstempel< an den Außenecken zwei
Pfeiler. Auch der Innenraum, der eine größere Breite als Tiefe aufweist, entspricht damit nicht
den >typischen< Eigenschaften eines Prostylos.
Für eine Analyse des Bautypus ist es deshalb notwendig, zunächst die Parameter zu diskutie-
ren, nach denen der >Hadrianstempel< einer Gruppe von Gebäuden zugeordnet werden soll. Eines
der auffallendsten Elemente am Grundriss des Tempels ist die breite, der Gebäudefront gegenüber
asymmetrisch angeordnete Cella. Dies hat Claudia Lang-Auinger dazu veranlasst, Vergleiche mit
mesopotamischen Breitraumtempeln anzustellen974. Ihrer Ansicht nach fügt sich der ephesische
Tempel in das Gestaltungsschema der Breitraumcella mit vorgelegtem Propylon ein und erinnere
an den Bel-Tempel von Dura Europos oder den Tempel von AtTl im Hauran. Er wäre als eine
Anspielung auf Kaiser Traians militärische Verdienste im Osten975 und möglicherweise auch
auf hellenistische Herrscherkulte zu sehen. Eine solche Deutung ist m. E. jedoch abzulehnen:
Von dem breiten Innenraum abgesehen, haben die hier vorliegenden Untersuchungen bezüglich
der Rekonstruktion Lang-Auingers Vorstellungen über weitere >orientalische< Elemente in der
968 Die hier dargestellten Prämissen beruhen auf den Grundlagen von Adams - Adams 1991.
969 Adams - Adams 1991, bes. 67 f.
970 Adams-Adams 1991, bes. 157-168.
971 So beispielsweise von Hesberg 2005, 63-203.
972 s. dazu ausführlicher Quatember 2011a, 87-90.
973 Zum Prostylos s. beispielsweise Gruben 2001, 29 f. mit Abb. 16.
974 Lang-Auinger 2010, 191-196.
975 Bei einer Fertigstellung des Bauwerks 117/118 n. Chr. ist von einem Beginn noch während der Regierungszeit
Traians auszugehen. Zu Datierung und Baubeginn s. Kap. 1.2.1.
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1.8 BAUTYPOLOGIE
1.8.1 Überlegungen zur typologischen Definition des >Hadrianstempels<
Unter einem »Typ« - sei es in der Architektur, in der archäologischen Fundbearbeitung oder
jeder anderer Klassifizierung von Entitäten - versteht man im Allgemeinen eine Gruppe von
Objekten mit bestimmten gemeinsamen Eigenschaften968. Die Parameter, nach denen diese Klas-
sifizierung erfolgt, müssen für jede Definition eines »Typus« festgelegt werden. Ausschließlich
>natürliche<, den Objekten >immanente< Typen gibt es hingegen nicht969. Die Festlegung der
herangezogenen Eigenschaften erfolgt immer im Hinblick darauf, worauf bei der Analyse des
Typus abgezielt wird970. Diese Frage sei zum besseren Verständnis an einem Beispiel aus einem
anderen Bereich der antiken Architektur illustriert: Für eine Klassifizierung antiker Bauten nach
funktionalen Kriterien ist es notwendig, unterschiedliche Kriterien der Nutzung zu definieren, wie
Wasserversorgung - Brunnen, Wohnen - Wohnhaus oder kommerzielle Zwecke - Tabernen und
Läden. Viele Publikationen und Handbücher über antike Architektur strukturieren ihr Material
nach derartigen Parametern971. Für bestimmte Fragestellungen ist es jedoch zielführend, andere
Kriterien heranzuziehen. Eine Entwicklungsgeschichte des Bautypus >Fassadennymphäum< lässt
sich beispielsweise nicht auf die >Funktionskategorie Brunnern reduzieren. Fassadennymphäen
sind mit - meist mehrstöckigen - Ädikulaarchitekturen ausgestattet, die auch an Bautypen ande-
rer Zweckbestimmung vorkommen, beispielsweise an Theaterfassaden. Sich bei einer Analyse
der architekturhistorischen Entwicklung von Fassadennymphäen mit Tabernakelarchitektur rein
auf den >Funktionstypus Brunnern zu konzentrieren, ohne Gebäude mit anderer Nutzung einzu-
beziehen, würde die Evolution von Fassadennymphäen eventuell falsch abbilden972.
In diesem Sinn ist auch festzulegen, wie der Typus des >Hadrianstempels< definiert werden
soll, und welche Vergleichsbeispiele zu seiner Analyse herangezogen werden können. Grund-
risstypologisch weist der Bau viele Elemente auf, die sich auch am Prostylos der kanonischem
antiken Tempelarchitektur wiederfinden973: Dem Innenraum ist ein Pronaos vorgelagert, der von
zwei Antenwänden gebildet wird, vor die zur Straße hin vier Stützglieder gesetzt sind. Gleich-
zeitig ergeben sich im Detail jedoch auch Unterschiede. So finden sich etwa an der Front neben
den beiden mittig angebrachten Säulen bei dem >Hadrianstempel< an den Außenecken zwei
Pfeiler. Auch der Innenraum, der eine größere Breite als Tiefe aufweist, entspricht damit nicht
den >typischen< Eigenschaften eines Prostylos.
Für eine Analyse des Bautypus ist es deshalb notwendig, zunächst die Parameter zu diskutie-
ren, nach denen der >Hadrianstempel< einer Gruppe von Gebäuden zugeordnet werden soll. Eines
der auffallendsten Elemente am Grundriss des Tempels ist die breite, der Gebäudefront gegenüber
asymmetrisch angeordnete Cella. Dies hat Claudia Lang-Auinger dazu veranlasst, Vergleiche mit
mesopotamischen Breitraumtempeln anzustellen974. Ihrer Ansicht nach fügt sich der ephesische
Tempel in das Gestaltungsschema der Breitraumcella mit vorgelegtem Propylon ein und erinnere
an den Bel-Tempel von Dura Europos oder den Tempel von AtTl im Hauran. Er wäre als eine
Anspielung auf Kaiser Traians militärische Verdienste im Osten975 und möglicherweise auch
auf hellenistische Herrscherkulte zu sehen. Eine solche Deutung ist m. E. jedoch abzulehnen:
Von dem breiten Innenraum abgesehen, haben die hier vorliegenden Untersuchungen bezüglich
der Rekonstruktion Lang-Auingers Vorstellungen über weitere >orientalische< Elemente in der
968 Die hier dargestellten Prämissen beruhen auf den Grundlagen von Adams - Adams 1991.
969 Adams - Adams 1991, bes. 67 f.
970 Adams-Adams 1991, bes. 157-168.
971 So beispielsweise von Hesberg 2005, 63-203.
972 s. dazu ausführlicher Quatember 2011a, 87-90.
973 Zum Prostylos s. beispielsweise Gruben 2001, 29 f. mit Abb. 16.
974 Lang-Auinger 2010, 191-196.
975 Bei einer Fertigstellung des Bauwerks 117/118 n. Chr. ist von einem Beginn noch während der Regierungszeit
Traians auszugehen. Zu Datierung und Baubeginn s. Kap. 1.2.1.