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Quatember, Ursula; Kalasek, Robert; Pliessnig, Martin; Prochaska, Walter; Quatember, Hans; Taeuber, Hans; Thuswaldner, Barbara; Weber, Johannes
Der sogenannte Hadrianstempel an der Kuretenstraße (Textband): Der sogenannte Hadrianstempel an der Kuretenstraße — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.46296#0106
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1.6 Der Wandfries des Pronaos (Ursula Quatember)

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baus wie die Friesbänder unterhalb der Wandarchitrave und der Mäanderfries im Pronaos stehen
in kleinasiatischer Tradition652. Ebenso finden die Darstellungen der sog. Rankenfrau Parallelen
in der einheimischen hellenistischen Architektur653.
Ungewöhnliche Schmuckelemente wie die Palm- und Olivenzweige auf den Stützelementen
oder auch die Verwendung der >Rankenfrau< als zentrales Motiv der Friese sind jedoch vermutlich
von der Celsusbibliothek beeinflusst. Man war bestrebt, das Dekorationskonzept der Bibliothek
mit der Rahmung der Pilaster durch fasces und dem Adler als Mittelmotiv der Friese für die
Aussage und Funktion des Tempels an der Kuretenstraße zu adaptieren.
Es scheint, als habe man versucht, dem Vorbild der Celsusbibliothek gewissermaßen auf
lokaler Ebene zu folgen und dabei auch kleinasiatische Traditionen einfließen zu lassen. Die
Ausführungsqualität der Bibliothek wurde dabei nicht unbedingt erreicht, man denke etwa an
die Wandfriese des Pronaos654, aber auch an die Soffitten der Architrave655, die mit ihrem einfa-
chen Schuppenmuster weit hinter dem Dekorationsreichtum der Bibliothek Zurückbleiben. Dies
ist möglicherweise auch mit der relativ kurzen Bauzeit von zwei bis vier Jahren zu erklären656.
1.6 DER WANDFRIES DES PRONAOS
1.6.1 Einleitung
Im Pronaos des Tempels sind in den Wänden unterhalb der Architravzone657 vier Reliefs mit figür-
lichen Szenen angebracht (Taf. 306-320). Sie zeigen mythologische Szenen der Stadtgründung
und aus der Frühzeit des Artemisions. Die Reliefs sind in der Vergangenheit vor allem bezüglich
ihrer zeitlichen Einordnung äußerst kontrovers diskutiert worden. Die auf kunsthistorischen
Analysen beruhenden Datierungsansätze schwanken zwischen der Bauzeit des Tempels, der
severischen und tetrarchischen Zeit sowie dem dritten Viertel des 4. Jahrhunderts n. Chr. Der
Großteil der Untersuchungen ging bislang von einer Entstehung und Anbringung der Reliefs in
nachhadrianischer Zeit aus. Bereits Franz Miltner postulierte unmittelbar nach der Ausgrabung
eine Datierung in theodosianische Zeit, in die Jahre 379-394. Diese Beurteilung hatte weitrei-
chende Konsequenzen für Überlegungen zur Baugeschichte und Interpretation des Monuments,
denn um die Reliefblöcke sekundär in den Wänden des Pronaos anbringen zu können, hätte man
groß angelegte Umbauarbeiten vornehmen müssen. Da tatsächlich einige Bauglieder Spuren
antiker Reparaturen aufweisen, die allerdings der neuen Bauanalyse zufolge auf den westlichen
Pronaos und die Straßenfront beschränkt sind, ging man in weiterer Folge von einem antiken
Umbau des gesamten Gebäudes aus658.
Mangels einer kombinierten Analyse von Reliefs und Baubefund entstand so ein Zirkel-
schluss: Nach zu dem damaligen Zeitpunkt weithin akzeptierten kunsthistorischen Kriterien
postulierten Archäologen ohne Kenntnis des genauen Bauzusammenhangs eine Datierung der
Wandfriese in nachhadrianische Zeit. Somit schien es für Architekten erwiesen, dass man mit
spätantiken baulichen Veränderungen am Tempel zu rechnen hätte. Diese in einschlägigen Pub-
likationen geäußerten Ansichten zu einer spätantiken Bauphase659 bestärkten wiederum die mit
kunsthistorischen Methoden arbeitenden Spezialisten in der Annahme, dass eine spätere Datie-
rung ohne Weiteres möglich sei.

652 Vgl. dazu Kap. 1.5.2.7.
653 Vgl. Kap. I.5.2.8.
654 s. dazu Kap. 1.6.
655 s. Kap. I.5.2.4.
656 s. dazu Kap. 1.2.1.
657 Zur Anbringung unterhalb der Architravzone s. Kap. 1.8.2.7.
658 s. dazu auch Kapitel 1.1.2.
659 Vgl. beispielsweise Hueber 1997, 86-88. Zu einer Übersicht über die unterschiedlichen Ansätze zur Bauge-
schichte des >Hadrianstempels< s. Kap. 1.1.2.
 
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