1.9 Zusammenfassung (Ursula Quatember)
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zu den frühesten Beispielen für die Verwendung dieses Architekturmotivs in der kleinasiatischen
Monumentalarchitektur.
1.9 ZUSAMMENFASSUNG
1.9.1 Die römische Kaiserzeit
1.9.1.1 TOPOGRAFIE UND FORSCHUNGSGESCHICHTE
Der >Hadrianstempel< liegt im Zentrum des hellenistisch-römischen Ephesos an der sog. Kureten-
straße, die in der Antike vermutlich als Embolos bezeichnet wurde (Taf. I)1024; das restliche Areal
der Insula wird von einer kaiserzeitlichen Thermenanlage eingenommen, dem Variusbad1025. Die
Kuretenstraße verläuft schräg zu dem sonst rechtwinkelig an den Himmelsrichtungen orientierten
Straßenraster der Stadt. Dies ist einerseits mit dem natürlichen Geländeverlauf in einem Sattel
zwischen den beiden ephesischen Stadtbergen, dem Panayirdag und dem Bülbüldag, zu begrün-
den. Andererseits folgt die Kuretenstraße damit auch einem alten Prozessionsweg, auf welchem
Umzüge von dem vor der Stadt gelegenen Artemisheiligtum um den Panayirdag wieder zurück
in das Artemision geführt wurden. Im Stadtgebiet ausgegrabene archaische Gräber zeigen, dass
diese Wegführung auf eine lange Tradition zurückgeht, die bei der Anlage der hellenistisch-
römischen Stadt nicht verändert wurde1026.
Die Kuretenstraße bildete in den 1950er Jahren einen der Schwerpunkte der Ephesos-For-
schung1027. Der damalige Grabungsleiter Franz Miltner führte mit bis zu 120 einheimischen
Arbeitskräften, unterstützt von Traktoren, Pferdefuhrwerken und einer kleinen Feldbahn, Aus-
grabungen in großem Ausmaß durch. Eines seiner explizit genannten Ziele bei der Wiederauf-
nahme der österreichischen Forschungen in Ephesos nach dem Zweiten Weltkrieg war es, die
antike Stadt für den modernen Besucher möglichst gut erlebbar zu machen. Dazu zählte für
Miltner auch die Freilegung ganzer Straßenzüge, insbesondere der Kuretenstraße. Ebenso wichtig
war ihm der Wiederaufbau der Ruinen. Beide Prioritäten spiegeln sich in der Forschungsge-
schichte des >Hadrianstempels< wider: Das Bauwerk wurde rasch untersucht und die wichtigsten
und spektakulärsten Ergebnisse in Vorberichten publiziert. Danach folgte von 1956-1958 der
Wiederaufbau1028. Aufgrund des plötzlichen Todes von Miltner im Jahr 1959 kam es zu keiner
abschließenden Publikation des Gebäudes.
Aus antiken Quellen war Miltner bereits bei seinen Ausgrabungen der 1950er Jahre bekannt,
dass Ephesos einmal über einen Neokorietempel für Kaiser Hadrian verfügt hatte, in dem man
auf provinzweiter Ebene dem Kaiser huldigte. Ein solcher Neokorietempel überragte damit in
seiner Bedeutung bei Weitem die städtischen Kaiserkulte, die von rein lokalem Rang waren.
Die Errichtung musste deshalb vom Kaiser selbst genehmigt werden und stellte einen großen
Gunstbeweis für die jeweilige Stadt dar, die ihrem Namen den Ehrentitel »Neokoros« zur Seite
stellte. In der Provinz Asia bemühten sich neben Ephesos häufig andere bedeutende Städte wie
Smyrna und Pergamon, eine entsprechende Erlaubnis zu bekommen. Ephesos errang spätestens
in flavischer Zeit zum ersten Mal den Titel »Neokoros«. Die zweite Neokorie wurde der Stadt
von Kaiser Hadrian verliehen1029.
1024 Keil 1935, 87-91; Alzinger 1970, 1597 f.
1025 Vgl. dazu Kap. 1.7.1.
1026 s. dazu ausführlicher Kap. 1.7.2.2.
1027 Zur Ausgrabung der Kuretenstraße s. Quatember 2005, 271-278. Zur Erforschung des Tempels s. bes. auch Kap.
1.1.1.
1028 s. dazu Kap. 1.1.3 sowie Kap. 1.4. Vgl. auch Kap. II.2.
1029 Generell zur Thematik s. Burrell 2004; zur hadrianischen Neokorie von Ephesos s. bes. Burrell 2004, 66-70 mit
weiterer Lit.
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zu den frühesten Beispielen für die Verwendung dieses Architekturmotivs in der kleinasiatischen
Monumentalarchitektur.
1.9 ZUSAMMENFASSUNG
1.9.1 Die römische Kaiserzeit
1.9.1.1 TOPOGRAFIE UND FORSCHUNGSGESCHICHTE
Der >Hadrianstempel< liegt im Zentrum des hellenistisch-römischen Ephesos an der sog. Kureten-
straße, die in der Antike vermutlich als Embolos bezeichnet wurde (Taf. I)1024; das restliche Areal
der Insula wird von einer kaiserzeitlichen Thermenanlage eingenommen, dem Variusbad1025. Die
Kuretenstraße verläuft schräg zu dem sonst rechtwinkelig an den Himmelsrichtungen orientierten
Straßenraster der Stadt. Dies ist einerseits mit dem natürlichen Geländeverlauf in einem Sattel
zwischen den beiden ephesischen Stadtbergen, dem Panayirdag und dem Bülbüldag, zu begrün-
den. Andererseits folgt die Kuretenstraße damit auch einem alten Prozessionsweg, auf welchem
Umzüge von dem vor der Stadt gelegenen Artemisheiligtum um den Panayirdag wieder zurück
in das Artemision geführt wurden. Im Stadtgebiet ausgegrabene archaische Gräber zeigen, dass
diese Wegführung auf eine lange Tradition zurückgeht, die bei der Anlage der hellenistisch-
römischen Stadt nicht verändert wurde1026.
Die Kuretenstraße bildete in den 1950er Jahren einen der Schwerpunkte der Ephesos-For-
schung1027. Der damalige Grabungsleiter Franz Miltner führte mit bis zu 120 einheimischen
Arbeitskräften, unterstützt von Traktoren, Pferdefuhrwerken und einer kleinen Feldbahn, Aus-
grabungen in großem Ausmaß durch. Eines seiner explizit genannten Ziele bei der Wiederauf-
nahme der österreichischen Forschungen in Ephesos nach dem Zweiten Weltkrieg war es, die
antike Stadt für den modernen Besucher möglichst gut erlebbar zu machen. Dazu zählte für
Miltner auch die Freilegung ganzer Straßenzüge, insbesondere der Kuretenstraße. Ebenso wichtig
war ihm der Wiederaufbau der Ruinen. Beide Prioritäten spiegeln sich in der Forschungsge-
schichte des >Hadrianstempels< wider: Das Bauwerk wurde rasch untersucht und die wichtigsten
und spektakulärsten Ergebnisse in Vorberichten publiziert. Danach folgte von 1956-1958 der
Wiederaufbau1028. Aufgrund des plötzlichen Todes von Miltner im Jahr 1959 kam es zu keiner
abschließenden Publikation des Gebäudes.
Aus antiken Quellen war Miltner bereits bei seinen Ausgrabungen der 1950er Jahre bekannt,
dass Ephesos einmal über einen Neokorietempel für Kaiser Hadrian verfügt hatte, in dem man
auf provinzweiter Ebene dem Kaiser huldigte. Ein solcher Neokorietempel überragte damit in
seiner Bedeutung bei Weitem die städtischen Kaiserkulte, die von rein lokalem Rang waren.
Die Errichtung musste deshalb vom Kaiser selbst genehmigt werden und stellte einen großen
Gunstbeweis für die jeweilige Stadt dar, die ihrem Namen den Ehrentitel »Neokoros« zur Seite
stellte. In der Provinz Asia bemühten sich neben Ephesos häufig andere bedeutende Städte wie
Smyrna und Pergamon, eine entsprechende Erlaubnis zu bekommen. Ephesos errang spätestens
in flavischer Zeit zum ersten Mal den Titel »Neokoros«. Die zweite Neokorie wurde der Stadt
von Kaiser Hadrian verliehen1029.
1024 Keil 1935, 87-91; Alzinger 1970, 1597 f.
1025 Vgl. dazu Kap. 1.7.1.
1026 s. dazu ausführlicher Kap. 1.7.2.2.
1027 Zur Ausgrabung der Kuretenstraße s. Quatember 2005, 271-278. Zur Erforschung des Tempels s. bes. auch Kap.
1.1.1.
1028 s. dazu Kap. 1.1.3 sowie Kap. 1.4. Vgl. auch Kap. II.2.
1029 Generell zur Thematik s. Burrell 2004; zur hadrianischen Neokorie von Ephesos s. bes. Burrell 2004, 66-70 mit
weiterer Lit.