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I DAS BAUWERK AN DER KURETENSTRASSE
Die Artemispriesterin hatte bedeutende Aufgaben im Kult zu übernehmen, wie Frangois Kir-
bihler betont272: Sie führte vermutlich öffentliche Opfer durch und verteilte die Opfergaben
unter Boule, Gerousie, dem Kultpersonal und den Siegern der Artemisia273. Bei den Artemisia
selbst führte sie - schenkt man einer Beschreibung des Xenophon von Ephesos Glauben - in der
Festprozession den Zug der jungen Frauen an274. Wie auch die Stiftungsinschrift des Salutaris
verdeutlicht, nahm die Artemispriesterin am Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. die Hauptrolle
im Kultgeschehen ein und stand den Kulthandlungen vor275. Laut Helmut Engelmann dürfte sie
auch ein verbindendes Element zwischen Stadt und Heiligtum dargestellt haben276.
Die Tatsache, dass außer Quintilia Varilla keine anderen Kinder genannt sind, lässt vermuten,
dass Varius - zumindest zum Zeitpunkt der Fertigstellung des >Hadrianstempels< - keine ande-
ren Nachkommen hatte277. Die Nennung von weiblichen Familienmitgliedern ist in ephesischen
Bauinschriften nicht unüblich. Bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts werden sie jedoch zumeist
gemeinsam mit Männern - Vätern oder Ehegatten - genannt, erst danach treten sie als >eigen-
ständige< Stifterinnen auf278.
Wiederholt ist auch vermutet worden, es könnte sich bei Quintilia Varilla um die spätere Ehe-
frau des Ti. lulius Celsus Polemaeanus gehandelt haben, für den die Bibliothek am westlichen
Abschluss des Embolos als Grabbau errichtet worden war279.
Ursula Quatember
1.3 DIE BAUAUFNAHME: 3-D-VERMESSUNG UND POSTPROCESSING
1.3.1 Methode
Der erste Schritt jeder bauforscherischen Tätigkeit ist die genaue Vermessung des vorhandenen
Bestands. In situ verbliebene Bauteile, spätere Ergänzungen und Überbauungen sowie lose Ein-
zelbauteile müssen exakt dokumentiert werden und dienen als unabdingbare Grundlage für die
wissenschaftliche Arbeit. Ergebnis dieser Bauaufnahme sind meist Pläne, also zweidimensionale
Zeichnungen des zu erforschenden Objekts280.
Die Anforderungen an die im Zuge der Bauaufnahme erhobenen Daten sind vielfältig, und
nicht selten kristallisieren sich im Zuge der wissenschaftlichen Auseinandersetzung neue Fra-
gestellungen heraus, für welche die vorab erstellte Dokumentation idealerweise ausreichende
Informationen beinhalten soll. Die Pläne müssen das Gebäude in all seinen Dimensionen und
mit sämtlichen Details darstellen. Im Unterschied zur Fotografie sind diese Pläne verzerrungs-
freie und maßstabgetreue Abbildungen. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, dass alle
am Bau vorkommenden Maße wenigstens einmal in ihrer wahren Länge vorkommen. Dafür
sind Grundrisse in unterschiedlichen Ebenen und mehrere Schnitte nötig. Neben dem Bereit-
stellen aller Längenmaße und Dimensionen muss die Dokumentation aber auch Aufschluss über
272 Kirbihler 2003, 796 f.
273 SEG 43, 779; Vgl. Knibbe - Engelmann - Iplikfioglu 1993, 129 Nr. 21, von denen die Inschrift auf eine Priesterin
der Artemis und Prytanin bezogen wurde.
274 Xenophon von Ephesos, Ephesiaka 1, 2, 5; vgl. Kirbihler 2003, 796. Zu den Prozessionen s. auch Kap. 1.7.2.
275 IvE 27, Z. 266. Vgl. dazu ausführlich Rogers 1991, 54 f.
276 Engelmann 2001, 37.
277 Besonders männliche Nachkommen wären mit Sicherheit genannt worden. Vgl. dazu etwa auch Nolle 1994, bes.
253: »Die von den städtischen Honoratioren verinnerlichte Adelsideologie des Wertes von langen Ahnenreihen
machte die Fortführung der Deszendenz zu einem der wichtigsten Familienziele. Frauen betraten in personellen
Notsituationen ihrer Familien die politischen Bühnen der Städte.«
278 Vgl. Rogers 1992, 215-223.
279 So bereits Wörrle 1973, 475 Amn. 28; Scherrer 2006, 55 mit Amn. 53; Scherrer 2008, 49 Amn. 64. Zur Bibliothek
s. auch o. mit Amn. 236.
280 Allgemein zu Methoden der Bauforschung, insbesondere der Bauaufhahme, s. Gruben 2000, 251 -257 mit weiter-
führender Lit.; Grossmann 2010.
I DAS BAUWERK AN DER KURETENSTRASSE
Die Artemispriesterin hatte bedeutende Aufgaben im Kult zu übernehmen, wie Frangois Kir-
bihler betont272: Sie führte vermutlich öffentliche Opfer durch und verteilte die Opfergaben
unter Boule, Gerousie, dem Kultpersonal und den Siegern der Artemisia273. Bei den Artemisia
selbst führte sie - schenkt man einer Beschreibung des Xenophon von Ephesos Glauben - in der
Festprozession den Zug der jungen Frauen an274. Wie auch die Stiftungsinschrift des Salutaris
verdeutlicht, nahm die Artemispriesterin am Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. die Hauptrolle
im Kultgeschehen ein und stand den Kulthandlungen vor275. Laut Helmut Engelmann dürfte sie
auch ein verbindendes Element zwischen Stadt und Heiligtum dargestellt haben276.
Die Tatsache, dass außer Quintilia Varilla keine anderen Kinder genannt sind, lässt vermuten,
dass Varius - zumindest zum Zeitpunkt der Fertigstellung des >Hadrianstempels< - keine ande-
ren Nachkommen hatte277. Die Nennung von weiblichen Familienmitgliedern ist in ephesischen
Bauinschriften nicht unüblich. Bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts werden sie jedoch zumeist
gemeinsam mit Männern - Vätern oder Ehegatten - genannt, erst danach treten sie als >eigen-
ständige< Stifterinnen auf278.
Wiederholt ist auch vermutet worden, es könnte sich bei Quintilia Varilla um die spätere Ehe-
frau des Ti. lulius Celsus Polemaeanus gehandelt haben, für den die Bibliothek am westlichen
Abschluss des Embolos als Grabbau errichtet worden war279.
Ursula Quatember
1.3 DIE BAUAUFNAHME: 3-D-VERMESSUNG UND POSTPROCESSING
1.3.1 Methode
Der erste Schritt jeder bauforscherischen Tätigkeit ist die genaue Vermessung des vorhandenen
Bestands. In situ verbliebene Bauteile, spätere Ergänzungen und Überbauungen sowie lose Ein-
zelbauteile müssen exakt dokumentiert werden und dienen als unabdingbare Grundlage für die
wissenschaftliche Arbeit. Ergebnis dieser Bauaufnahme sind meist Pläne, also zweidimensionale
Zeichnungen des zu erforschenden Objekts280.
Die Anforderungen an die im Zuge der Bauaufnahme erhobenen Daten sind vielfältig, und
nicht selten kristallisieren sich im Zuge der wissenschaftlichen Auseinandersetzung neue Fra-
gestellungen heraus, für welche die vorab erstellte Dokumentation idealerweise ausreichende
Informationen beinhalten soll. Die Pläne müssen das Gebäude in all seinen Dimensionen und
mit sämtlichen Details darstellen. Im Unterschied zur Fotografie sind diese Pläne verzerrungs-
freie und maßstabgetreue Abbildungen. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, dass alle
am Bau vorkommenden Maße wenigstens einmal in ihrer wahren Länge vorkommen. Dafür
sind Grundrisse in unterschiedlichen Ebenen und mehrere Schnitte nötig. Neben dem Bereit-
stellen aller Längenmaße und Dimensionen muss die Dokumentation aber auch Aufschluss über
272 Kirbihler 2003, 796 f.
273 SEG 43, 779; Vgl. Knibbe - Engelmann - Iplikfioglu 1993, 129 Nr. 21, von denen die Inschrift auf eine Priesterin
der Artemis und Prytanin bezogen wurde.
274 Xenophon von Ephesos, Ephesiaka 1, 2, 5; vgl. Kirbihler 2003, 796. Zu den Prozessionen s. auch Kap. 1.7.2.
275 IvE 27, Z. 266. Vgl. dazu ausführlich Rogers 1991, 54 f.
276 Engelmann 2001, 37.
277 Besonders männliche Nachkommen wären mit Sicherheit genannt worden. Vgl. dazu etwa auch Nolle 1994, bes.
253: »Die von den städtischen Honoratioren verinnerlichte Adelsideologie des Wertes von langen Ahnenreihen
machte die Fortführung der Deszendenz zu einem der wichtigsten Familienziele. Frauen betraten in personellen
Notsituationen ihrer Familien die politischen Bühnen der Städte.«
278 Vgl. Rogers 1992, 215-223.
279 So bereits Wörrle 1973, 475 Amn. 28; Scherrer 2006, 55 mit Amn. 53; Scherrer 2008, 49 Amn. 64. Zur Bibliothek
s. auch o. mit Amn. 236.
280 Allgemein zu Methoden der Bauforschung, insbesondere der Bauaufhahme, s. Gruben 2000, 251 -257 mit weiter-
führender Lit.; Grossmann 2010.