1.7 Der topografische Kontext (Ursula Quatember)
125
und der Versammlung von Göttern mit lokalem Bezug sind dazu geeignet, dem Betrachter die
ruhmreiche Vergangenheit von Stadt und Heiligtum vor Augen zu halten und die gemeinsame
Identität der Bewohner zu stärken. Gleichzeitig wurde damit auch die Verbindung zwischen
Ephesos und dem Artemision ausgedrückt, die auch in anderen Dekorationselementen des Tem-
pels - wie etwa in der Ty ehe am straßenseitigen Bogen und der >Rankenfrau< in der Lünette über
dem Eingang zur Cella867 - ihre Entsprechung findet. Mit dieser auf mehreren Ebenen angesie-
delten Botschaft fügen sich die Reliefs zur Gesamtaussage des Bauwerks, das in Zusammenhang
mit den Prozessionen des Festes der Großen Artemisia und den Ämtern des Stifters P. Quintilius
Valens Varius zu sehen ist868.
Die Weiterverwendung der Reliefplatten auch im westlichen Teil des Pronaos bei der Repara-
tur des 4. Jahrhunderts n. Chr. zeigt, dass auch in dieser Zeit die gezeigten Themen für die Stadt
und die Funktion des Gebäudes noch relevant waren, zumal es ein Leichtes gewesen wäre, das
Relief durch Bruchsteinmauerwerk zu ersetzen869.
1.7 DER TOPOGRAFISCHE KONTEXT
1.7.1 Das Variusbad
1.7.1.1 Grabungsgeschichte und Forschungsstand
Gleichzeitig mit der Wiederaufnahme der österreichischen Ausgrabungen in Ephesos nach dem
Zweiten Weltkrieg wurden auch die Untersuchungen der Thermenanlage begonnen, die zunächst
als >Kuretentherme< bezeichnet wurde, womit das gesamte Areal zwischen der Marmorstraße
und der Badgasse gemeint war (Taf 4, l)870. Der Name stammte von den Säulentrommeln mit
Listen von Trägern des Kuretenamtes, die bei den von der Christin Scholastikia finanzierten
Renovierungen vor allem in der sog. Kuretenhalle verbaut wurden871. Unter der Grabungsleitung
Franz Miltners wurde bis zum Jahr 1958 die gesamte Insula des >Hadrianstempels< freigelegt
(Taf. 80; 81, 1 )872, und an manchen Stellen wurden Bauteile wieder aufgestellt (Taf. 81,2; 82, 1).
Nach dem Auffinden der Statue einer Stifterin (Taf. 82, 2) wurde der Komplex als Scholasti-
kiatherme bezeichnet. Der Grabungsfortschritt lässt sich an den Plänen nachvollziehen, die in
den jährlichen Berichten publiziert wurden873. Zusätzlich zu den veröffentlichten Darstellungen
existieren Tagebucheinträge, Fotos und einige Zeichnungen als Quellen für Miltners Tätigkeit874.
Nach dem plötzlichen Tod Miltners im Jahr 1959 wurden die Arbeiten in der Scholastikiatherme
eingestellt. Die posthum erschienenen Grabungsberichte liefern eine summarische Beschreibung
und Funktionszuweisung der Baderäume in der letzten Bauphase. Zu einer ausführlichen Vorlage
der Befunde kam es jedoch nicht.
In den Jahren 1968-1975 kam es unter der Leitung von Gerhard Langmann zu Aufnahme-
und Konservierungsarbeiten an der Scholastikiatherme sowie kleineren Nachgrabungen, die der
Publikationsvorbereitung dienen sollten875. Dabei wurde an der Südwestecke der Insula eine
867 Vgl. dazu Kap. 1.5.2.8.
868 s. dazu ausführlich Kap. 1.9.
869 s. dazu auch Kap. 1.4.5.1 sowie Kap. 1.4.5.3.
870 Zur Grabungstätigkeit der 1950er Jahre an der Kuretenstraße s. Quatember 2005, 271-278.
871 Die Architekturglieder stammten ursprünglich aus dem Prytaneion, vgl. dazu Steskal 2010, bes. 12. 82 f. Insbe-
sondere zur sog. Kuretenhalle vgl. Thür 1999a, 112-114. Zu Scholistikia s. u. Kap. 1.7.1.3.
872 Zu einer Zusammenfassung des Grabungsverlaufs s. auch Boulasikis 2005, 128-132.
873 Berichte zu den Grabungen in diesem Areal: Miltner 1954, 250; Miltner 1955, 35-40; Miltner 1956, 44-46; Milt-
ner 1957a, 16 f; Miltner 1956-1958, 15-25; Miltner 1958a, 80-82; Miltner 1959a, 250-256; Miltner 1959b,
322-325; Miltner 1959c, 32-34; Miltner 1960a, 2-10
874 Großer Dank gilt Reintraut Göschl, die Briefe und Zeichnungen aus dem Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes
Karl Heinz Göschl zugänglich machte. Tagebücher, Fotos und weitere Zeichnungen befinden sich heute im Archiv
des Österreichischen Archäologischen Instituts in Wien.
875 Grabungsberichte: Eichler 1969, 134; Vetters 1970, 120-122; Vetters 1971, 92; Vetters 1972, 92-95; Vetters
1973, 185 f; Vetters 1974, 218 f; Vetters 1976, 500; Vetters 1976/1977, 18.
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und der Versammlung von Göttern mit lokalem Bezug sind dazu geeignet, dem Betrachter die
ruhmreiche Vergangenheit von Stadt und Heiligtum vor Augen zu halten und die gemeinsame
Identität der Bewohner zu stärken. Gleichzeitig wurde damit auch die Verbindung zwischen
Ephesos und dem Artemision ausgedrückt, die auch in anderen Dekorationselementen des Tem-
pels - wie etwa in der Ty ehe am straßenseitigen Bogen und der >Rankenfrau< in der Lünette über
dem Eingang zur Cella867 - ihre Entsprechung findet. Mit dieser auf mehreren Ebenen angesie-
delten Botschaft fügen sich die Reliefs zur Gesamtaussage des Bauwerks, das in Zusammenhang
mit den Prozessionen des Festes der Großen Artemisia und den Ämtern des Stifters P. Quintilius
Valens Varius zu sehen ist868.
Die Weiterverwendung der Reliefplatten auch im westlichen Teil des Pronaos bei der Repara-
tur des 4. Jahrhunderts n. Chr. zeigt, dass auch in dieser Zeit die gezeigten Themen für die Stadt
und die Funktion des Gebäudes noch relevant waren, zumal es ein Leichtes gewesen wäre, das
Relief durch Bruchsteinmauerwerk zu ersetzen869.
1.7 DER TOPOGRAFISCHE KONTEXT
1.7.1 Das Variusbad
1.7.1.1 Grabungsgeschichte und Forschungsstand
Gleichzeitig mit der Wiederaufnahme der österreichischen Ausgrabungen in Ephesos nach dem
Zweiten Weltkrieg wurden auch die Untersuchungen der Thermenanlage begonnen, die zunächst
als >Kuretentherme< bezeichnet wurde, womit das gesamte Areal zwischen der Marmorstraße
und der Badgasse gemeint war (Taf 4, l)870. Der Name stammte von den Säulentrommeln mit
Listen von Trägern des Kuretenamtes, die bei den von der Christin Scholastikia finanzierten
Renovierungen vor allem in der sog. Kuretenhalle verbaut wurden871. Unter der Grabungsleitung
Franz Miltners wurde bis zum Jahr 1958 die gesamte Insula des >Hadrianstempels< freigelegt
(Taf. 80; 81, 1 )872, und an manchen Stellen wurden Bauteile wieder aufgestellt (Taf. 81,2; 82, 1).
Nach dem Auffinden der Statue einer Stifterin (Taf. 82, 2) wurde der Komplex als Scholasti-
kiatherme bezeichnet. Der Grabungsfortschritt lässt sich an den Plänen nachvollziehen, die in
den jährlichen Berichten publiziert wurden873. Zusätzlich zu den veröffentlichten Darstellungen
existieren Tagebucheinträge, Fotos und einige Zeichnungen als Quellen für Miltners Tätigkeit874.
Nach dem plötzlichen Tod Miltners im Jahr 1959 wurden die Arbeiten in der Scholastikiatherme
eingestellt. Die posthum erschienenen Grabungsberichte liefern eine summarische Beschreibung
und Funktionszuweisung der Baderäume in der letzten Bauphase. Zu einer ausführlichen Vorlage
der Befunde kam es jedoch nicht.
In den Jahren 1968-1975 kam es unter der Leitung von Gerhard Langmann zu Aufnahme-
und Konservierungsarbeiten an der Scholastikiatherme sowie kleineren Nachgrabungen, die der
Publikationsvorbereitung dienen sollten875. Dabei wurde an der Südwestecke der Insula eine
867 Vgl. dazu Kap. 1.5.2.8.
868 s. dazu ausführlich Kap. 1.9.
869 s. dazu auch Kap. 1.4.5.1 sowie Kap. 1.4.5.3.
870 Zur Grabungstätigkeit der 1950er Jahre an der Kuretenstraße s. Quatember 2005, 271-278.
871 Die Architekturglieder stammten ursprünglich aus dem Prytaneion, vgl. dazu Steskal 2010, bes. 12. 82 f. Insbe-
sondere zur sog. Kuretenhalle vgl. Thür 1999a, 112-114. Zu Scholistikia s. u. Kap. 1.7.1.3.
872 Zu einer Zusammenfassung des Grabungsverlaufs s. auch Boulasikis 2005, 128-132.
873 Berichte zu den Grabungen in diesem Areal: Miltner 1954, 250; Miltner 1955, 35-40; Miltner 1956, 44-46; Milt-
ner 1957a, 16 f; Miltner 1956-1958, 15-25; Miltner 1958a, 80-82; Miltner 1959a, 250-256; Miltner 1959b,
322-325; Miltner 1959c, 32-34; Miltner 1960a, 2-10
874 Großer Dank gilt Reintraut Göschl, die Briefe und Zeichnungen aus dem Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes
Karl Heinz Göschl zugänglich machte. Tagebücher, Fotos und weitere Zeichnungen befinden sich heute im Archiv
des Österreichischen Archäologischen Instituts in Wien.
875 Grabungsberichte: Eichler 1969, 134; Vetters 1970, 120-122; Vetters 1971, 92; Vetters 1972, 92-95; Vetters
1973, 185 f; Vetters 1974, 218 f; Vetters 1976, 500; Vetters 1976/1977, 18.