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I DAS BAUWERK AN DER KURETENSTRASSE
LI GRABUNGS- UND FORSCHUNGSGESCHICHTE
1.1.1 Die Ausgrabung des >Hadrianstempels<
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es zahlreiche Bemühungen von österreichischer
Seite, die seit 1895 vom Österreichischen Archäologischen Institut durchgeführten Ausgrabungen
in Ephesos wieder aufzunehmen26. Im Jahr 1954 waren diese Anstrengungen schließlich erfolg-
reich: Franz Miltner27 (Taf. 4, 1) konnte als neuernannter Grabungsleiter erste Feldarbeiten vor-
nehmen. Sein erklärtes Ziel war es, offene Fragen bezüglich des Stadtplans (Taf. 1) zu klären28.
In diesem Zusammenhang ist auch die Ausgrabung der Kuretenstraße (Taf. 2) und der an sie
angrenzenden Bauten zwischen 1954 und 1958 zu sehen29. Nicht zuletzt aufgrund der schwierigen
politischen und wirtschaftlichen Lage Österreichs in dieser Zeit und der damit zusammenhängen-
den prekären Situation der Wissenschaften stand Miltner unter großem Druck, dieses finanziell
aufwendige Unternehmen im Ausland zu rechtfertigen. Daraus lässt sich auch erklären, warum
mit großem Aufwand an Arbeitskräften und technischem Gerät sowie unter enormen Zeitdruck
an der großflächigen Freilegung gearbeitet wurde, wobei mitunter die - zumindest aus heutiger
Sicht - wünschenswerte Genauigkeit der Dokumentation nicht Schritt halten konnte. Auch wenn
zuweilen bereits von Zeitgenossen diesbezüglich Kritik laut wurde30, ist Miltners Verdienst um
die Erforschung der Kuretenstraße und die Wiederaufnahme der Forschungen in Ephesos heute
nicht hoch genug einzuschätzen31.
Mit Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 1954 in Ephesos setzte Miltner die Arbeiten am Westende
der Kuretenstraße fort, wo sie im frühen 20. Jahrhundert beendet worden waren32. So erstreckten
sich seine Grabungen zunächst im Bereich der Scholastikiatherme (Taf. 4, 2)33, wo sich Miltner
wohl - in Analogie zu den Ausgrabungen in Vedius-, Theater- und Ostgymnasium in den 1920er
26 Allgemein zur Grabungsgeschichte von Ephesos s. Wohlers-Scharf 1995, bes. 126 -134 zu den Arbeiten unter der
Grabungsleitung E Miltners; Wiplinger - Wlach 1996, bes. 58-75.
27 Zu Franz Miltner s. die Nachrufe von Eichler 1959, Beibl. 1; Keil 1959, 654 f. Zur Person s. weiters Keil 1960,
361-372; Ulf 1995; Wohlers-Scharf 1995, bes. 157-159; Knibbe - Stiglitz 1998, 68-70; Wlach 1998, 126-128.
28 Vgl. ein »Programm für Ephesos«, das F. Miltner einem Brief vom 29. Oktober 1959 an den ÖAI-Mitarbeiter E.
Braun beilegte: Darin heißt es unter Punkt 4: »Arbeiten zur möglichst weitgehenden Vervollständigung des Stadt-
planes überhaupt wobei einerseits die Gebiete westlich des Panajirdag [v/c] und insbesondere die Senke zwischen
diesem und dem Bülbüldag [szc] in Betracht zu ziehen sind.« Der Brief befindet sich heute im Archiv des ÖAI,
Nachlass F. Miltner.
29 Dazu ausführlich Quatember 2005.
30 Vgl. etwa einen Brief von Armin von Gerkan vom 21. Juni 1959, in dem dieser seine Sorge über einen allzu
raschen Grabungsforschritt ausdrückt: »Offenbar haben Sie Alle in Ephesos eine starke Vorliebe für technische
Einrichtungen, denn auch für die Grabung selbst verwenden Sie motorisiertes Gerät. Auch dieses erfordert tech-
nisches Personal, Techniker oder gar Ingenieure. Aus diesen Kreisen stammt ein jetzt kursierender Ausspruch, sie
grüben so schnell, dass die Archäologen nicht nachkommen könnten.« Der Originalbrief befindet sich im ÖAI
Wien, Nachlass F. Miltner.
31 Miltner war sich der angesprochenen Probleme offenbar durchaus bewusst und ersuchte den damaligen Unter-
richtsminister Heinrich Drimmel, zusätzlich zu den laufenden Grabungen sechswöchige Aufenthalte zur Aufar-
beitung des bereits Freigelegten zu finanzieren, vgl. einen Brief vom 9. November 1957, zitiert und abgebildet bei
Wohlers-Scharf 1995, 132 Abb. 77.
32 Zur Ausgangssituation für die Grabungsarbeiten der 1950er Jahre s. Quatember 2005, 273 f.
33 Die Scholastikiatherme konnte später mit dem aus Inschriften bekannten Variusbad benannt werden, vgl. dazu
Knibbe - Merkelbach 1978. Zu dem Variusbad s. Kap. 1.7.1, zu der Forschungsgeschichte bes. Kap. 1.7.1.1.
I DAS BAUWERK AN DER KURETENSTRASSE
LI GRABUNGS- UND FORSCHUNGSGESCHICHTE
1.1.1 Die Ausgrabung des >Hadrianstempels<
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es zahlreiche Bemühungen von österreichischer
Seite, die seit 1895 vom Österreichischen Archäologischen Institut durchgeführten Ausgrabungen
in Ephesos wieder aufzunehmen26. Im Jahr 1954 waren diese Anstrengungen schließlich erfolg-
reich: Franz Miltner27 (Taf. 4, 1) konnte als neuernannter Grabungsleiter erste Feldarbeiten vor-
nehmen. Sein erklärtes Ziel war es, offene Fragen bezüglich des Stadtplans (Taf. 1) zu klären28.
In diesem Zusammenhang ist auch die Ausgrabung der Kuretenstraße (Taf. 2) und der an sie
angrenzenden Bauten zwischen 1954 und 1958 zu sehen29. Nicht zuletzt aufgrund der schwierigen
politischen und wirtschaftlichen Lage Österreichs in dieser Zeit und der damit zusammenhängen-
den prekären Situation der Wissenschaften stand Miltner unter großem Druck, dieses finanziell
aufwendige Unternehmen im Ausland zu rechtfertigen. Daraus lässt sich auch erklären, warum
mit großem Aufwand an Arbeitskräften und technischem Gerät sowie unter enormen Zeitdruck
an der großflächigen Freilegung gearbeitet wurde, wobei mitunter die - zumindest aus heutiger
Sicht - wünschenswerte Genauigkeit der Dokumentation nicht Schritt halten konnte. Auch wenn
zuweilen bereits von Zeitgenossen diesbezüglich Kritik laut wurde30, ist Miltners Verdienst um
die Erforschung der Kuretenstraße und die Wiederaufnahme der Forschungen in Ephesos heute
nicht hoch genug einzuschätzen31.
Mit Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 1954 in Ephesos setzte Miltner die Arbeiten am Westende
der Kuretenstraße fort, wo sie im frühen 20. Jahrhundert beendet worden waren32. So erstreckten
sich seine Grabungen zunächst im Bereich der Scholastikiatherme (Taf. 4, 2)33, wo sich Miltner
wohl - in Analogie zu den Ausgrabungen in Vedius-, Theater- und Ostgymnasium in den 1920er
26 Allgemein zur Grabungsgeschichte von Ephesos s. Wohlers-Scharf 1995, bes. 126 -134 zu den Arbeiten unter der
Grabungsleitung E Miltners; Wiplinger - Wlach 1996, bes. 58-75.
27 Zu Franz Miltner s. die Nachrufe von Eichler 1959, Beibl. 1; Keil 1959, 654 f. Zur Person s. weiters Keil 1960,
361-372; Ulf 1995; Wohlers-Scharf 1995, bes. 157-159; Knibbe - Stiglitz 1998, 68-70; Wlach 1998, 126-128.
28 Vgl. ein »Programm für Ephesos«, das F. Miltner einem Brief vom 29. Oktober 1959 an den ÖAI-Mitarbeiter E.
Braun beilegte: Darin heißt es unter Punkt 4: »Arbeiten zur möglichst weitgehenden Vervollständigung des Stadt-
planes überhaupt wobei einerseits die Gebiete westlich des Panajirdag [v/c] und insbesondere die Senke zwischen
diesem und dem Bülbüldag [szc] in Betracht zu ziehen sind.« Der Brief befindet sich heute im Archiv des ÖAI,
Nachlass F. Miltner.
29 Dazu ausführlich Quatember 2005.
30 Vgl. etwa einen Brief von Armin von Gerkan vom 21. Juni 1959, in dem dieser seine Sorge über einen allzu
raschen Grabungsforschritt ausdrückt: »Offenbar haben Sie Alle in Ephesos eine starke Vorliebe für technische
Einrichtungen, denn auch für die Grabung selbst verwenden Sie motorisiertes Gerät. Auch dieses erfordert tech-
nisches Personal, Techniker oder gar Ingenieure. Aus diesen Kreisen stammt ein jetzt kursierender Ausspruch, sie
grüben so schnell, dass die Archäologen nicht nachkommen könnten.« Der Originalbrief befindet sich im ÖAI
Wien, Nachlass F. Miltner.
31 Miltner war sich der angesprochenen Probleme offenbar durchaus bewusst und ersuchte den damaligen Unter-
richtsminister Heinrich Drimmel, zusätzlich zu den laufenden Grabungen sechswöchige Aufenthalte zur Aufar-
beitung des bereits Freigelegten zu finanzieren, vgl. einen Brief vom 9. November 1957, zitiert und abgebildet bei
Wohlers-Scharf 1995, 132 Abb. 77.
32 Zur Ausgangssituation für die Grabungsarbeiten der 1950er Jahre s. Quatember 2005, 273 f.
33 Die Scholastikiatherme konnte später mit dem aus Inschriften bekannten Variusbad benannt werden, vgl. dazu
Knibbe - Merkelbach 1978. Zu dem Variusbad s. Kap. 1.7.1, zu der Forschungsgeschichte bes. Kap. 1.7.1.1.