20
I DAS BAUWERK AN DER KURETENSTRASSE
und 1930er Jahren34 - ebenfalls zahlreiche Skulpturenfunde erwartete. Man näherte sich der
Badeanlage von der Westseite und folgte gleichzeitig dem Verlauf der Kuretenstraße nach Osten.
Am 27. August 1956 verzeichnete Miltner im Grabungstagebuch den Fund einer Statuenba-
sis, in der noch Reste eines Bronzefußes fixiert waren, und die heute als das Oberteil der Basis
von Flavius Theodosius identifiziert werden kann (0011 Taf. 217, 2)35. An diesem Tag war man
offenbar zu dem Bereich unmittelbar vor dem >Hadrianstempel< gelangt (Taf. 5, 1; 7, 2). Milt-
ner dürfte die Strukturen zunächst für den repräsentativen Eingangsbereich der im Tagebuch so
bezeichneten Scholastikiatherme gehalten haben36. Gleichzeitig entzifferte er die Inschrift auf den
Architraven und vermutete darin die Bauinschrift des zweiten Neokorietempels37. Die Existenz
eines solchen offiziellen Kaiserkulttempels für Kaiser Hadrian war seit Langem aus epigrafi-
schen und numismatischen Quellen bekannt gewesen38; die (vermeintliche) Identifizierung des
Gebäudes stellte somit einen willkommenen Anlass dar, die wissenschaftliche Bedeutung der
wieder aufgenommenen Grabungen in Ephesos zu unterstreichen.
Zunächst scheint Miltner eine Zugehörigkeit der Inschrift zu einem anderen Gebäude am
gegenüberliegenden Nordabhang des Bülbüldag vermutet zu haben. Erst am 17. September
konnte er den Zusammenhang klären und hielt im Grabungstagebuch fest: »Da jedesfalls [.szc]
auf dieser Kuppe ein Tempelfundament nahezu ausgeschlossen ist und vor allem im Hinblick
auf das davorstehende Bauwerk am Hang ein Herunterfallen der Architektur auf die Straße
unmöglich ist, wird es richtig sein, dass, wofür die Einzelmessungen sprechen, das >Portal< der
Hadrianstempel ist.«39. Im weiteren Verlauf der Grabungskampagne 1956 widmete man sich
der wissenschaftlichen Aufnahme des Bauwerks40. Die Wandreliefs aus dem Pronaos wurden in
das Museum Selguk gebracht und dort aufgestellt41. In den publizierten Vorberichten Miltners
nimmt der >Hadrianstempel< eine prominente Stellung ein, wobei sich die Darstellung auf die
Architektur und die Wandreliefs konzentrierte42.
Den Grabungsbefund selbst betreffend, lassen sich dem handschriftlichen Tagebuch leider
kaum Informationen entnehmen43. Die einzige weiterführende Beobachtung bezüglich der Zer-
störungsgeschichte des Gebäudes betrifft die sog. Schuttsperre: Mittels einer Trockenmauer
aus Spolien hatte man nach dem Einsturz mehrerer Gebäude versucht, die Straße auf weiterer
Strecke passierbar zu machen44. Einige Architekturglieder des Tempels waren offenbar in der
>Schuttsperre< verbaut45. Diese Angabe wird durch Grabungsfotos bestätigt (Taf. 5, 2; 6, 1-2).
Davon abgesehen bieten leider auch die Fotos nur wenig Information über den Befund und die
Sturzlage der Architektur (Taf. 5, 1; 7, 1-9, 1). Bereits während der Ausgrabung wurden die
Bauglieder bewegt, die Fotodokumentation erfolgte jedoch größtenteils erst nach Abschluss der
Grabungsarbeiten, was zumeist mit dem Erreichen des ehemaligen kaiserzeitlichen oder spätanti-
ken Bodenniveaus einherging (Taf. 9, 2; 10-11). Eine Dokumentation der Stratigrafie unterblieb
hingegen, nur vereinzelt wurden entsprechende Beobachtungen im Grabungstagebuch notiert.
34 Zu der Geschichte dieser >Bädergrabungen< vgl. Wohlers-Scharf 1995, 111 f. 115 f. 196 f. 222-224; Wiplinger -
Wlach 1996, 46 f. 53-55; Auinger - Rathmayr 2007, 242-244. Zu dem Vediusgymnasium s. auch Steskal - La
Torre 2008, 4-6.
35 Vgl. dazu Kap. 1.4.5.2.
36 Vgl. beispielsweise den Eintrag vom Sonntag, den 2. September 1956 in das handschriftliche Tagebuch, s. Kap.
III.3.
37 Vgl. den Tagebucheintrag vom 30. August 1956, s. Kap. III.3.
38 Zu der zweiten Neokorie fiir Ephesos s. Burrell 2004, 66-70.
39 Vgl. Kap. III.3.
40 Vgl. den Tagebucheintrag vom 18. Oktober 1956, s. Kap. III.3.
41 Vgl. die Tagebucheinträge vom 6. und 21. Oktober 1956, s. Kap. III.3.
42 Folgende Vorberichte beschäftigen sich mit den Grabungen am >Hadrianstempel<: Miltner 1957a, 21-23; Miltner
1957b, 22 f; Miltner 1959a, 264-273. Darüber hinaus widmete sich Miltner in einer Festschrift einem der Reliefs
aus der Vorhalle: Miltner 1960b, 93-97.
43 Vgl. Kap. III.3.
44 Zu der >Schuttsperre< vgl. Kap. 1.7.3.
45 Vgl. den Tagebucheintrag vom 3. September 1956, s. Kap. III.3.
I DAS BAUWERK AN DER KURETENSTRASSE
und 1930er Jahren34 - ebenfalls zahlreiche Skulpturenfunde erwartete. Man näherte sich der
Badeanlage von der Westseite und folgte gleichzeitig dem Verlauf der Kuretenstraße nach Osten.
Am 27. August 1956 verzeichnete Miltner im Grabungstagebuch den Fund einer Statuenba-
sis, in der noch Reste eines Bronzefußes fixiert waren, und die heute als das Oberteil der Basis
von Flavius Theodosius identifiziert werden kann (0011 Taf. 217, 2)35. An diesem Tag war man
offenbar zu dem Bereich unmittelbar vor dem >Hadrianstempel< gelangt (Taf. 5, 1; 7, 2). Milt-
ner dürfte die Strukturen zunächst für den repräsentativen Eingangsbereich der im Tagebuch so
bezeichneten Scholastikiatherme gehalten haben36. Gleichzeitig entzifferte er die Inschrift auf den
Architraven und vermutete darin die Bauinschrift des zweiten Neokorietempels37. Die Existenz
eines solchen offiziellen Kaiserkulttempels für Kaiser Hadrian war seit Langem aus epigrafi-
schen und numismatischen Quellen bekannt gewesen38; die (vermeintliche) Identifizierung des
Gebäudes stellte somit einen willkommenen Anlass dar, die wissenschaftliche Bedeutung der
wieder aufgenommenen Grabungen in Ephesos zu unterstreichen.
Zunächst scheint Miltner eine Zugehörigkeit der Inschrift zu einem anderen Gebäude am
gegenüberliegenden Nordabhang des Bülbüldag vermutet zu haben. Erst am 17. September
konnte er den Zusammenhang klären und hielt im Grabungstagebuch fest: »Da jedesfalls [.szc]
auf dieser Kuppe ein Tempelfundament nahezu ausgeschlossen ist und vor allem im Hinblick
auf das davorstehende Bauwerk am Hang ein Herunterfallen der Architektur auf die Straße
unmöglich ist, wird es richtig sein, dass, wofür die Einzelmessungen sprechen, das >Portal< der
Hadrianstempel ist.«39. Im weiteren Verlauf der Grabungskampagne 1956 widmete man sich
der wissenschaftlichen Aufnahme des Bauwerks40. Die Wandreliefs aus dem Pronaos wurden in
das Museum Selguk gebracht und dort aufgestellt41. In den publizierten Vorberichten Miltners
nimmt der >Hadrianstempel< eine prominente Stellung ein, wobei sich die Darstellung auf die
Architektur und die Wandreliefs konzentrierte42.
Den Grabungsbefund selbst betreffend, lassen sich dem handschriftlichen Tagebuch leider
kaum Informationen entnehmen43. Die einzige weiterführende Beobachtung bezüglich der Zer-
störungsgeschichte des Gebäudes betrifft die sog. Schuttsperre: Mittels einer Trockenmauer
aus Spolien hatte man nach dem Einsturz mehrerer Gebäude versucht, die Straße auf weiterer
Strecke passierbar zu machen44. Einige Architekturglieder des Tempels waren offenbar in der
>Schuttsperre< verbaut45. Diese Angabe wird durch Grabungsfotos bestätigt (Taf. 5, 2; 6, 1-2).
Davon abgesehen bieten leider auch die Fotos nur wenig Information über den Befund und die
Sturzlage der Architektur (Taf. 5, 1; 7, 1-9, 1). Bereits während der Ausgrabung wurden die
Bauglieder bewegt, die Fotodokumentation erfolgte jedoch größtenteils erst nach Abschluss der
Grabungsarbeiten, was zumeist mit dem Erreichen des ehemaligen kaiserzeitlichen oder spätanti-
ken Bodenniveaus einherging (Taf. 9, 2; 10-11). Eine Dokumentation der Stratigrafie unterblieb
hingegen, nur vereinzelt wurden entsprechende Beobachtungen im Grabungstagebuch notiert.
34 Zu der Geschichte dieser >Bädergrabungen< vgl. Wohlers-Scharf 1995, 111 f. 115 f. 196 f. 222-224; Wiplinger -
Wlach 1996, 46 f. 53-55; Auinger - Rathmayr 2007, 242-244. Zu dem Vediusgymnasium s. auch Steskal - La
Torre 2008, 4-6.
35 Vgl. dazu Kap. 1.4.5.2.
36 Vgl. beispielsweise den Eintrag vom Sonntag, den 2. September 1956 in das handschriftliche Tagebuch, s. Kap.
III.3.
37 Vgl. den Tagebucheintrag vom 30. August 1956, s. Kap. III.3.
38 Zu der zweiten Neokorie fiir Ephesos s. Burrell 2004, 66-70.
39 Vgl. Kap. III.3.
40 Vgl. den Tagebucheintrag vom 18. Oktober 1956, s. Kap. III.3.
41 Vgl. die Tagebucheinträge vom 6. und 21. Oktober 1956, s. Kap. III.3.
42 Folgende Vorberichte beschäftigen sich mit den Grabungen am >Hadrianstempel<: Miltner 1957a, 21-23; Miltner
1957b, 22 f; Miltner 1959a, 264-273. Darüber hinaus widmete sich Miltner in einer Festschrift einem der Reliefs
aus der Vorhalle: Miltner 1960b, 93-97.
43 Vgl. Kap. III.3.
44 Zu der >Schuttsperre< vgl. Kap. 1.7.3.
45 Vgl. den Tagebucheintrag vom 3. September 1956, s. Kap. III.3.