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Quatember, Ursula; Kalasek, Robert; Pliessnig, Martin; Prochaska, Walter; Quatember, Hans; Taeuber, Hans; Thuswaldner, Barbara; Weber, Johannes
Der sogenannte Hadrianstempel an der Kuretenstraße (Textband): Der sogenannte Hadrianstempel an der Kuretenstraße — Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2017

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.46296#0143
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142

I DAS BAUWERK AN DER KURETENSTRASSE

Nymphäums vor dem Stadttor von Side werden im obersten Geschoss durch einen syrischen
Giebel< betont1020. Wie sowohl epigrafische und historische Zeugnisse1021 als auch die Bauor-
namentik1022 nahelegen, ist der Bau in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. zu datieren.
Generell ergeben sich im Vergleich mit den genannten Bauten zwei Möglichkeiten, weshalb
das Motiv des syrischen Bogens< für die Fassadengestaltung des Tempels an der Kuretenstraße
gewählt worden sein könnte. Zum einen ist dies der Vergleich mit Torbauten: Es wäre daran zu
denken, dass tatsächlich an eine Propylonarchitektur als Eingang zu einem Heiligtumsbezirk
erinnert werden sollte. Aufgrund des Bauplatzes unmittelbar an der Straße war eine solche
mehrteilige Anlage jedoch nicht zu verwirklichen, weshalb man gleichsam Propylon und Pronaos
miteinander verschmolzen hätte. Derartige Kompromisse, bei denen wegen Platzmangel in der
antiken Architektur von kanonischen Formen Abstand genommen wurde, finden sich immer
wieder. Erinnert sei hier lediglich - als wohl bekanntestes und gleichzeitig frühes Beispiel - an
den Tempel der Athena Nike auf der Akropolis, bei dem der Pronaos >gekürzt< wurde1023.
Andererseits scheint der >syrische Giebeh auch generell ein Element der Betonung zu sein,
wie sich nicht nur an Toranlagen, sondern etwa in Nekropolen zeigt, wo einzelne Gräber aus
der Menge herausgehoben werden sollen. Auch an Tabernakelfassaden wurden >syrische Gie-
bel< in späterer Zeit zur Akzentuierung verwendet. Diese Beispiele verdeutlichen, dass sich
diese Bauform nicht zuletzt auch in Zusammenhang mit langen Säulenreihen dafür eignet, einen
bestimmten Bereich oder Bau hervorzuheben - denn nicht nur der Giebel ragt bei diesem Archi-
tekturmotiv aus einer Dachreihe hervor, sondern auch sonst gerade verlaufende Gebälkreihen
sind nach oben hin aufgebogen.
Auf diese Art konnte auch der Tempel an der Kuretenstraße aus den straßenbegleitenden
Säulenhallen hervorgehoben werden. Dies scheint insbesondere für einen Raum von Bedeutung,
für den als Station bei einer Prozession entlang der Straße ein optischer Schwerpunkt geschaf-
fen werden sollte. So ist es an dem >Hadrianstempel< möglicherweise eine Kombination der
beiden genannten Aspekte - die Angleichung an das Propylon eines Temenos mit gleichzeitig
Akzentuierung des Bauwerks -, die zu der Wahl des >syrischen Giebels< als Gestaltungsmotiv
der Fassade geführt hat.
1.8.3 Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der >Hadrianstempel< an der Kuretenstraße keinem
bestimmten, festgelegten Tempeltypus folgt, der einen Hinweis auf seine Funktion und Nutzung
in der Antike geben könnte. Vielmehr legt eine Analyse der charakteristischen Eigenschaften
nahe, dass die architektonische Gestaltung durch mehrere Faktoren beeinflusst wurde: Die Auf-
teilung des Grundrisses zielt auf einen maximalen Effekt für den Betrachter ab - die Fassade
weist zur Straße hin eine möglichst große Breite auf, die eine tiefere Cella suggeriert, als sie
tatsächlich zur Ausführung kam. Dies ist wohl in Zusammenhang mit dem hinter dem Tempel
liegenden Variusbad zu verstehen, für welches der zur Verfügung stehende Baugrund optimal
ausgenutzt werden sollte. Ebenfalls mit den bestehenden Bedingungen ist vermutlich auch die
asymmetrische Anlage des Innenraumes zu verstehen. Der >syrische Giebeh als charakteristi-
sches Motiv der Front findet seine Begründung vermutlich vor allem in der Betonung des Bau-
werks, das damit unter den ebenfalls von Säulenstellungen geprägten Hallenarchitekturen entlang
der Kuretenstraße besonders hervorgehoben wird. Ein Blick auf die Datierung vergleichbarer
Monumente zeigt, dass nur wenige Beispiele ähnlicher Zeitstellung wie das sog. Hadrianstor in
Ephesos oder der Tempel NI und die Grabbauten der Tib. Klaudia Agrippina und der Mamastis
in Termessos einen syrischen Giebeh aufweisen. Der Tempel an der Kuretenstraße gehört damit

1020 Mansel 1956, 86-89; Dorl-Klingenschmid 2001, 242-244 (Nr. 106); Gliwitzky 2010, 87-122.
1021 Nolle 1993, 204-207; Gliwitzky 2010, 99-109.
1022 Gliwitzky 2010, 109-121
1023 s. dazu beispielsweise Gruben 2001, 206 f.
 
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